Okay, wollen wir ehrlich sein, das Ende der Schonfrist ist schon ein wenig länger her, aber nach ca. 1 1/2 Jahren ist meine Geduld aufgebraucht. Eben diese Geduld ist es aber, die einige immer noch bei der Stange hält, obwohl sie eigentlich gar nicht mehr wissen, warum sie noch Geduld haben. Geduld haben, um Geduld zu haben also. Oder um sich selbst nicht eingestehen zu müssen, dass man falsch gelegen hat. Daniel Jovanov hat neulich in einer Kolumne davon geschrieben, dass bei vielen wohl das Gefühl vorherrscht, dass alles, was besser als permanenter Abstiegskampf ist, als Erfolg verbucht wird.

Die Frage ist nur: Wie lange wird das so bleiben? Und ist das angesichts von mehr als € 56 Mio. Transferausgaben in zwei Jahren und vor allem vor dem Hintergrund, dass sich dieser mittlerweile transfertechnisch handlungsunfähige Verein den teuersten Vorstand und das teuerste Direktorium in der Vereinsgeschichte leistet, wirklich eine Leistung? Irgendwann wirkt auch das dauerhafte Lamentieren über die nicht vorhandenen Strukturen (was im Übrigen Bullshit ist) und über die Fehler der Vorgänger nicht mehr. Wenn man auch nach 1 1/2 Jahren nichts Greifbares vorzuweisen hat, ist man „im normalen Leben“ gescheitert.

Das Jahresabschluss-Zeugnis:

Die Mannschaft: Note 3

Es stimmt, es entwickelt sich etwas. Das Spiel des HSV sieht nicht mehr ganz so zufällig, ungeordnet und harmlos aus wie noch in der letzten Saison. Es stimmt ebenfalls, dass einige Spieler in der Saison 2015/16 eher dem nahe kommen, weswegen man sie für unglaubliche Summen geholt hat. Jetzt allerdings beispielsweise einem Lewis Holtby bei jeder Gelegenheit Weltklasse attestieren zu wollen, ist an Lächerlichkeit nicht zu toppen. Besonders an dem Spieler möchte ich die Grundlage für die Benotung deutlich machen. Holtby kam ja nicht als Unbekannter zum HSV, er spielt zuvor bereits in Mainz und bei Schalke Bundesliga, bei Tottenham und Fulham Premier League. Wenn man also einen Ex-Nationalspieler für mehr als € 6,5 Mio. plus Leihsumme und einem Gehalt von € 4 Mio. pro Jahr verpflichtet, dann muss so ein Spieler in einem Verein wie dem HSV vom ersten Tag an funktionieren. Tut er das nicht (und er hat über 30 Spiele nicht funktioniert), hat man etwas falsch gemacht. Spieler, die diese finanziellen Rahmenbedingungen erfüllen und erst einmal ein Jahr Eingewöhnungszeit benötigen, können sich Vereine wie Bayern, Dortmund oder Wolfsburg leisten, der HSV kann das nicht. Heute spielt Holtby immer noch nicht so, dass man ihn für dieses Geld kaufen würde, aber er funktioniert innerhalb der Mannschaft besser. Das Gleiche gilt für Akteure wie Müller, Cleber, Djourou. Auch sie haben sich grundsätzlich stabilisiert, ohne jedoch dauerhaft stabil zu überzeugen.

Insgesamt macht die Mannschaft aus ihren Möglichkeiten einiges, aber noch längst nicht genug.

Der Trainer: Note 2

Die positivste Entwicklung hat in Hamburg der Mann gemacht, der nicht nur dafür gesorgt hat, dass die Mannschaft noch in der Bundesliga spielt, er hat auch dem Vorstand und den Direktoren die Posten gerettet. Bruno Labbadia ist mittlerweile zu dem mutiert, weshalb Thomas Tuchel nicht in Hamburg anfangen wollte, er ist die eierlegende Wollmilchsau, das Mädchen für alles. Training, Taktik, Öffentlichkeitsarbeit, Motivation, Presse. Am Ende weiht Bruno sogar den neuen Mannschaftsbus ein. Der Umstand, dass er bei diesem Pensum ausbrennen kann, ist ihm bewusst und teilweise sieht er auch dementsprechend aus. Aber der HSV war und ist für den Trainer Labbadia natürlich auch die Chance auf eine vollständige Rehabilitation und er hat sie genutzt. Es hat Gründe, warum der Vertrag mit dem Übungsleiter immer noch nicht verlängert wurde und es liegt garantiert nicht am Willen des Vereins. Wären da nicht die verpassten Wechsel und die eingeschränkte Fähigkeit, auf veränderte Spielsituationen taktisch zu reagieren, wäre Labbadia ein Einser-Kandidat gewesen.

