Liebe Leser,

es gibt bekanntlich einige, die der Auffassung sind, dass in diesem Blog zu kritisch kommentiert wird, dass der Verein und seine Exzellenzen zu Unrecht hart angefasst werden. Einige sind sogar der Meinung, dies wäre unfair und hätte persönliche Gründe. Ich habe mir einmal die Zeit genommen und im alten Arena-Archiv gewühlt. Zum Teil, um mich selbst zu hinterfragen, aber auch deshalb, um zu sehen, wie sich meine Sicht auf den Verein, seine Entwicklung, die Handlungsweise der Verantwortlichen und auch die Arbeit der Presse, die ich stets extrem kritisch betrachte, verändert hat.

Lese ich heute „alte Blogs“ aus meiner Feder, so kann ich größtenteils nur noch den Kopf schütteln. Der Grund aber, warum ich diese (naive) Sicht der Dinge damals an den Tag gelegt habe, ist mir ebenso klar – ich wusste es halt nicht besser. Ich meinte, meinen Verein gegen alles und jeden verteidigen zu müssen, weil es sonst keiner tat. Ich war Fan und sonst nichts, aber ich wusste all das nicht, was ich heute weiß. Mit den Erkenntnissen, die ich aus Gesprächen mit Vorständen und Ex-Vorständen, Aufsichtsräten und Ex-Aufsichtsräten, Trainern, Spielern und Direktoren teils in Hinterzimmer, teils in meinem Wohnzimmer oder auf meiner Terrasse geführt habe, sind mir Bataillone von Kronleuchtern aufgegangen.

Diese Erkenntnisse aber haben viele (eigentlich fast alle) Leser nicht, weil sie eben nicht die Chance (oder die Qual) hatten, sich diese Geschichten, diese Intrigen, diese unfassbare Inkompetenz und diese eklatante Planlosigkeit live anzuhören. Als Fan glaubt man an „das Gute“ und das muss auch so sein. Als jemand, der sich seit nun 4 Jahren intensiver mit dem Verein beschäftigt, als dies nahezu jeder Berufsjournalist tut, kann man „das Gute“ nicht mal mehr erahnen.

Manchmal denke ich: „Wäre ich doch bloß einfach Fan geblieben. Ich würde mir Fußballspiele angucken und das wär’s dann“.

Schade, zu spät.

Die blanke Panik

Ein Wahnsinn ist das. Wir haben den 10. Mai, das Transferfenster ist noch bis zum 31. August (also müde 113 Tage) geöffnet und der HSV hat sich erst von 4 Lizenzspielern (Petric, Jarolim, Bertram, Castelen) getrennt. Und noch schlimmer – erst 3 neue Spieler verpflichtet (Rudnevs, Adler, Beister). Höchste Zeit, dass Euch-Uwe Seeler endlich wieder eines seiner, im 2 1/2 Wochen-Turnus erscheinenden, legendären „Ich mach mir solche Sorgen um meinen HSV-Interviews“ gibt. Man könnte den Eindruck gewinnen, der Mann hat Langeweile.

Diesmal allerdings geht der verdiente Sportler aus Norderstedt noch einen Schritt weiter. Aus den Sorgen ist blanke Angst geworden. War er doch während der letzten Saison nicht müde geworden, in regelmäßigen Abständen den sportlichen 20.Dezember 2012 für den HSV zu prophezeien. „Dieser Verein ist nicht mehr zu retten“, „Ich habe keine Hoffnung mehr“, „Der Abstieg ist unvermeidbar“. Nun denn.

Was macht man aber, wenn die gesammelten Weltuntergangs-Szenarien nicht eintreffen ? Für einen Sportler mit einem Metall-Gedenkfuss kein Problem. Frei nach dem Motto „Scheiß auf mein Gelalle von vorgestern“ wird einfach die Prophezeiung erweitert. Diesmal graut dem Herrn Seeler schon heute vor der nächsten Saison. Der arme alte Mann, offenbar extrem vergesslich, was seine Amtszeit als Funktionär für den Verein noch heute bedeutet (Stichwort Aufsichtsrat, Immobilien, Autopolitur, Jutesäcke), schläft wahrscheinlich nur noch durchschnittlich.

Aber mal ganz ehrlich: Von den Presse-Jungs kann man nicht erwarten, dass sie sich diese Gelegenheiten entgehen lassen. Wer von der Boulevard-Journaille ein regulatives Element erwartet, der glaubt auch noch an Herrn van der Verrat im HSV-Team 2012/2013. Das wird nicht geschehen, weil man diese Uwe-Vorlage nur noch mit der Hacke ins leere Tor kicken muss. Einfacher gehts nicht.

Um den Herrn Seeler („Ein Seeler traut sich immer“) ein wenig zu entspannen – was haben wir denn bis jetzt ?

Wir haben den neben Bittencourt wohl am begehrtesten 2-Liga-Spieler für 4 Jahre verpflichtet. (21 Jahre)
Wir haben einen absoluten Klasse-Torhüter geholt. (27 Jahre)
Wir haben, für international wenig Geld, einen lauf- und kampfstarken Torjäger geholt (24 Jahre)

Natürlich kann das nicht alles gewesen sein, wird es auch nicht. Aber der Anfang ist gemacht und es ist ein guter Anfang. Als kleiner Tipp: Gern mal das Transferfenster Sommer 2011/2012 angucken und dann stöhnen.