Verändern wollten sie, weil etwas verändert werden musste. Verbessern, für eine bessere Zukunft. Gefrustet und zutiefst enttäuscht von dem, was ihr Verein in den letzten Jahren gezeigt hatte, traf sich eine Reihe von Mitgliedern mit dem Ziel, etwas zu versuchen, was in dieser Form noch keiner wirklich versucht hatte, zumindest nicht in dieser Konsequenz.

Und so startete 2013 etwas, was es so im deutschen Fußball wohl noch nie gegeben hatte – die Mitglieder begannen eine Revolution gegen sich selbst. Unglaubliche 75,1% der Stimmen während einer Mitgliederversammlung im Mai 2015 mussten erreicht werden und es gab reichlich Mitglieder, die dies verhindern wollten. Alte Apparatschiks, sogenannte Supporters, tränenerstickte Falken, die das, was man liebt, nicht verkaufen wollten, heute aber genau das tun.

Kurzum, eine Herkules-Aufgabe. Maßgeblich beteiligt an dieser unblutigen Revolution waren einige bekannte Persönlichkeiten, die in ihrer Bedeutung für die Mitglieder-Initiative HSVPLUS jedoch unterschiedlich zu gewichten sind.

Da war zuerst das Gesicht der Kampagne, der Begründer von HSVPLUS. Ernst-Otto Rieckhoff hat zwar nicht viel mehr getan, als die bereits vorhandenen Ausgliederungs-Ideen von Bernd Hoffmann anders zu formulieren, aber er war das perfekte Testimonial. Der geläuterte Sünder, vom Täter zum Opfer. Wer ist wohl glaubwürdiger als einer, der sein Tun bereut und genau das Gegenteil dessen, was er selbst mit zu verantworten hatte, bewirken möchte.

Da waren die „83er“. Holger Hieronymus, Thomas von Heesen, Dietmar Jacobs, Horst Hrubesch und Peter Nogly. Sie gaben der Bewegung Schwung, sie nahmen die Fans mit, die von einer Auferstehung des Vereins träumten.

Da waren zahlreiche Mitglieder, einige gaben der Initiative ein Gesicht, sie waren „welche von uns“. Ganz normale Fans, die einfach nur das Richtige tun wollten.

Da waren die Unsichtbaren, aber unverzichtbaren Macher im Hintergrund. Diejenigen, die die Facebook-Seite, die Homepage, den Twitter-Account betrieben und pflegten. Die Texte schrieben und 24 Stunden am Tag Fragen beantworteten. Sie wollten und wollen nicht namentlich genannt werden, aber ohne sie wäre NICHTS passiert.

Und da war Stephan Rebbe, der Kopf der Initiative. Der Mitbegründer und damalige Geschäftsführer einer der erfolgreichsten und kreativesten Werbeagenturen Deutschlands verantwortete die Kommunikation von HSVPLUS, sozusagen den Schlüssel. Rebbe verstand, wie man eine solche Idee kommunikativ übersetzen muss und er verstand noch etwas anderes. Er verstand, dass es nicht die bekannten (Print)-Medien seien, die man „ins Boot“ holen müsse. Vielmehr sind es heutzutage die Blogs und Kolumnen, die die Meinung machen bzw. die die Meinungsmacher erreichen. Es sind die unabhängigen, glaubwürdigen, kritischen Schreiber, die an keinen großen Verlag angehängt sind und dessen „Vereinspolitik“ mittragen müssen. Die Meinungsmacher haben das verstanden.

Um es einfach zu formulieren: Hätte die „Gegenseite“ Rebbe im Boot gehabt (was natürlich aufgrund der Auffassung nicht möglich gewesen wäre), hätte HSVPLUS keine Chance gehabt.

Heute haben sich in der wöchentlichen Kolumne von Daniel Jovanov auf goal.com zwei der „Macher“ von HSVPLUS  zu Wort gemeldet und ihre Bilanz 17 Monate nach der Revolution fällt erschütternd aus:

„Alles, was ich dazu sagen wollte, habe ich auf der letzten Mitgliederversammlung im Sommer getan. Meiner Kritik konnte oder wollte bisher auch niemand widersprechen“, sagte Rieckhoff.  Die Führung des Vereins war „not amused“ über die aus meiner Sicht völlig berechtigte Kritik, obwohl ihnen die Rede schon eine Woche vor der Versammlung vorlag. An einem Gespräch darüber zeigte allerdings niemand Interesse.

Deutlicher wird Stephan Rebbe:

Sein Verhältnis zum Verein beschreibt er so: „Als Fan antworte ich: klar positiv. Tendenz steigend, trotz des Auftritts in Berlin. Als ehemaliger HSVPlus-Mitgestalter antworte ich: welches Verhältnis? Auf mich ist keine der neuen Führungsfiguren zugegangen. Es gab und gibt zu keinem Zeitpunkt Bemühungen, mich in irgendwelche Prozesse, die wir mit HSVPlus überhaupt erst ermöglicht haben, einzubinden. Das ist ein klares Signal, was die neuen Verantwortlichen vom Wahlauftrag der HSVPlus-Initiative halten. Falls die neuen Verantwortlichen überhaupt so weit gedacht haben.“

Vorstandsboss Dietmar Beiersdorfer hatte auf der besagten Mitgliederversammlung davon gesprochen, dass die Ideen der Initiatoren zwar gut gemeint wären, in der Praxis aber nur schwer umzusetzen seien. Ob Rebbe das Gefühl hat, dass sich zumindest zum Teil am Plan der Initiative gehalten wird? Rebbe:

Welcher Plan?Da sich keiner der Verantwortlichen ernsthaft um eine Zusammenarbeit mit den HSVPlus-Initiatoren bemüht hat, kann man nicht von einer Umsetzung unserer Ziele sprechen. Den angeschobenen Leitbildprozess halte ich für absurd und für unprofessionelle Geldvernichtung. Die erfolgreicheren Bundesliga-Vereine haben alle eine stärkere Führung und bessere Kommunikationsabteilungen als der HSV. Wir stehen mit der Qualität unseres Führungspersonals dort, wo wir am Ende der Saison in der Tabelle stehen werden.“

„HSVPlus ist tot“, sagt ein weiterer Mitstreiter der Initiative, der nicht namentlich genannt werden möchte. Nur kurze Zeit nach der Wahl wurde die Kommunikation vollständig eingestellt. Für einige ein Schlag ins Gesicht. Glühten die Drähte während des „Wahlkampfes“ noch ziemlich heiß, gab es auf Anrufe und E-Mails plötzlich keine Antwort mehr. „Man hätte zumindest Dankbarkeit und Anerkennung erwarten dürfen. Die gab es aber nicht.“ Von einer großen, geeinten Familie hat sich der HSV dadurch noch weiter entfernt. Auch Vereinslegenden wie Horst Hrubesch, Ditmar Jakobs oder Holger Hieronymus, die die Initiative quasi als „Testimonials“ unterstützten, haben so gut wie keinen Draht mehr zu ihrem Klub.

Bedenklich ist das nicht mehr, es ist bedrohlich. Im Verlauf des Textes wirft Jovanov weitere Fragen auf, beispielsweise bzgl. der Strukturveränderung, der Rolle von Bernhard Peters und und und.

http://www.goal.com/de/news/1025/kolumne/2015/10/06/16057762/jovanovs-hsv-vom-kurs-abgekommen?ICID=HP_BN_1