Was für ein seltsames Wochenende. Klitschko verliert gegen einen britischen Clown seine Weltmeister-Gürtel, die Freezers verlieren, St. Pauli kassiert gegen den 1 FC Nürnberg eine 0:4-Heimpleite, die Patriots aus New England unterliegen nach 10 gewonnenen Spielen gegen Denver, der HSV gewinnt 2 Spiele in Folge und „die Hamburger“ stimmen gegen eine Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024.

Alles sehr seltsam. Und traurig. Wie bei zahlreichen anderen Anlässen möchte ich aus einem HSV-Fußballblog eigentlich keinen Polit-Blog machen, eben weil ich weiß, dass sich einige wirklich nicht unter Kontrolle haben, sobald es um (sport)-politische Themen geht und so möchte ich euch dringendlich auffordern, die Contenance zu bewahren, solltet ihr euch bemüssigt sehen, diesen Blog zu kommentieren. Andernfalls passiert das, was in solchen Fälle immer passiert, der Krakeeler fliegt.

Manchmal frage ich mich, was eigentlich aus uns geworden ist. Aus einem Land der Dichter, Denker, Erfinder und Pioniere ist ein Land der Bedenkenträger, der Zauderer, der „Aus-Prinzip-Nein-Sager“ geworden. Sicherlich hat die Hamburger Bewerbung unter den Ereignissen der letzten Monate massiv gelitten. FIFA-Skandal, DFB-Gate, Attentate in Paris, Bombendrohung in Hannover, Flüchtlings-Katastrophe und und und. All das hat unter Garantie viele davon abgehalten, am gestrigen Sonntag mit JA zu stimmen. Sicherheitsbedenken, Bedenken, was die Finanzierbarkeit betrifft oder einfach keinen Bock auf ein sportliches Großereignis. Das alles mögen Gründe gewesen sein und diese Gründe kann ich bis zu einem gewissen Grad akzeptieren.

Allerdings habe ich den Eindruck, dass bei vielen Nein-Stimmern diese Gründe lediglich vorgeschoben sind. Vielmehr macht der Zeitgeist die Runde, in einer Ära der Shitstorms macht es offenbar tierisch Spass, dagegen zu sein. Sei es nun Xavier Naidoo oder Olympia, gegenanrotzen ist in. Zum Glück liefert die Aktualität genügend (vorgeschobene) Gründe, diese Haltung zu begründen, ich glaube aber nicht daran. Vielmehr geht es darum, etwas kaputt zu machen. Wie viel leichter ist es, etwas mit seinem Worten oder seiner Stimme zu zerstören, was Andere aufbauen möchten. Und es geht eigentlich überhaupt nicht mehr um die Sache selbst, es geht um die Aktion. „Hast du auch dagegen gestimmt? Geil, oder?“ 

Wir, die nach außen verzweifelt bemüht sind, bei allen anderen beliebt zu sein, mögen uns irgendwie selbst nicht mehr. Die Gesellschaft teilt sich tagtäglich extremer auf, hier schwarz, da weiß. Ein Grau existiert nicht mehr, weil auch viele gar nicht willens bzw. in der Lage sind, sich mit den tatsächlichen Inhalten zu beschäftigen. Viele führen an, sie würden in Olympia ein erneutes Euro-Grab sehen, welches sie nicht mitfinanzieren wollen. Okay, alles gut und schön, aber haben sich diese Leute einmal mit dem Haushalt der Stadt Hamburg beschäftigt? Gehen sie auf die Straße, wenn Jahr für Jahr Milliarden für Mumpitz rausgehauen wird? Fragen sie, was eine Bankenrettung, eine Griechenlandhilfe oder das Flüchtlingsdrama einen jeden von ihnen kostet? Nein, tun sie nicht. Die Themen wären zu komplex und zumindest bei den letzten beiden Punkten darf man in diesen Tagen nichts sagen, wer möchte schon in der rechten Ecke stehen.

Wie willkommen ist da die Abstimmung über eine Bewerbung für Olympische Spiele. Hier kann man endlich einmal korrekt dagegen sein, ohne in Gefahr zu geraten, politisch inkorrekt zu handeln. Wenn ich sehe, wie die selbsternannten Olympia-Gegner ihren Triumph feiern, kommt es mir hoch. Nicht das Aufbauen wird gefeiert, der Abriss wird zelebriert. Und Hamburg, die Stadt Hamburg, hat aller Welt bewiesen, dass sie eben nicht das Tor zur Welt, sondern die Heimat von Verhinderern, Spiessern, Quertreibern ist. Chance verpasst.

Und jetzt? Wie geht es den Gewinnern von gestern heute? Überlegen sie, was sie als Nächstes verhindern und boykottieren können? Denken sie darüber nach, wo sie als Nächstes via Internet ihrem Zorn Luft machen können, dagegen an labern können, nur, um gegen an zu labern. Oder kommen sie jetzt mal wieder mit vollkommen abstrusen Vorschlägen, was mit dem vermeintlich eingesparten Geld angestellt werden soll.

Hamburg ist meine Heimatstadt, ebenso wie meine Ur-Großeltern, meine Großeltern, meine Eltern, mein Bruder und meine Tochter bin ich hier geboren, aber Hamburg wird jeden Tag ein Stück weniger zu „meiner Stadt“. Ich war einmal stolz auf Weltoffenheit, hanseatischer Kaufmannschaft, ich war stolz darauf, dass in Hamburg ein Wort und ein Handschlag noch etwas bedeutete. All das geht jeden Tag ein Stückchen mehr den Bach runter, Hamburg unterscheidet sich jeden Tag weniger von Berlin, München oder Düsseldorf. Das mag der Eine oder Andere anders sehen, ich sehe es so.

Hamburg hätte sich mit einer korrekten, nachhaltigen, ökologischen Bewerbung für die Olympischen Spiele neu aufstellen können, sich zur Weltstadt entwickeln können. Chance verpasst, Hamburg wird spiessige Provinz bleiben.

Und was mich an d. Generation „Nein“ am meisten stört: Sie haben nicht Positives zu bieten, nichts, wofür sie stehen, nur Ablehnung