Liebe Leser,

es ist noch gar nicht lange her, da wurde sich in Hamburg massiv und, wie ich finde größtenteils überzogen, über die sogenannte Hetz-Presse aufgeregt. Die untalentierten Sportjournalisten rund um den HSV würden eine Art perverser Freude daran empfinden, „Unruhe in den Verein“ zu tragen, bei jeder Gelegenheit das Schlechte zu sehen und die positiven Effekte zu verschweigen. Unter diesem intriganten Diktat wäre es den hochbezahlten Exzellenzen in Vorstand und Direktorium gar nicht möglich, den Verein zu entwickeln, Presse raus!

Nun, hier scheint sich ein grundlegender Wandel vollzogen zu haben, denn um 180 Grad gewendete Hofberichterstatter finden nun nahezu alles supi-endgeil, was Didi und Konsorten tagtäglich anrichten. Egal, was es ist, es ist alles cool, es hat alles einen tieferen Sinn, am Ende wird alles gut. Wie es zu dieser radikalen Kehrtwende gekommen ist, vermag ich nicht zu sagen, ich vermute jedoch, dass den Freunden von der Journaille mittlerweile das (finanzielle) Wasser derart zum Hals steht, dass man mehr und mehr auf den Verein angewiesen ist. Und – wie man hört, erhalten diejenigen unter den Schmierfinken, die sich „um den Verein verdient machen“, eine Vorzugsbehandlung durch unser aller Medien-Guru Jörni.

Mit anderen Worten: Wer etwas will (Interviews, Informationen), hat gefälligst pro HSV zu schreiben. Gesund ist das nicht, aber es scheint in Zeiten, in denen die Vereine mehr und mehr dazu übergehen, ihren Content selbst zu veröffentlichen, normal zu werden. Ob dem Leser, dem Fan oder dem Mitglied damit gedient ist, bleibt die Frage. Wenn man täglich nur noch mit Jubel-Meldungen penetriert wird, wenn alles seinen Sinn hat und alles weitere noch Zeit braucht, wird die Möglichkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden, mehr und mehr unterbunden.

Die Presse jedenfalls spielt mit und so erfüllen die neuesten Artikel über den HSV nicht nur alle Kriterien der Hofberichterstattung, es sind im Grunde nicht mehr und nicht weniger PR-Texte, für die sich ein gelernter Journalist eigentlich schämen müsste. Über Textbausteine wie „Dukaten-Didi“, „Knüller-Knäbel“ oder „Big-Bruno“, möchte ich eigentlich gar nicht reden, das ist die unterste Boulevard-Schublade. Aber sonst? Beispiele gefällig?

Hamburger Morgenpost.

Lewis Holtby: „Wir sind jetzt ein richtiges Team“

Zinnbauer: „Ich habe dem HSV alles zu verdanken“

Bild.

„Wird Ekdal der erste Schweden-Treffer“

Den Vogel aber schießt in schöner Regelmäßigkeit das Hamburger Abendblatt ab.

„Peter Knäbel fühlt sich in Hamburg wie bei Big Brother“

[…] Bewertet man die Arbeit eines Fußballmanagers nach einem Jahr, schaut man sich für gewöhnlich dessen Transferbilanz an. Wer wurde verkauft? Wer wurde gekauft? Und natürlich darf man auch das liebe Geld nicht vergessen. Unter Knäbel wurden in der Winter- und Sommertransferzeit zehn Spieler für rund 18 Millionen Euro geholt, 16 Profis verließen den Club für knapp zwölf Millionen Euro. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Die offensichtliche, die einfache. Die andere Seite der Medaille bleibt verdeckt.

[…] Nur dieses: Knäbel hat sich geändert. Der 48-Jährige ist nachdenklicher geworden. Vorsichtiger. Und zurückhaltender. Wochenlang war er die arme Sau, die durch das Bundesliga- und Mediendorf getrieben wurde. Dabei soll längst feststehen, dass er tatsächlich beklaut wurde. Nur interessiert hat das eigentlich kaum jemanden. Deswegen lässt er lieber andere reden. Die „ehrliche Finderin“ zum Beispiel. Erst in der „Bild“, nun in der „Sport Bild“.