Der Vorstand und das Direktorium, Note 5-

Im Grunde hindert mich nur ein einziger Aspekt an der Höchststrafe und das ist der Umstand, dass sich die Exzellenzen nicht auch noch gegenseitig öffentlich zufleischen. Man spricht eine Sprache und hält zumindest nach außen zusammen. Ansonsten passt dort nichts. Beiersdorfer hat nach 1 1/2 Jahren jegliche Qualifikation für den Posten eines Vorstandsvorsitzenden verpasst, Hilke ist ohnehin seit Jahren das größte Problem des Vereins. Man hat nicht eine Vorgabe der Initiative HSVPlus in die Tat umgesetzt, man hat Rucksäcke mit hochsensiblen Daten verloren, man hat nicht einen strategischen Partner an Land gezogen, man hat die letzten Geldmittel in veraltete Spieler wie Olic, Behrami, Hunt, Diaz, Spahic investiert und verbrannt, man hat nach 1 1/2 Jahren nicht einmal im Ansatz das benötigte Leitbild und ich könnte stundenlang weiterschreiben.

5- nur deshalb, weil es Herr Beiersdorfer aus purer Verzweiflung gelungen ist, den richtigen Trainer in der richtigen Situation zu verpflichten.

Der Aufsichtsrat, Note 6

„Es dringt nichts mehr nach draußen“. Dieser Satz ist wohl das am häufigsten genannte Kriterium, wenn es darum geht, den „Rat der Unsichtbaren“ zu verteidigen. Allerdings können sich nur Unwissende an diesem Zustand aufgeilen, weil sie immer noch glauben, dass sämtliche internen Informationen der Vergangenheit von einem Maulwurf aus den Reihen des ehemaligen Kontrollgremiums transportiert wurden. Dass dies absolut unzutreffend ist, werden sie aufgrund ihres beschränkten Horizontes nicht begreifen, aber das Leben ist nun mal wesentlich einfacher, wenn man einfach gestrickt ist. Ein Maulwurf für alle! Der aktuelle Rat ist im Grunde gar kein Rat, er ist nichts. Er existiert lediglich auf dem Papier, er besteht ohnehin nur aus dem Vorsitzenden Gernandt. Gernandt prescht vor, Gernandt gibt Ehrenerklärungen für Knäbel ab, Gernandt labert über Tuchel. Dies alles ohne Rücksprache und Genehmigung mit seinem Amtskollegen, Karl der Sonnenkönig halt. Erfolge des Aufsichtsrats? Null. Niente. Nichts. Waren Herren wie Bönte, Becken, Goedhart und auch Gernandt selbst mit den Vorschusslorbeeren ihrer „Netzwerke“ angetreten, so entpuppen sich diese Netzwerke offensichtlich wirkungsloser als Ibiza Olic im 16er. 1 1/2 Jahre – nicht ein strategischer Partner. 1 1/2 Jahre und ein Bilanzminus von € 16,9 Mio. Was genau haben die Kontrolleure da eigentlich kontrolliert? Warum hat man bei Beiersdorfers Transfer-Amoklauf nicht irgendwann einmal die Reißleine gezogen? War es nicht so ungeheuer notwenig, „sportliche Kompetenz“ in den „Rat der Unsichtbaren“ zu transportieren? Wo war denn Herr Nogly, als man die alten Herren aus Wolfsburg an Land zog? Ein Taucher, der nicht taucht, taugt nichts und ein Kontrollgremium, das nicht kontrolliert ist flüssiger als flüssig. Überflüssig.

Die Hamburger Sportmedien, Note 6

Wenn schon der Aufsichtsrat nicht in der Lage ist, Dinge, die offensichtlich auf dem Tisch und im Argen liegen, zu erwähnen, müssten es doch eigentlich die selbsternannten Insider sein. Mitnichten. Die Hamburger Sportpresse ist mittlerweile eine Horde von zahnlosen und bequemen Bettvorlegern geworden, denen außer der täglich Kopie von HSV.de nichts mehr einfällt. Man ist mehr mit dem Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes beschäftigt als damit, die offenkundige Wahrheit zu schreiben. Alles supi-endgeil im Volkspark. Jeder Scheißdreck wird bejubelt, jeder fehlerfreie Satz des großen Vorsitzenden abgefeiert. Man sieht Entwicklungen, die nicht vorhanden und überragende Leistungen, die nicht existent sind. Warum? Weil man faul wie die Sünde ist. Lieber ein laues Leben führen und ein paar durchgesteckte Informationen abgreifen als das zu tun, wofür man eigentlich bezahlt wird. Aufdeckung von Mißständen, Erklärung von Vorgängen, kritischer Blick. Das alles ist in Hamburg nicht mehr existent und zwar flächendeckend. Ob man nun BILD, Mopo oder Abendblatt aufschlägt, es steht überall der gleiche Hofbericht drin. Über den Kicker, zu früheren Zeiten noch sowas wie die Bibel des deutschen Fußballs möchte ich gar nicht erst reden, weil ich dann über Herrn Sebastian Wolf reden müsste, eine der größten Flachzangen überhaupt. Keine Ahnung, aus welchen Beweggründen diese Herren irgendwann einmal den Beruf des Journalisten erlernt haben, die Wahrheit zu schreiben kann es jedenfalls nicht sein. Die Wahrheit kommt bei diesen Vögeln erst dann auf den Tisch, wenn der zu Schlachtende nicht mehr im Amt ist, ich nenne das Feigheit. Ausnahmen sind nur noch goal.com und Britta Kehrhahn vom NDR, den Rest kann man in der Pfeife rauchen.

