Fan ist man eigentlich nicht aus Zufall, Fan ist man, weil man Fan sein möchte. Fan ist man auch nicht temporär, Fan ist man für immer. Man geht gute Zeiten, aber auch schlechte Zeiten mit. Man freut sich und man ärgert sich, aber man bleibt Fan, weil es eben nicht anders geht. Richtig bis hierhin?

Dennoch beschäftigt man sich als Fan nicht nur mit der (eventuell ruhmreichen) Vergangenheit seines Vereins, sondern eben auch mit dessen Zukunft. Zumindest tun dies die Fans, die nicht nur von 12 bis Mittag denken können. Deshalb stelle ich heute die Frage an genau diese Fans: Was erwartet ihr eigentlich in Zukunft von eurem Verein? Wohin soll eurer Meinung nach die Reise gehen? Werdet ihr dauerhaft mit maximal Mittelfeld glücklich werden und kann euch auch ein permanenter Abstiegskampf über viele Jahre nicht entnerven? Erhofft ihr euch in irgendeiner Form eine Verbesserung der Lage und wenn ja, aus welchen Gründen?

Während ihr über all diese Dinge nachdenkt, möchte ich euch sagen, was ich erwarte, ich erwarte überhaupt nichts mehr. Oder anders gesagt, ich erwarte keinerlei sportliche, finanzielle, konzeptionelle oder inhaltliche Trendwende, weil ich denke, dass man diesen Zug endgültig verpasst hat. Ich möchte euch auch erklären, warum ich so denke.

Der HSV 2016 ist unteres Mittelmaß und wer das bestreiten möchte, der sollte sich

  1. mal wieder ein Spiel über 90 Minuten ohne rosa Vereinsbrille ansehen oder
  2. ein Blick auf die Tabelle wagen

Bleibt man realistisch und denkt darüber nach, wie der Weg nach oben gemeistert werden könnte, so kann man nur zu folgenden Schlüssen kommen.

  1. ein nachhaltiges Konzept aufsetzen (gibt es nicht)
  2. systematisch in den Nachwuchs investieren (dafür ist kein Geld und keine Ahnung vorhanden)
  3. die Durchlässigkeit zwischen Nachwuchs und Profis sicherstellen (nicht mit diesem Trainer)
  4. die Mannschaft qualitativ verbessern (ohne Geld nicht möglich)
  5. dafür sorgen, dass die besten Nachwuchsspieler den Verein nicht frühzeitig verlassen (Son, Calhanoglu, Tah…)
  6. sich unter den besten 5-7 Teams etablieren, um Gelder aus den internationalen Wettbewerben sowie aus dem TV-Topf zu generieren (wie soll das angesichts der Punkte 1-6 passieren?)
  7. usw.

Der IST-Zustand.

Auch, wenn es die hiesigen Medien gern verschweigen, obwohl selbst der Finanzvorstand des HSV es unumwunden zugibt, der HSV 2016 ist ein Sanierungsfall, wenn man es freundlich ausdrücken möchte. Möchte man es weniger freundlicher formulieren, dann ist der HSV pleite. Die finanziellen Gegebenheiten sind in der Vergangenheit (auch durch die Gastblogs des Users Kerberos) ausgiebig erörtert worden und sie stehen außer Zweifel. Wenn man nun denkt, dass die DFL irgendwann einmal einschreiten müssten, irrt man. Die DFL ist lediglich daran interessiert, ob ein Verein in der Lage ist, seine Rechnungen zu bezahlen. Ob und wie weit der Verein verschuldet ist, interessiert die DFL nicht. In der Vergangenheit hat der Verein mehr als einmal die Lizenz deshalb erhalten, weil man mit Hilfe einer Bürgschaft die Zahlungsfähigkeit nachweisen konnte und das wird im Zweifelsfall auch in der Zukunft so sein.

