Nein, eine echte Trainer-Diskussion wäre zu diesem Zeitpunkt wirklich fehl am Platz. Der Trainer, dem man für den Rest seiner Karriere hoch anrechnen muss, dass er mit einem verurteilten Todeskandidaten doch noch in letzter Sekunde den Super-Gau verhindert konnte, macht das, was er machen kann. Labbadia hat beim HSV einen Punkteschnitt von 1,41 (bei seiner ersten Tätigkeit als HSV-Trainer waren es 1,63) und er versucht wirklich, mit Akribie das Bestmögliche aus einem immer noch schlecht zusammengestellten Kader herauszuholen. 1,41 mal 34 würde am Ende der Saison tatsächlich für knapp 48 Punkte reichen, in der Saison 2014/15 wurde man damit immerhin 6. (FC Schalke).

Dennoch liegt in dem Umstand, dass sich sämtliche „Würdenträger“ aus den unterschiedlichsten (Rucksack)-Gründen aus der öffentlichen Kommunikation weitestgehend zurückgezogen haben, eine gewisse Gefahr für den emsigen Bruno. Er allein „verkauft“ den Hamburger Sportverein nach außen, er muss sein Gesicht im Grunde jeden Tag in die Kameras halten und zu jedem Mumpitz Stellung beziehen. Wenn man nun weiß, dass Labbadias Sprachschatz (was Fußball betrifft) durchaus als überschaubar anzusehen ist und man davon ausgehen muss, dass er auch mit seiner Mannschaft über „große Gomblimente“, „Abnutzungskämpfe“, „hohe Bereitschaften“ und „Augenhöhen“ spricht, kann man sich denken, dass die Möglichkeit, neue Reizpunkte zu setzen, begrenzt ist.

Eigentlich kennt das doch jeder von sich selbst. Man hat einen Chef oder Kollegen oder Partner oder was auch immer, der eigentlich ganz ok ist, der aber ständig und bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit den gleichen Floskeln arbeitet. Irgendwann ist man an einem Punkt angekommen, an dem man bereits den Spruch erahnt, bevor er formuliert wurde. Wenn man sich nun jeden verdammten Tag sieht und jeden Tag die gleichen Ansprachen in der gleichen Tonalität erhält, muss man aufpassen. Der Schlüssel zu gesteigerter Aufmerksamkeit ist es, ständig neue verbale Ausrufungszeichen zu setzen.

Hinzu kommt, dass Labbadia aufpassen muss, dass er nicht langsam aber sicher seinem eigenen Leistungsprinzip untreu wird, denn das, was dort Spieler wie Diekmeier, Lasogga, Djourou, auch Spahic, ganz sicher Müller und besonders Ostrzollek abliefern, das müssen Spieler, die auf Bank oder Tribüne sitzen auch können, andernfalls gehören sie nicht in den Kader einer Bundesliga-Mannschaft. Bruno aber hält diesen Spielern die Stange und man muss darüber nachdenken, ob Spieler wie Rudnevs, Stieber, Cleber etc. es tatsächlich nicht besser können oder ob es andere Gründe dafür gibt, dass diese Spieler so überhaupt keine Chance mehr erhalten, obwohl die Leistungskurve des HSV sich Richtung Süden bewegt.

Die Frage wird sein, ob Labbadia mehr kann als nur Retter, ob er entwickeln kann. Schwer machen es ihm sicherlich die äußeren Umstände und eine Vereinsführung, die immer nur dann aus dem Versteck kommt, wenn es etwas zu feiern gibt. Eigentlich sollte man nach mittlerweile 17 Spielen unter BL so etwas wie eine Veränderung bzw. Weiterentwicklung sehen können, im Moment fällt es mir schwer. Wenn man ehrlich ist, kann man rein spielerisch keine signifikanten Verbesserungen gegenüber der Vorsaison erkennen, sollte man aber eigentlich können.