Die Finanzen, Note 7

Eines hat Herr Beiersdorfer in den letzten 1 1/2 Jahren eindrucksvoll bewiesen: Mit Geld kann er nicht umgehen, jedenfalls nicht mit dem Geld anderer Leute. Eigentlich wäre es angebracht und Aufgabe der Hamburger Medien, ein für allemal mit der Mär aufzuräumen, dass man beim HSV grundsätzlich immer nur die Fehler der Vorgänger auszubügeln und wieder und wieder und wieder Aufbauarbeit und den Umbruch 3.0 einzuleiten hätte, denn es stimmt einfach nicht. Hätte Beiersdorfer nach dem Motto „Ich kann nur das Geld ausgeben, welches ich auch zur Verfügung habe“ verfahren hätte, hätte man heute kein Bilanzminus von € 16,9 Mio. zu erklären, aber Verbrennungs-Didi verfährt wie ein Scheich im Juweliergeschäft, dessen Ölquelle bereits versiegt ist. Wenn ich weiß, dass mein Kader zu teuer ist und ich regelmäßig Saison für Saison ein zweistelliges Millionenminus erwirtschaften werde, muss ich handeln. Sofort handeln. Dann kann ich mir weder selbst ein Gehalt gönnen, welches Champions League-Niveau hat (das erste Angebot für Beiersdorfer lag bei € 600.000 und es wurde mehrfach nachgebessert), dann kann ich auch keine Direktoren für Vorstandsgehälter einstellen, dann kann ich nicht für jeden Scheißdreck externe Dienstleister beauftragen, dann kann ich mir Spieler wie Behrami, Olic, Lasogga, Müller, Holtby, Spahic, Diaz, Hunt etc. einfach nicht leisten. All diese Spieler hat Beiersdorfer geholt und nicht Hoffmann oder Jarchow.  Der HSV unter Beiersdorfer leistet sich Begleitumstände, die man sich kaum als regelmäßíger Teilnehmer am internationalen Wettbewerb leisten kann, aber plötzlich labert man davon, dass man auf dem Transfermarkt nicht handlungsfähig ist. Diese Situation hat allein Beiersdorfer zu verantworten und sonst niemand und in jedem anderen Unternehmen wären sowohl er wie auch sein Ober-Kontrolleur Gernandt längst Geschichte.

„Unser Ziel ist es, das Verhältnis von Gehältern zu Erfolgen in Einklang zu bringen. In dieser Saison haben wir da einen großen Schritt gemacht“, so Didi.

Für mich ist das ein Fall von Realitätsverdrängung oder aber absichtlichem Beschiss am Fan, wenn ein Mann, der den Verein jährlich mit einem eigenen Gehalt schröpft, davon redet, dass man das Verhältnis von Gehalt und Erfolg in Einklang bringen möchte. Vor dem Hintergrund dieser Aussage würde mich mal interessieren, auf welchen Anteil an ihren Gehältern die Nicht-Performer Knäbel, Hilke, Peters und auch Beiersdorfer selbst in Zukunft verzichten möchten. Bisher waren diese Herren noch nicht einen Cent wert.

Die Zukunft, Note 5-

Kein Geld für Verstärkungen, kein Geld für die richtigen Nachwuchskicker, immer noch kein Campus, kein Leitbild, keinen Visionen. Der HSV hat unter Beiersdorfer auf nahezu alle zukünftigen Zahlungen (adidas, Köpi, Kühne etc.) bereits jetzt zugegriffen, weitere Erlöse sind nicht zu erwarten. Wer denkt, dass der HSV irgendwann einmal einen Spieler für € 30 Mio. nach England transferieren könnte, sollte endlich aufwachen. Jeder Spieler mit einer einigermaßen guten Perspektive wird den HSV lange vorher verlassen, bevor er diese Größenordnungen erreichen kann (Siehe Son, Calhanolgu, Tah). Warum? Weil der HSV diese Spieler wesentlich früher veräußern muss, um noch irgendwie seine Kosten zu decken. Weil der HSV Spielern mit Ansprüchen keine Perspektive bieten kann. Will Beiersdorfer die Kosten senken (er will übrigens nicht, er muss – DFL), kann sich der HSV in naher Zukunft Spieler wie Lasogga, Holtby, Müller, Spahic, Hunt etc. einfach nicht mehr leisten, weil sie schlicht und einfach das Gehaltsniveau überschreiten. Folge: Die Mannschaft wird geschwächt, man spielt schlechter, man bekommt weniger Geld und hat noch weniger Chancen auf günstige Top-Kicker. Diese Todesspirale wurde von Jarchow eingeleitet und wird nun von Beiersdorfer perfektioniert.