Diesen bedeutungsschwangeren Satz sonderte der Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer während seiner ersten Pressekonferenz in der neuen Funktion im Presseraum des Volksparkstadions ab, ich war anwesend. Heute, knapp 1 3/4 Jahre später möchte man sagen: „Hoffentlich geht der liebe Didi mit seinen anderen Kindern besser und sorgsamer um“. Unter Beiersdorfer, aber das schreibe ich bekanntlich nicht zum ersten Mal, hat sich nichts, aber auch gar nichts beim Hamburger Sportverein zum Besseren geändert, im Gegenteil. Ein großer Teil der zu veräußernden Aktien sind in alle Winde zerstreut, das daraus eingenommene Geld bereits verbrannt. Die Mannschaft wurde mehr und mehr abgewrackt und vergreist, aber solange „uns Düdü“ immer noch ungestraft behaupten kann, man hätte „Prozesse angeschoben“ und „Strukturen verändert“, wird es immer noch genügend Patienten geben, die verzweifelt an diese Durchhalteparolen glauben wollen bzw. müssen.

Die Frage, welche Prozesse denn nun angeschoben bzw. welche Strukturen denn nun verändert wurden, hat bisher noch kein Journalist gestellt und man fragt sich, warum eigentlich nicht. Vielleicht deshalb, weil man weiß, dass man den HSV-Boss damit in Verlegenheit bringen würde? Wie cool kann man sich beim HSV hinter inhaltsfreien Phrasen verstecken, ohne befürchten zu müssen, dass man irgendwann einmal vor versammelter Mannschaft bloßgestellt wird. Man muss sich das einfach mal vorstellen. Man selbst fängt in irgendeiner imaginären Firma an und kassiert knappe € 2 Mio. pro Jahr. Auf die Frage des Vorgesetzten, was man denn den ganzen lieben langen Tag so tun würde, antwortet man monoton: „Ich schiebe Prozesse an, Chef“. Welcher Vorgesetzte würde sich das wohl 1 3/4 Jahre oder € 3,5 Mio.später noch anhören? Beim HSV ist das alles kein Problem, weil – hier möchte man ja verzweifelt daran glauben, dass da im stillen Kämmerlein tatsächlich etwas angeschoben wird.

Ebenso, wie man verzweifelt daran geglaubt hat, dass die Sätze des Herrn Knäbel („Wir haben für jeden Transfer-Fall einen Plan A und einen Plan B und einen Plan L“) tatsächlich mit Inhalt gefüllt wären.

Ebenso, wie man verzweifelt daran geglaubt hat, dass sich im Nachwuchsbereich (außer der Entlassung einiger alter und der Einstellung einiger neuer Trainer) tatsächlich nach 2 Jahren etwas ändern würde.

Ebenso, wie man verzweifelt daran geglaubt hat, dass beim legendären Campus (eigentlicher Baubeginn war 2012, glaube ich) zumindest mal eine Grube ausgehoben werden würde.

Ebenso, wie man verzweifelt daran geglaubt hat, dass irgendeine Granate vielleicht mal einen echten strategischen Partner aus dem Ärmel ziehen würde.

Und und und. „verzweifelt daran geglaubt“, das ist alles. Das ist alles, was nach der friedlichen Revolution von 2014 geblieben ist. Man möchte „verzweifelt daran glauben“, dass „die da oben“ tatsächlich ihr Geld wert sind, dass sie vielleicht doch einen Plan haben, dass sie vielleicht doch Experten und keine Schaumschläger sind.

Ich weiß, dass der Verein für viele ein rotes Tuch ist, für mich ist er es nicht. Die Rede ist von RB Leipzig, ein Verein, bei dem meiner Meinung nach wirklich ein Plan vorliegt. Mag man zum Sponsor Red Bull oder dem Kommerz als solchem stehen wie man will, aber trotz des Geldes wird dort eben auch mit Auge gearbeitet. Vor nicht allzu langer Zeit erkläre Ralf Rangnick in einem Interview, wie es die Leipziger mit den Transfers halten. Sinngemäß meinte er, dass man schon in der Lage sei, große Millionen-Summen in Spieler zu investieren, man aber bei jedem dieser Transfers besonders auch auf das Alter des Spielers wert lege, weil die grundsätzliche Idee immer sein müsse, den Spieler mit Gewinn weiter zu reichen. Dies ginge halt bei Spielern jenseits der 27/28 nicht mehr.