[…] Geht er in ein Restaurant, setzt er sich nur noch dorthin, wo er entweder nicht gesehen werden kann, oder wo er alle anderen sieht. Es falle ihm schwer, Menschen zu vertrauen. Einerseits. Doch anderseits wisse er nun, auf wen er sich verlassen könne. Er habe seine Konsequenzen gezogen. Er geht kaum aus, bleibt lieber zu Hause, oder er macht das, was er ohnehin am liebsten macht: Fußball schauen. Er fühle sich in der Öffentlichkeit beobachtet, spricht von Big Brother, immer und überall.

Peter Knäbel: „Die Angst, ins Stadion zu gehen, ist weg“

[…]  Der 48-Jährige hat deutliche Veränderungen zur Vorsaison ausgemacht. „Ich kann sagen, dass wir wieder da sind. Die Angst, ins Stadion zu gehen, ist bei Spielern, Fans und Mitarbeitern unseres Vereins weg.“

[…] Die personelle Zusammensetzung der Mannschaft stimme, sagte Knäbel. Als Beispiel nannte er, dass „die Jungs gern mehr Zeit miteinander verbringen, sich länger im Aufenthaltsraum aufhalten“.

Spiel um Platz 3: Die neue Lust am Hamburger SV 

[..] Heute, vier Monate nach dem letzten Spiel gegen Schalke, ist Müller froh. 1300 Euro hat der Wellingsbütteler für zwei Karten für sich und seinen Sohn vor der Saison investiert. Westtribüne, Block A, vierte Reihe. Und er bereut keinen Cent. „Der HSV macht endlich wieder richtig Spaß“, sagt Müller.

[…] „Seit 30 Jahren bin ich großer HSV-Fan“, sagt Gahde. Seit 15 Jahren hat er eine Dauerkarte. Und seit einigen Wochen ist er ohne Wenn und Aber zufrieden.

[…] „Marcelo Díaz‘ Schuss ins Glück hat für vieles entschädigt“, sagt Gahde, der natürlich auch im Wildpark live dabei war. „Es war der Abschluss einer bitteren Saison. Aber auch irgendwie der Startschuss für etwas Neues, etwas Gutes, etwas Besseres.“

[…] Der Eimsbüttler, der schon seit Jahren hobbymäßig einen Onlineshop für T-Shirts (www.Freshopp.de) betreibt, kreierte ein Díaz-Shirt, das unter HSV-Fans schnell zum Verkaufsschlager wurde. 23,99 Euro kostet das Shirt, das den Freistoß des Chilenen zeigt. Mehr als 300 Díaz-Shirts hat Würth bereits verkauft. Und sogar in der Kabine sind seine Ideen der Renner. Johan Djourou hat sich ein T-Shirt mit seinen Initialien und seiner Rückennummer (#JD5) besorgt, auch Ingolstadt-Goldschütze Michael Gregoritsch (#MG23) hat eins. „Man merkt total, dass der HSV wieder in ist“, sagt Würth, der mittlerweile rund 20 verschiedene HSV-Shirts im Angebot hat. „Man spürt, dass ganz Hamburg wieder richtig Lust auf den HSV hat.“

[…] Die neue Lust am HSV zahlt sich aus: Hauptsponsor Emirates will verlängern, es gibt einen Rekord an neu verkauften Hospitality-Plätzen, auch das Merchandising brummt wie schon lange nicht. Die Partie gegen Schalke, das Duell des Sechsten gegen den Dritten, wurde von der DFL zum Topspiel des Wochenendes bestimmt. Bis zu 187 Länder übertragen die Partie live.

[…] Noch 4000 Karten sind zu haben

So kommen Sie hin:
Weil Parkplatz braun noch durch Flüchtlinge belegt ist, empfiehlt der HSV die Anreise mit dem HVV.
Hier können Sie noch Karten kaufen: An den Tageskassen ab 16.30 Uhr, im Internet (www.hsv.de) oder am Telefon: 040 / 41551887.

