Liebe Leser,

ich beginne den heutigen Blog einmal mit einer blöden Frage, wobei es blöde Fragen eigentlich nicht gibt. Ich stelle sie trotzdem.

Wenn ich als neuer Chef eines Unternehmens beginne und weiß, dass dieses Unternehmen sowohl finanziell wie auch strukturell nicht besonders gut aufgestellt ist, womit fange ich dann schnellstmöglich an?

Ich nehme die Antwort einmal vorweg bzw. beantworte sie so, wie ich es gemacht hätte. Ich hätte so schnell wie möglich eine Bestandsaufnahme gemacht. Hätte geschaut, welche Mitarbeiter wie in den letzten Jahren performed haben, hätte daraus die notwendigen Schlüsse gezogen. Ich hätte versucht (bzw. ich hätte es einfach getan) so schnell wie möglich am Image des Unternehmens zu arbeiten, denn der Ruf einer Firma ist zumeist wichtiger als das Produkt selbst. Ich hätte mich mit Experten (notfalls auch aus anderen, vergleichbaren Unternehmen) zusammengesetzt und deren Rat eingeholt. Und vor allem hätte ich mich dem größten Problem zugewandt, den Finanzen. Das lustigste Unternehmen ist auf Dauer handlungsunfähig, wenn es seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann.

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Ich hätte als erstes geschaut, was ich im Jahr einnehme und ich wäre vom worst case ausgegangen, also dem schlecht-möglichstem Ergebnis. Für einen Bundesliga-Verein bedeutet dies:

Aus in der ersten Runde des DFB-Pokal.

Ständiger Aufenthalt auf oder in der Nähe der Abstiegsplätze

Auslastung des Stadions nur zu maximal 80%.

Keine weiteren Einnahmen durch neue Sponsoren etc. 

Der niedrig-möglichste Level der TV-Einnahmen. 

Wie will denn ein Verein, der in den letzten beiden Jahren jeweils mit Ach und Krach die Relegation überlebt hat, anders rechnen?

Dann habe ich Summe X. Diese Summe X muss meine Berechnungsgrundlage sein für das, was ich Summe Y nenne, nämlich das Geld, welches mir für die Saison sicher zur Verfügung steht. Alles andere, jegliche Kalkulation mit Eventuell-Einnahmen, ist nichts anderes als Glaskugel-Leserei und kann nur nach hinten losgehen.

Beim Hamburger Sportverein ist all das offenkundig nicht passiert, denn unter Herr Beiersdorfer und seinen Co-Exzellenzen ist auch in den letzten Jahren massiv über den Verhältnissen gelebt worden, wie die nächste Bilanz erneut ergeben wird. Der HSV wird wieder einmal ein massives Millionen-Minus verkünden müssen und das obwohl man seit nunmehr 1 1/2 Jahren von Konsolidierung, Umstrukturierung und vor allem von einem Verein als Sanierungsfall redete. Nur: Wenn ich einen Sanierungsfall vorfinde, dann muss ich auch sanieren und nicht mit dem nicht vorhandenen Geld weiterhin um mich werfen, als wären es Kamellen.

Mehr als € 56 Mio. ! Diese Summe hat Herr Beiersdorfer in den letzten beiden Jahren (2014: € 35,8 Mio., 2015: € 20, 65 Mio.) für neue Spieler ausgegeben und jetzt soll mir doch bitte niemand sagen, man hätte ja auch Transfer-Einnahmen generieren können. Diese Einnahmen waren für das blanke Überleben des Vereins, für die Deckung der laufenden Kosten, überlebens-notwendig, aber sie wurde in die sinnlosesten Transfers reinvestiert, die überhaupt nur möglich sind.

Behrami(30), Hunt(29), Schipplock(27), Diaz(28), Spahic(35), Olic(35), Lasogga, Holtby, Müller, Cleber, Ostrzolek, Stieber und und und. Nicht einer dieser Spieler ist bisher den Erwartungen gerecht geworden, viele stehen bereits wieder auf der Verkaufsliste. Jeder andere Sportchef/Vorstand mit einer solchen Bilanz wäre normalerweise bereits wieder Geschichte, aber da die Hamburger Geschichte von heftigen Personalwechseln in den Jahren geprägt war, bekommen Didi und Co. immer noch die nächste Galgenfrist.

€ 56 Mio. in zwei Jahren! Geht man so mit einem Sanierungsfall um? Signalisiert man nicht nur Fans, sondern auch möglichen zukünftigen Partnern, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat? Welche personellen Konsequenzen wurden aus den Katastrophenjahren davor gezogen?

Marketing. Hilke. Vertrag verlängert.

Kommunikation. Wolf. Ist immer noch da.

Anstatt zu sparen (wie man es bei einem Sanierungsfall eigentlich tun sollte), wird eingestellt. Sau-teure Direktoren, die bis heute den Nachweis ihrer Tauglichkeit schuldig blieben. Was genau hat eigentlich Herr Peters in den letzten 1 1/2 Jahren bewirkt? Neue Athletik-Trainer und Whats App-Gruppen. Die U23 steht kurz vor dem Abstieg, dafür hat man aber einige U-Trainer gefeuert. Ansonsten? Still ruht der See und Geduld.

Laut Bild hat man jetzt auch noch einen eigenen Juristen eingestellt. Nur weiter so.