Peters freundlich1

Dies ändert aber nichts daran, dass der HSV in Zukunft nicht mehr zielgerichtet in die Mannschaft und auch nicht in den Nachwuchs investieren kann, bedenkt man beispielsweise, dass heute noch keiner der Exzellenzen weiß, wie man die Fan-Anleihe (€ 17,5 Mio.) zurückzahlen möchte. Man wird dementsprechend flickschusternd, wie man es seit nunmehr 5 Jahren tut. Übertragend könnte man sagen, dass eine klaffende Wunde eben nicht genäht und behandelt wird, es wird ein Pflaster draufgeklebt, das hält dann erstmal. Die Wunde selbst aber platzt bei der erstbesten Gelegenheit wieder auf.

Unser sportliches Ziel ist die Etablierung unter den fünf besten Mannschaften in Deutschland und eine ständige Teilnahme an internationalen Wettbewerben. (aus: Leitbild des HSV)

Schön (und teuer) formuliert, aber unglücklicherweise kann keiner der Exzellenzen erklären, wie das passieren soll. Ohne Geld, ohne Konzept, ohne Zukunft.

Wir sichern die finanzielle Solidität des HSV dauerhaft und unabhängig vom sportlichen Erfolg. (aus: Leitbild des HSV)

Tolle Sprüche, aber wie sichert ihr denn? Es wurde bereits jetzt auf nahezu alle zukünftigen Zahlungen vorgegriffen. (Aramark, adidas, Volksparkstadion, Köpi, Fly Emirates usw.) Der HSV hat exakt noch ein Mittel, um Gelder zu generieren, er kann die letzten 10% der AG-Anteile verschachern. Und dann? Was passiert dann, wenn die Herren Beiersdorfer und Knäbel auch das Geld in Spieler wie Behrami, Diaz, Schipplock, Olic, Hunt und eventuell Subotic investiert haben? Dann ist der Topf leer, aber der HSV hat sich immer noch nicht „dauerhaft unter den 5 besten Mannschaften Deutschlands etabliert“. Und dann? Woher will man das Geld nehmen? Zukünftige Zahlungen sind nicht existent, Spieler, die man gewinnbringend verkaufen könnte, gibt es nicht mehr.

Peters freundlich

Sportlich betrachtet ist es heute so, dass die Vereine Bayern München, Borussia Dortmund, Schalke 04, Bayer 04 Leverkusen, VFL Wolfsburg und Borussia Mönchengladbach die ersten 5-7 Plätze gepachtet haben und daran wird sich auch in naher Zukunft nichts ändern. Warum? Weil diese Vereine über mehrere Jahre international spielen, daraus Millionen und Aber-Millionen generieren, ihre Mannschaften verstärken etc. Die Schere zwischen der Spitze der Bundesliga und dem Rest geht jede Saison deutlicher auseinander.

Die Zukunft.

Dieses Szenario könnte bereits in der nächsten, mit großer Wahrscheinlichkeit in der übernächsten Saison Realität werden, aber dann laufen die Verträge der Exzellenzen bekanntlich eh aus. Und dann? Was dann? Stellt man diese Fragen an selbsternannte Fans, wird man unmittelbar nach Bremen oder St. Pauli gewünscht, eine Antwort können sie aber auch nicht geben. Naja, außer vielleicht „Geduld“ oder „das braucht Zeit, es geht nicht von heute auf morgen“ oder „ich denke, ich glaube, ich hoffe…“. Fakt ist: Profifußball ist ein Geschäft und in Geschäften regiert das Geld. Hat man kein Geld, hat man Probleme. Der HSV hat aber 2016 kein Geld und er wird in den nächsten Jahren noch weniger Geld zur Verfügung haben. Aber er hat eben auch keine Spieler mehr, die er für viel Geld verkaufen kann und er hat noch knapp 10% AG-Anteile. Was danach kommt, darüber machen sich aber die Wenigsten Gedanken und die Exzellenzen machen es auch nicht. Denn erstens haben sie gerade ein geiles Leitbild in die Welt gepustet und zweitens sind sie selbst dann mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht mehr da. Die Fans aber, die werden dann noch da sein.

