Ein Gastblog von ‚Kerberos‘

Nun hat F. Wettstein also sein Werk „Gute-Nacht-Geschichten zum HSV“ vorgestellt. Mit diesem bemerkenswerten Werk gelang F. Wettstein eine nahezu perfekte Symbiose aus Dichtung und Wahrheit in einer kaum für möglich gehaltenen Schlichtheit. Einer Schlichtheit, die in jedem HSV-Fan fast zwangsläufig die tiefe Überzeugung hat erwachsen lassen müssen, er höchst selbst hätte die Finanzen des HSV intellektuell bis ins Mark durchdrungen und damit die Legitimation per se, mit sinnentleerten Kommentaren ohne erkennbare Botschaft und frei von Logik die Blogs zum Thema HSV-Finanzen förmlich zu überfluten.

Die Vier

Und F. Wettstein wählt zum Thema „Stadion-Finanzen“ ganz bewusst sogleich die brachiale Konfrontation: Restschuld 25 Mio – fällig in den nächsten 18 Monaten – liquide Mittel nicht vorhanden und nicht zu erwarten! Rumms – das hat gesessen. Vor dem inneren Auge ziehen bereits wieder jene grauenhaften Bilder vorbei, die dem HSV-Fan das Blut in den Adern gefrieren lässt. Bilder, in denen die vergötterten Idole mit „unserer“ Raute auf der Brust einer alten, abgewetzten Leder-Pille auf einem holprigen Grand-Platz, gedemütigt wie geprügelte Hunde, hinterherjagen und ein Stadion mit gepflegtem Rasen nur noch aus den Fernseh-Übertragungen von anderen Vereinen her kennen.

F. Wettstein wäre aber eben nicht jener sagenumwobene F. Wettstein, hätte er nicht sogleich die rettende Lösung für den arg gepeinigten HSV-Fan parat: Restrukturierung; Restrukturierung der Verbindlichkeiten. Gut; das bedeutet nun faktisch zwar auch nur, alte Schulden mit neuen Schulden ablösen und dabei die neuen Schulden erst viel, viel später bezahlen müssen (am Besten natürlich erst, wenn man sich selbst schon längst mit prall gefüllten Taschen vom Acker gemacht hat) – klingt aber nach höheren Finanz-Weihen und gibt dem depressiv-vegetierendem HSV-Fan doch zumindest ein wenig Hoffnung zurück.

So; und nun schnell dies leidige Kapitel schließen, bevor noch Jemand nachhakt. Etwa nach dem „Wie und Warum“ diese leidige Stadion-Finanzierung heute eigentlich überhaupt noch „Thema“ ist. Denn es war doch gerader F. Wettstein selbst, der bereits vor mehr als einem Jahr vollmundig dem zu verdummenden Fan-Volk stolz verkündetet: das Problem der Stadionfinanzierung sei erkannt, die Gespräche mit den Banken zur Restrukturierung der Schulden seien aber bereits auf gutem Weg und mit einer Erledigung sei in Kürze zu rechnen! Das war im Januar 2015 – na, das hat denn ja ganz prima geklappt. Das Problem der „Stadion-Finanzierung“ ist also offenkundig, trotz intensiver Bemühungen des F. Wettstein, nicht ein Mal im Ansatz gelöst. Warum aber soll man jetzt, einen Bilanzverlust von 16,9 Mio später, denn noch darauf Vertrauen dürfen, dass eben dieser F. Wettstein heute die Finanzprobleme des HSV wird lösen können? Jene Finanz-Probleme, an deren Lösung F. Wettstein vor einem Jahr unter weit besseren Rahmenbedingungen bereits scheiterte. Exzellenz in der Welt des HSV bedeutet eben: „nicht nur gut gewollt, sondern nicht einmal auch nur ansatzweise befriedigend gemacht“.

Welch ein Segen, dass nun erneut unser „Retter“ K.-M. Kühne „seinem“ geliebten HSV mit der Erhöhung seiner Anteile um 9,25 Mio selbstaufopfernd zur Seite springt. Gut; etwas unschön an der Sache ist es dann doch schon, dass erneut bei diesen Anteilsverkäufen kein Geld geflossen sein soll, weil der Finanzmagnat eben nur ältere Darlehen mit dem Kaufpreis verrechnet hat. Aber was soll´s: der HSV wird schließlich damit entschuldet und spart dabei doch auch noch Zinsen. Danke Klaumi, bist eben doch einer von uns – ein „wahrer“ HSV-Fan!

Aber wieso eigentlich mit „ältere Darlehen“ verrechnet? Als K.-M. Kühne sein HSV-Engagement mit dem Anteilserwerb von 18,75 Mio zu Beginn des Jahres 2015 vollzog, hatte der HSV bei K.-M. Kühne Verbindlichkeiten in Höhe von 25 Mio (mit 4,5% Zins). Davon waren lediglich 2 Mio überhaupt erst noch in 2015 zur Rückzahlung fällig, der Rest gestaffelt in den Jahren 2016/2017. K.-M. Kühne verrechnete also bereits in 2015 den Kaufpreis für seine Anteile von 18,75 Mio vollständig mit Darlehen und dabei überwiegend auch noch mit Darlehen, die längst noch nicht zur Rückzahlung fällig waren. Aber gut; dies konnte man im Rahmen des Gesamtpakets (mit dem Erwerb des Stadionnamens und den damit verbundenen Zahlungen als dringend benötigte Liquidität für den HSV), zumindest mit sehr viel gutem Willen noch nachvollziehen. Fakt bleibt aber: es verblieb Anfang 2015 ein Rest-Darlehen bei K.-M. Kühne von 6,25 Mio zu 4% Zinsen und fällig zur Rückzahlung 2019 (so wurde es neu verhandelt). Damit war der HSV also mit K.-M. Kühne auf mittlere Sicht „in der Reihe“.