Wie bereits gesagt, all das, was man bei einem Sanierungsfall hätte tun müssen, hat man nicht getan, im Gegenteil. Nun wird bekannt, dass das nächste Millionen-Minus verkündet wird und dass Wintertransfers nicht machbar sein werden. Übrigens auch deshalb nicht, weil man selbst die Spieler, die man eigentlich loswerden möchte, systematisch entwertet hat. Ich höre schon den Knäbelpeter, der im Januar nach dem Abgang der verschenkten Stieber und Rudnevs sagen wird: „Für diese Spieler gab es einfach keinen Markt“. Ne, wie auch?

Was also bleibt dem HSV, der nach wie vor nicht kostendeckend arbeitet, der aber dennoch neue Spieler verpflichten möchte/muss? Richtig, er muss sich Geld leihen. Wieder einmal. Von den Banken wird man nicht mehr viel bekommen also bleibt nur der Weg der Anteils-Veräußerung. Nur – wer soll denn Anteile dieses Vereins kaufen wollen? Wer möchte in ein Pleite-Objekt investieren, bei dem man nicht weiß, was mit dem Geld passiert? Oder man ahnt zumindest, dass es auch in Zukunft sinnlos verbrannt wird. Wer also sollte dort investieren wollen? In ein Projekt ohne Visionen, ohne Plan, ohne Zukunft?

Am Ende bleibt also doch nur wieder Kühne, aber auch hier wird es problematisch. Wenn der alte Herr aus der Schweiz weiß, dass er der Einzige ist (und das weiß er), dann ist er derjenigen, der den Preis bestimmt. Eine gute Verhandlungsposition hat in diesen Tagen nur einer und der heißt KlauMi. Und auch diese Möglichkeit ist begrenzt, denn irgendwann sind die Anteile weg, zur Not zum Schleuderpreis.

Was aber hätte man tun müssen, um den HSV für Partner, Investoren, Gönner etc. attraktiv zu machen? Nun, man hätte einen Plan aufzeigen müssen. Ähnlich, wie es Bernd Hoffmann vor Jahren machte („in X Jahren wollen wir unter den Top 20 in Europa sein“), muss man Ziele formulieren und den Weg dorthin vorleben. Beiersdorfer lebt allerdings nur einen sedierten Zauderschlumpf vor, einen Aussitzer ohne Idee. Ich kann niemanden für ein Projekt begeistern, wenn ich ihm in zögerlichen Worten mitteile, dass all das noch viele viele Jahre Zeit unf Geduld braucht und auch dann weiß man nicht, was dabei rauskommt.

Zauderschlump

Was bräuchte man noch? Man braucht Gesichter bzw. Namen. In der Werbung nennt man die Personen, die für ein Produkt stehen, Testimonials. Im Sport sind es Identifikations-Figuren. Der HSV hat nichts mehr davon. Er hat eine amorphe Truppe von austauschbaren Spielern, die kommen und gehen. Vor diesem Hintergrund war der Verkauf von Jonathan Tah nicht nur eine sportliche, sondern noch viel mehr eine wirtschaftliche Katastrophe, die sich im zweistelligen Millionenbereich manifestiert.

Mit dem Verkauf des gebürtigen Hamburgers Tah setzte man gleich mehrere Zeichen.

  1. Man ließ erkennen, dass man nicht in der Lage ist, den sportlichen Wert des Spielers richtig zu bewerten.
  2. Man verzichtete darauf, eine Identifikations-Figur, ein Gesicht, welches auf Jahre des Gesicht des Vereins hätte werden können, langfristig an sich zu binden.
  3. Man bewies, dass man absolut nichts von Aufbau einer Marke, von Image-Bildung, von dem Geschäft grundsätzlich versteht.

Und bitte, jetzt möge doch bitte niemand kommen und mir das Beiersdorfer-Märchen vom „Jona, der unbedingt weg wollte“ erzählen. Der Spieler wurde vom HSV unter Beiersdorfer systematisch vom Verein entfremdet, während sich andere Vereine (Leverkusen) um ihn bemühten. Anstatt den Jungen in Watte zu packen, zu umsorgen und mit einem Vertrag bis 2030 auszustatten, verlieh man ihn auf Geheiß eines Trainers, an den man bereits vor Saisonbeginn nicht mehr glaubte, in die Niederungen der 2. Liga. Und dann wundert man sich (nachdem man ihn seitens des HSV ein Jahr lang mit Nichtachtung strafte), dass er keinen Bock mehr auf diesen Verein hatte?

Jona

Aber: Beim HSV lernen sie es immer noch nicht. Sie stellen neue Pressesprecher ein, anstatt jemanden zu verpflichten, der sich um verliehene Spieler kümmert (Bayer Leverkusen hat so jemanden). Man holt sich einen Juristen ins Haus, obwohl man eine externe Kanzlei mit jedem Scheiß beauftragt, aber man holt keine Top-Jugendtrainer. Für jeden Dreck, für jede externe Agentur ist Geld da, für Nachwuchsspieler fehlt es.

Vor diesem Hintergrund wird auch in Zukunft niemand (zumindest kein Großunternehmen) außer Kühne Geld in diesen Verein investieren. Man wird weiterhin von der Hand in den Mund leben, man wird weiterhin flickschustern, man wird weiterhin am unteren Rand der Tabellen dümpeln. Aber so lange das Stadion immer noch gefüllt ist, scheint ja alles in Ordnung zu sein.

 

Weitere Details zu der Aktion findet ihr „oben“ zwischen „Über uns“ und „Kontakt. Unter „Spenden“. Auf geht’s.