Wir steigern den Wert des HSV kontinuierlich (aus: Leitbild des HSV)

Ungefähr so, wie ihr es in den letzten 1 3/4 Jahren gemacht habt? Wie genau wollt ihr das machen? Schade, dass mir das niemand erklären kann. Wie steigere ich den Wert des HSV? Wie steigere ich den Wert eines Sportvereins? Eigentlich doch dadurch, in dem ich sportlichen Erfolg vorweisen kann, oder? Nur – was habe ich von einer Wertsteigerung der HSV Fußball AG, wenn ich zum Zeitpunkt der Wertsteigerung nichts mehr zu veräußern habe, weil ich aus purer Finanznot aufgrund von planerischer Unfähigkeit all meine verfügbaren Aktien veräußert habe? Der HSV, mit dem teuersten Wasserkopf in der Vereinsgeschichte, lebt von der Hand in den Mund und jemand, der so lebt, kann einfach keine mittel- und langfristigen Perspektiven setzen.

Bei vielen Mitglieder herrschte von kurzem noch die Hoffnung, dass der HSV spätestens bis 2017 sein Stadion bezahlt haben und deshalb in Zukunft mit ca. € 10 Mio. Mehreinnahme pro Saison rechnen könnte. Weit gefehlt. Wettstein erklärte neulich, dass der HSV im Gegenteil seinen Stadion-Kredit weiter strecken müsse, um Liquidität zu garantieren. Wie also möchten die Exzellenzen den Verein auf finanziell gesündere Füße stellen bzw. den Wert des HSV kontinuierlich steigern?

Bauen wir uns doch zum Spaß mal ein Szenario. Der HSV spielt überraschenderweise in der Saison 2016/2017 so, wie es beispielsweise die Hertha in dieser Saison tut und erreicht die Europa-League. Und dann? Dann müsste man eigentlich die Mannschaft quantitativ und qualitativ aufstocken, aber wie? Und womit? Mit neuen Schulden? Also müsste man in der darauffolgenden Saison eine Entscheidung treffen. Entweder, man konzentriert sich richtigerweise auf die Meisterschaft und ignoriert den europäischen Wettbewerb, für den man ein ganzen Jahr gefightet hat. Oder man steckt viel Kraft und Herzblut in die Euro-League und läuft Gefahr, deshalb erneut in Abstiegsgefahr zu geraten. Die Beispiele aus Freiburg, Mainz und Augsburg sollte jeder noch in lebhafter Erinnerung behalten haben. Hat eigentlich auch jeder gesehen, in wieweit sich diese Vereine „dauerhaft unter den ersten 5 in der Bundesliga“ festgesetzt haben?

Apropos „die ersten 5 Vereine in der Bundesliga“. Hat irgendjemand gesehen, dass sich Vereine wie Augsburg, Mainz, Frankfurt, Stuttgart oder Hannover anmaßen, sich in Zukunft unten den „ersten 5 Mannschaften in der Bundesliga“ etablieren zu wollen? Ich nicht. Warum nicht? Weil sie verstanden haben, dass dieses Ziel illusorisch und unerreichbar ist. Die Exzellenzen aber formulieren lustig ein Ziel ohne auch nur einen Hinweis darauf zu geben, wie sie dieses Ziel erreichen wollen. Stattdessen möchte man sich selbst im Tagesgeschäft Profifußball ein Zeitfenster von 7-10 Jahren gönnen, was für ein Wahnsinn. Als wäre auch nur einer der Initiatoren dieses Leit-Schwachsinns dann noch in irgendeiner Funktion im Verein tätig.

Sportlich.

