Das Phänomen ist so alt wie die Bibel und es wird sich wohl in den nächsten 1.000 Jahren auch nicht ändern: Wenn der HSV gewinnt, ist plötzlich alles rosa, was am Tag zuvor noch grau war. Alle Sorgen sind verschwunden, der Weg führt direkt nach Europa. Verliert der HSV, geht’s halt andersrum. Alles Scheisse, deine Ellie. Der Abstieg ist quasi besiegelt, Hunde und Katzen leben miteinander.

Erstaunlich ist dabei lediglich, dass die sogenannten Fans dabei genau so verfahren, wie sie es den Medien so gern vorwerfen, grösstenteils zu recht. Natürlich hilft ein Sieg, aber besonders in Hamburg sollte man eigentlich gelernt haben, dass vereinzelte Schwalben nicht für komplette Jahreszeiten verantwortlich sind.

Dabei kann ich die Sehnsucht nach Normalität und Durchschnitt durchaus verstehen, sie darf jedoch nicht den Blick darauf verschleiern, was tatsächlich passiert. Ein 1:0 in Hoffenheim gegen einen größtenteils zumindest offensiv desolaten Gegner ist ebenso wenig eine Auferstehung wie ein 3:0 (aus 4 Torchancen) gegen am Boden liegende Gladbacher. Der HSV hatte diese Gegner (wie bereits beschrieben) zum exakt richtigen Zeitpunkt bekommen und die Devise kann nur lauten: Arbeiten, arbeiten, arbeiten.

Arbeiten am immer noch statischen Offensivspiel.

Arbeiten an der unterdurchschnittlichen Außenverteidigern.

Arbeiten an der Chancenverwertung.

Arbeiten an den peinlichen Standards.

Vor allem aber arbeiten an der eigenen Darstellung und Selbsteinschätzung, denn nach meinem Gefühl ist der Einzige, der die Situation und den Entwicklungsstand korrekt einschätzt, der Trainer. Obwohl auch auch beim ihm einige Entscheidungen nicht nachvollziehen kann. Da ist das sklavische Festhalten an den Spielern Ilicevic und Ostrzolek, welches mit Leistungsentwicklung nicht viel zu tun haben kann. Da ist der Umstand, dass er einen Pierre-Michel-Lasogga immer und immer wieder in der Startaufstellung bringt.

Apropos Lasogga. Ich frage mich, was wohl in diesem Kopf falsch gelaufen sein mag, wenn er nach jedem Abstaubertreffer wie ein geistig Umnachteter in die Fankurve toben und irgendwelche Schweige-Gesten zum Besten geben muss. Möchte er das wirklich nach jedem seiner 7 Tore im Verlauf dieser Saison machen? Oder findet er, dass man es nicht erwähnen darf, wenn ein Spieler, der den HSV in 5 Jahren mehr als € 25 Mio. kosten wird, in der letzten Saison in 26 Spielen 4 mal und in dieser Saison in 3 Spielen (bei 10 Einsätzen) getroffen hat? Vielleicht sollte der bescheidende Herr Lasogga einmal bei sich selbst anfangen, anstatt die Fehler grundsätzlich bei anderen zu suchen.

Nochmal: Nach einem Sieg ist nicht plötzlich alles gut und nach einer Niederlage ist nicht plötzlich alles schlecht, was vorher gut war. So aber funktionieren offenbar große Teile der Patientenschaft und es ist ebenso gaga wie gewohnt. Es darf genauere Beobachter jedoch nicht davon abhalten, immer und immer wieder auf die durchaus vorhandenen Mißstände aufmerksam zu machen.

Nur. weil der HSV in Hoffenheim gewonnen hat, ist die Transferpolitik jetzt plötzlich keine Katastrophe mehr.

Nur, weil der HSV in Hoffenheim gewonnen hat, ist Herr Beiersdorfer jetzt plötzlich der ideale Vorstandsvorsitzende, Herr Peters der Nachwuchsgott und Herr Knäbel ist in der gesamten Fußballwelt vernetzwerkt.

Nur, weil der HSV in Hoffenheim gewonnen hat, wird die Bilanz, die dieser Tage erwartet wird, plötzlich kein erneutes Millionen-Minus ausweisen.

Der HSV ist nach wie vor ein Pflegefall und seine handelnden Personen sind mit seiner Therapie hoffnungslos überfordert.