Mal zum Vergleich, die Transfers der Leipziger der letzten 1 1/2 Jahre verglichen mit denen des HSV.

RB Leipzig:

Selke/ 21  –  € 8 Mio.

Nukan/22 – € 5 Mio.

Halstenberg/24 – € 3 Mio.

Orban/23 – € 2 Mio.

Skopintsev/18 – € 0,6 Mio.

Damari/26 – € 7 Mio.

Bruno/22 – € 5 Mio.

Forsberg/23 – € 3,7 Mio.

Boyd/25 – € 2 Mio.

Sabitzer/21 – € 2 Mio.

Kalmar/20 – € 1 Mio.

Klostermann/19 – € 1 Mio.

Hamburger SV: 

Holtby/24 – € 6,5 Mio.

Ekdal/26 – € 4,5 Mio.

Hunt/29 – € 3 Mio.

Gregoritsch/21 – € 3 Mio.

Schipplock/27 – € 2,5 Mio.

Sakai/24 – € 0,6 Mio.

Spahic/35

Bahouu/25

Lasogga/23 – € 8,5 Mio.

Behrami/29 – € 6 Mio.

Müller/27 – € 4,5 Mio.

Ostrzollek/25 – € 2,75 Mio.

Diaz/29 – € 2 Mio.

Olic/35 – € 2 Mio.

Gideon Jung/20 – € 0,15 Mio.

Fällt was auf? Mir fällt z.B. auf, dass beim HSV eigentlich nur die jung-verpflichteten Spieler wie Holtby und Jung richtig performen, während man mit den älteren durch die Bank in die Tonne gegriffen hat. Diese „Tonne“ hat nun dazu geführt, dass der HSV pleite ist, nicht mehr und nicht weniger.

Beiersdorfer hat in seiner gesamten Zeit als Vorstandsvorsitzender gegen exakt diese „Regel“ verstoßen. Er kaufte fast ausschließlich Spieler (Behrami, Olic, Hunt, Diaz, Schipplock, Müller, Djourou), die, und da gehe ich jede Wette ein, den HSV entweder ablösefrei oder mit Verlust verlassen werden. Lediglich Jung und Gregoritsch, mit Abstrichen vielleicht Ekdal könnten eine Ablöse generieren, die über dem liegt, was der HSV für diese Spieler ausgegeben hat. Die Erklärung für die „alten Spieler“ lautete: „Wir brauchen erstmal Stabilität“, aber wo ist denn diese Stabilität geblieben? Wer rettet denn dem Verein regelmäßig den Arsch, wenn’s brennt?

Richtig. Es sind die Spieler, die man vorher monatelang aussortiert, gedemütigt, in Trainingsgruppe 2 abgeschoben hatte und eben nicht die Granaten (und jetzt verschont mich bitte mit einem Freistoß in Karlsruhe), die man alt und für teures Geld gekauft hat. Kacar, Ilicevic, Rajkovic, jetzt Rudnevs. Und nachdem man diese Spieler ab liebsten verschenkt hätte und zum Teufel gewünscht hatte, will man jetzt der Öffentlichkeit erklären, dass die diversen Re-Starts nur deshalb möglich waren, weil ja immer alle Türen offen stehen würden? Was für eine Lachpille.

Als HSV-Fan würde ich ab sofort sehr genau darauf achten, welcher Spieler demnächst außerhalb der Mannschaft trainieren muss. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird er es sein, der in der nächsten Relegation das entscheidende Tor in Nürnberg markiert. Mein Tipp heißt Olic.