Ich werde des öfteren gefragt, was ich denn anderes bzw. besser gemacht hätte und ich kann immer nur wieder antworten: So gut wie alles. Die aktuelle HSV-Führung fühlte sich offenbar nicht an die Wahlversprechungen von HSVPLUS gebunden und ging, anstatt wie angekündigt auf die Jugend zu setzen und zu entschulden, „all in“. Man mobilisierte die letzten Kröten, um in einer Hau-ruck-Aktion mit Hilfe von alten, etablierten Spielern einen turn around in Rekordzeit zu schaffen und sich selbst als Vereinsretter feiern zu lassen. Dieses Vorhaben ist krachend gescheitert und jetzt versucht man die Argumentationskette umzudrehen und auf „Jugend forscht“ zu machen, etwas, was man von Anfang an hätte machen sollen. Die erzwungene Kehrtwendung jedoch ist nichts anderes als Fan-Verarschung. Man feiert heute die Entdeckung eines Gideon Jung, aber man hätte heute, 1 3/4 Jahre danach eigentlich schon 4 oder 5 Gideon Jungs im Team haben müssen, andere Vereine finden auch 18 bis 22-Jährige zu vernünftigen Preisen. Dieser Weg aber war den Exzellenzen zu beschwerlich, heute ist er alternativlos. Aber heute ist kein Geld mehr vorhanden. So gesehen ist Punkt 1 des Leitbildes nichts anderes als Augenwischerei und Heuchelei.

Hoffnungen.

By the way – Augenwischerei. Auf die selbstgestellte Frage, wie man sich in der überteuerten Führungscrew des HSV denn nun die Zukunft vorstellen würde, wie man sich vorstellt, in Zukunft notwendige Gelder zu generieren, erhält der geneigte Fan „Hoffnungen“ als Antwort, das muss man sich überhaupt einmal vorstellen. Die Herren haben Monate Zeit, sich auf solche Fragen vorzubereiten und dann verkünden sie, dass man „Hoffnungen“ habe. Wie gesagt, keine Pläne, keine konkreten Ideen, aber „Hoffnungen“.

Hoffnungen, dass sich eventuell in den nächsten 52 Jahren der TV-Verteilerschlüssel ändern würde, wofür es aktuell keinerlei Anzeichen gibt.

Hoffnungen, dass man vielleicht einen Spieler für ein paar Millionen nach England, Leverkusen oder China verkloppen könnte. Und dann? Was haben die Granden bisher gezeigt, was sie dann mit diesem Geld machen werden?

Hoffnungen darauf, dass vielleicht der eine oder andere Landwirt, Obstbauer oder Weinhöker nochmal 1,5% Anteile erwirbt.

Das ist der ganze Plan. „Hoffnungen“. Dafür kostet der Vorstand und das Direktorium den Verein jedes Jahr mehr als € 4 Mio. Vorsichtig geschätzt. Man stelle sich einmal vor, der Vorstand von Mercedes erklärt seinen Aktionären, man würde auf den sinkenden Absatz der eigenen Fahrzeuge mit „Hoffnungen“ darauf, dass sich der Markt in Indien entwickelt, reagieren.

Aussichten. 

Also: Worauf warten die „Geduldigen“? Was erwarten sie für die Zukunft? Oder predigen sei nur deshalb Geduld, um Geduld zu predigen? Sie warten auf das Wunder, das nicht kommen wird, denn im heutigen Business Profifußball sind die Wunder rar geworden. Man sieht, dass selbst mit viel Geld nicht alles möglich ist, aber ohne Geld ist überhaupt nichts mehr möglich. Und soll mir doch bitte jetzt niemand mit dem Beispiel Leicester City kommen, denn auch die Underdogs aus England investierten vor der Saison mehr als € 50 Mio. und repräsentieren einen Mannschaftswert von € 127 Mio. Aber zum Glück können sie sich in der Zwischenzeit an Bloggern wie mir abarbeiten, die als neues Feindbild herhalten dürfen. Kann ich ehrlich gesagt wunderbar mit umgehen.

 (Bilder: Sportmikrofon)