Besonders der letzte Teil dieses Artikels hat mich einigermaßen sprachlos gemacht. Wann hat eigentlich einen unabhängige Zeitung damit begonnen, innerhalb eines Artikels Werbung für einen Verein zu machen, indem man Telefonnummern und Web-Adresse veröffentlicht? Wann erwähnt man beim Abendblatt endlich, dass der neue HSV-Toaster im Fan-Shop erhältlich und dass die HSV-Armbanduhr jetzt für € 10 unter Normalpreis zu kaufen ist?

Ach halt, hier ist es ja.

„Dominator Diaz ist der neue Denker und Lenker im HSV-Spiel“

[…] Über mangelnde Kreativität im Fanartikelbereich kann sich wirklich kein Anhänger beschweren. Der HSV bietet Duschvorhänge mit der Raute, Zahnbürsten, Eierbecher und Salzstangen. Doch ein echter Renner ist und bleibt: das Díaz-Trikot mit der Rückennummer 21.

Um es klar zu stellen – es geht nicht darum, das Haar in der Suppe zu finden und der Umstand, dass sich viele HSV-Fans an Artikeln wie diesen mehr erfreuen als an Berichten über Lizenzentzug oder Maulwurfsuche ist mir auch klar. Aber eine derart künstlich schöngefärbte Berichterstattung ist ungesund, zumal beim HSV wahrlich nicht alles in Butter ist, ganz im Gegenteil.

Was ist aus dem Rucksack geworden? Was ist mit „Frau D.“? Wird der Emirates-Vertrag jetzt verlängert (wie von Gernandt vor knapp einem Jahr schon angekündigt) oder nicht? Und vor allem: Wenn ich denn einen Verantwortlichen des Vereins schon mal vor der Flinte habe, sollte ich als Journalist auch in der Lage sein, ihm einmal eine kritische Frage zu stellen. Ansonsten kann ich die Interviews bei HSV.de abschreiben, wie es in SchmocksEinöde täglich passiert.

Denn an der Stelle (wobei man dieses Machwerk kaum als Journalismus bezeichnen kann), treibt die Hofberichterstattung die schönsten Blüten. Nicht nur, dass der Hauptautor Münchhausen dort beharrlich jedes aktuelle Thema (Rucksack, Knäbel, Sponsoren, AR-Vorsitzender, der die Versammlung schwänzt etc.) ausblendet und meint, dies wäre kein Thema, es werden auch serbische Brüder (Rajkovic) via Wikipedia zusammengebracht, die sich gar nicht kennen und nicht verwandt sind und es werden Spieler zum HSV transferiert, die jetzt in Rom spielen. Aber ok. 🙂

[…] Der Ex-Nationalspieler ist für mich einer der fachlich kompetentesten Fußballexperten in diesem Land. Und er gilt als guter Spielerberater, wovon Ostrzolek ein Lied singen kann

[…] Kai Schiller ist ein sehr guter Schreiber. Er hat heute eine sehr schön aufgeschriebene Diaz-Geschichte im Abendblatt veröffentlicht. Und das, ohne es mit mir ab gesprochen zu haben…

[…] Es gibt sie leider, diese Menschen, die nach Spielen wie gestern sagen: „Vielleicht war das ja ganz gut so. So hebt niemand ab.“ Und ich kann denen nichts antworten – ich kann da einfach nur noch mit dem Kopf schütteln.

Köstlich 🙂 „de Vrij“ entscheidet, was man denken darf. „de Vrij“ findet, dass der Chefreporter des Abendblatts eine Geschichte „schön aufgeschrieben“ hat.

Es kann sogar Spaß machen, den Schrott zu lesen. Wenn man denn in der Lage ist, den Humor nicht zu verlieren.

Weitere Details zu der Aktion findet ihr „oben“ zwischen „Über uns“ und „Kontakt. Unter „Spenden“. Auf geht’s. 

Ach ja. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Herr Direktor

peter-knaebel