Dabei muss man feststellen, dass es der HSV durch die „Verhaltensweisen“ der letzten 4 Jahre geschafft hat, einen Großteil seiner Wettbewerbsfähigkeit zu verspielen. Was in den traurigen „Jarchow-Jahren“ („wir müssen jetzt sparen“) seinen Anfang nahm, setzten Beiersdorfer und seine Exzellenzen („wir können es einfach nicht besser“) gnadenlos fort. Der HSV 2015 hat, so traurig es auch klingen mag, keinen außergewöhnlichen Spieler mehr in seinen Reihen, sondern er hat nur noch Spieler, die außergewöhnlich verdienen (Holtby, Lasogga, Müller, Djourou, Adler etc.) Konnte man in den Jahren zuvor noch Spieler wie Son oder Calhanoglu in der Arena bewundern, die in mehr als einem Spiel den Unterschied machen konnten, regiert heute die überbezahlte Einheitssuppe.

Diese Mannschaft kann sich erneut vor dem Abstieg retten, aber eben nur dann, wenn ein Großteil der Mannschaft an jedem Spieltag an seine Leistungsgrenze geht. Tun dies einige Spieler nicht (wie eben in Berlin), gibt’s eine Klatsche an der Nächsten.

Fazit: Wenn Labbadia das Projekt Veränderung/Verbesserung beim HSV weiterhin als Cheftrainer vorantreiben soll, braucht er mehr Unterstützung. Frage ist nur, von wem? Profifußball Direktor Knäbel ist selbst noch vom #Rucksackgate angeschossen genug und redet bei seinen gelegentlichen Interview-Versuchen zumeist unverständlichen Mumpitz. Vorstandsvorsitzender Beiersdorfer ist ohnehin kein Meister des geschliffenen Wortes und ist froh, wenn man ihn in Ruhe lässt. Latschen-Peters? Wohl eher nicht, oder? Also wird Bruno es wohl oder übel allein richten müssen, immer in der Gewissheit, dass diejenigen, die ihn in dieser Phase allein lassen, die Ersten sein werden, die ihn vor die Tür setzen werden.

P.S. Heute morgen las ich einen Satz in Schmocks Einöde, den ich dem eigentlich halbwegs geschätzten Lars Pegelow nicht zugetraut hätte.

„Und das wäre auch nicht korrekt gewesen, denn genau genommen war dieses 0:3 das erste schlechte Spiel des HSV seit dem Saisonstart bei den Bayern. Und das 0:5 muss man sowieso eigentlich rauslassen. Nach dem ersten Spieltag haben in München sowohl der deutsche Pokalsieger VfL Wolfsburg als auch Champions-League-Gegner Dinamo Zagreb *und jetzt auch Dortmund* eine Handvoll bekommen in der Allianz Arena. In dieser Liste sieht der HSV schon nicht mehr so schlecht aus, wie es am 14. August noch schien.“

Es sind exakt diese Aussage von Pseudo-Experten, die sowohl Fans wie auch Spielern seit Jahren Sand in die Augen streuen.

„Wieso? Bisher haben wir doch eigentlich ganz gut gespielt und in München gehen auch andere Teams unter“. 

Nein, habt ihr eben nicht. Ihr habt weder gegen Stuttgart, noch gegen Frankfurt und auch nicht gegen Schalke und Ingolstadt gut gespielt und es gelingt Vereinen wie Hoffenheim (derzeit Tabellen-15.) und Augsburg (Tabellen-16.) nur unglücklich 1:2 gegen die Bayern zu verlieren. Aber diese verwirrte Sichtweise („guckt doch, die anderen sind doch auch nicht besser, also ist doch alles ok“) ist eine krankhafte Augenwischerei und sie steht am Ende einer nachhaltigen Weiterentwicklung maßgeblich im Wege. Wenn ich mich leistungsmäßig immer nur nach unten orientiere, werde ich nie besser. Trainer wie Guardiola, Tuchel, Klopp etc. oder auch ein Matthias Sammer würden sich niemals mit der Erklärung zufriedengeben, dass andere ja auch versagt haben. Das sind Gedankengänge von Versagern.

Weitere Details zu der Aktion findet ihr „oben“ zwischen „Über uns“ und „Kontakt. Unter „Spenden“. Auf geht’s.