Und genau dies wirft jetzt zwingend Fragen auf, die förmlich nach einer Antwort schreien. Warum zahlt jetzt der durch existenzbedrohende Liquiditätsschwäche gebeutelte HSV bereits heute an K.-M. Kühne „alte“ Darlehen zurück, die er doch eigentlich erst 2019 zurückzahlen muss? Dieser HSV, bei dem Leihgeschäfte noch vor Kurzem an 100.000,- scheiterten und der seinen aktuellen vertraglichen Verpflichtungen aus der Stadion-Finanzierung bei den Banken nicht wird nachkommen können! Mit Sicherheit also nicht, weil der HSV vor lauter Liquidität gar nicht mehr weiß, wohin mit seinem ganzen Geld. Und warum zahlt der HSV für Darlehen über 6,25 Mio heute 9,25 Mio an K.-M. Kühne „zurück“; also 3 Mio mehr als die Darlehensschuld?

Offenbar haben also entweder neben der ursprünglich vereinbarten Restschuld von 6,25 Mio bereits vor 2015 noch weitere – unveröffentlichte – Schulden (mindestens 3 Mio) gegenüber K.-M. Kühne bestanden oder es sind innerhalb des Jahres 2015 weitere – neue – Schulden bei K.-M. Kühne entstanden. Der Beschluss des Aufsichtsrats für den Anteilsverkauf an K.-M. Kühne für 9.25 Mio datiert aus 11/2015. Die Vorgänge um diese „alten Darlehen“ dürften sich also überwiegend in der Bilanz 2014/15 wiederfinden; in jener Bilanz eben, die vom HSV so beharrlich noch unter Verschluss gehalten wird.

Was also mögen die Exzellenzen in der AG-Führung nur angestellt haben, dass diese für den HSV vollständig kontraproduktive und widersinnige „Umtauschaktion“ zu Gunsten des K.-M. Kühne jetzt offenbar zwingend erforderlich wurde? Anteile, mit denen man dringend notwendige Liquidität zur Ablösung fälliger Verbindlichkeiten und zur Erhaltung des Spielerkaders hätte generieren müssen, eingetauscht beim „Edelfan und Gönner“ gegen mittelfristige, noch nicht fällige, Verbindlichkeiten. Es ist einfach nicht zu fassen. Und welche Rolle spielt dabei eigentlich der Aufsichtsrat mit dem stets doch so adrett wirkenden und nett grinsenden Vorsitzenden? Ist er tatsächlich noch Kontrolleur der AG im Sinne auch und gerade des (haftenden) Vereins als Mehrheitseigentümer oder lediglich nur noch willfähriger Vollstrecker seines schweizer Brötchengebers? Alles nur reine Spekulation mag man entgegnen. Nein; gesicherte Fakten als Grundlage und die Logik vernünftiger Unternehmensführung lassen eigentlich nur einen Schluss zu: für die Possen sind beim HSV die Direktoren zuständig; für die Skandale Vorstand und Aufsichtsrat.

Und warum erinnert Einen dieser Märchen-Onkel F. Wettstein eigentlich immer an das grauenhafte Schicksal des Traditionsklubs Alemannia Aachen, welches erst durch den gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter in der 4.ten Liga sein erbärmliches Ende fand. Logisch; weil es eben dieser F. Wettstein war, der sich als „Berater“ für sein „exzellentes Sanierungskonzept“ noch kurz vor dem Exitus der Alemannia in der Lokal-Presse als „Retter vom Tivoli“ feiern ließ. Warum K. Gernand nun gerade diesen F. Wettstein, der vorher noch nie in einen „Sport-Unternehmen“ tätig oder überhaupt jemals irgendwo in Führungsverantwortung gewesen war (und neben der Katastrophe bei Alemannia Aachen auch schon am Finanz-Chaos bei 1860 München als „Berater“ emsig mitgewirkt hatte), als CFO für den HSV „gewinnen“ wollte, wird man wohl nie in Erfahrung bringen. Sachliche Erwägungen einer qualitativen Befähigung des F. Wettstein für die Position des CFO eines krisengeschüttelten Unternehmens aus dem Sportbereich lassen sich zumindest seiner beruflichen Vita kaum entnehmen.

Nur ein uns Allen wohl bekannter „Journalist“ wusste natürlich bereits bei der Bestellung des F. Wettstein zum HSV-Vorstand euphorisch und unbelehrbar zu berichten: mit F. Wettstein gelang es dem HSV, einen kompetenten Finanzfachmann mit ausgewiesener Expertise für sich zu gewinnen. Warum auch sollte man die Personalie F. Wettstein hinterfragen; schließlich gehörte er ja nun zur großen HSV-Familie und damit zum Geschlecht der „infalliblen Exzellenzen“ – jener auserwählten Schar von Unantastbaren, die nicht dem Irrtum unterworfen sind. Bleibt eigentlich für den HSV nur zu hoffen, dass dieser F. Wettstein möglichst schnell dem Schicksal dieses „Journalisten“ folgt und schleunigst in den Ruhestand geschickt wird – und dies, noch bevor ein Insolvenzverwalter den HSV irreversibel in die 4.te Liga schickt.

Demnächst in Wettsteins Märchenstunde:
„Das Milchmädchen und die böse Abschreibung“