Ein Gastblog von „Kerberos“

Da stürzt sich eine Schar von Bloggern und Kommentatoren als selbstberufene „Analysten“ auf die Bilanz 14/15, apostrophiert ihr profanes Rezitieren einzelner Bilanzpositionen hochtrabend als „Bilanz-Analyse“ und am Ende ist der Erkenntnisgewinn solch simpler Nacherzählungen auf Quintaner-Niveau erwartungsgemäß doch eher gleich Null. Aber ein Gutes hat solch ein Geschreibsel ja eigentlich immer – der Autor darf sich ein wenig im so sehnlichst erhofften Beifall der hauseigenen Claqueure sonnen. Mehr aber eben auch nicht.

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Denn die selbsternannten „Bilanz-Profis“ dokumentieren überwiegend doch nur, dass sie kaum des aufmerksamen Lesens mächtig sind, geschweige denn, dass sie das Gelesene verstanden haben könnten. Wie sonst ist es zu erklären, dass stets und ständig eine Steigerung der Personalkosten von 58 Mio (13/14) auf nunmehr 69 Mio (14/15) angeprangert wird. Ja; könnte man doch nur richtig lesen. Dann merkte man, dass die Wirklichkeit noch bei Weitem düsterer aussieht. Denn die ausgewiesenen Personalkosten von 58 Mio aus 13/14 sind der Konzernbilanz des Vereins entnommen und beinhalten insofern auch die Kosten jener Mitarbeiter, welche beim Verein verblieben und nicht von der AG übernommen wurden. Die ausgewiesenen Personalkosten von 69 Mio aus 14/15 sind hingegen dem Konzernbericht der Fußball AG (ohne die Mitarbeiter des Vereins) entnommen. Um hier eine periodische Entwicklung der Personalkosten der Fußball AG herleiten zu können, sind also vorab die Personalkosten von 58 Mio aus 13/14 um die Personalkosten jener im Verein verbliebenen Mitarbeiter zu reduzieren. Für die Entwicklung der Personalkosten in der Fußball AG ergibt sich also gar eine taxierte Steigerung von 56 Mio (13/14) auf 69 Mio (14/15). Also; wenn schon, dann bitte aber auch richtig.

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Genau hier aber liegt die Crux. Denn die vorstehende Darlegung der periodischen Unvergleichbarkeit der Bilanzen der Fußball-AG durch diese Art der Ausweisung neben den Konzernzahlen des Vereins für die Bilanz 13/14 beschränkt sich keineswegs nur auf die Personalkosten. Was also sollen all diese pseudo-profunden, in ihrer aufgeblasenen Darstellung so unglaublich detailliert wirkenden „Bilanz-Analysen“ überhaupt, wenn diese inhaltlich unrichtig sind?

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Eines sollte an dieser Stelle jedoch nicht unerwähnt bleiben. Das aktuelle Grundübel der Misere im Bilanzwesen des HSV geht dabei vom Verein selbst aus; denn so lange der Verein seine Bilanzen für 14/15 nicht veröffentlicht, wird es auch nicht möglich sein, die für einen periodischen Vergleich notwendigen Finanzwerte für die Fußball AG auch nur in Annäherung aussagekräftig zu extrapolieren. Hier demonstrieren Fußball AG und HSV Verein in engem Schulterschluss, was die Exzellenzen mit einem „Hafenmeier“ als Tambourmajor unter Transparenz verstehen, wie Mitglieder erfolgreich hinters Licht geführt werden und wie die Öffentlichkeit verdummt wird. Was für ein perfides Spiel.

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Doch was soll´s. Die Bilanz 14/15 der Fußball-AG ist mit all den sich aus ihr ergebenden nachlaufenden Indikatoren in erster Linie nur geeignet, die wirtschaftliche Vergangenheit der Fußball-AG zu beurteilen und den zurückliegenden Misserfolg des Unternehmens sowie die nicht vorhandene Exzellenz seiner Führung zu dokumentieren (schließlich endete der Berichtszeitraum für die Bilanz bereits am 30.06.2015). Und die wirtschaftliche Vergangenheit der Fußball-AG war eben wie sie unbestritten war: im Gleichschritt mit der sportlichen Vergangenheit einfach nur erfolglos und desaströs. Die Exzellenzen haben auf allen Ebenen nachhaltig und wiederholt unter Beweis stellen können, dass Sie mit Zustimmung des Aufsichtsrats nicht in der Lage waren oder eben nicht sein wollten, die Fußball-AG im Sinne eines ordentlichen Kaufmanns zu führen. An dieser Tatsache wird sich nichts ändern; ganz gleich, wie oft und in welcher Form auch immer die Bilanz 14/15 gebetsmühlenartig wieder und wieder von eher mittelmäßig begabten „Analysten“ durchdekliniert werden mag.

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Interessanter ist da dann doch schon eher ein Blick auf die Vorgänge, die nicht – oder zumindest nicht unmittelbar – dem schlichten Zahlenwerk der Bilanz 14/15 zu entnehmen sind und die in ihren Auswirkungen für die Zukunft des HSV von Bedeutung sind. Zugegeben ein nicht ganz einfaches Unterfangen, in dieser an Belanglosigkeiten überbordenden Bilanz 14/15 die Erklärungen mit substantiellem Inhalt heraus zu filtern; aber mit etwas Geduld findet man sie dann doch. So etwa die nachfolgende, in der Formulierung eher harmlos wirkende, Bilanz-Erläuterung: „Der Sportfive GmbH wurde ein Besserungsschein im Wert von maximal 3,3 Millionen gewährt. Dieser Besserungsschein besteht aus möglichen Prämienzahlungen vom HSV an Sportfive, die vom Eintritt festgeschriebener sportlicher Erfolge in der Zukunft abhängig sind.“ (Seite 9 der Konzernbilanz).

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Nun; einem Besserungsschein liegt seinem Wesen nach stets eine unbestrittene und fällige Forderung zugrunde, auf welche der Gläubiger verzichtet, weil der Schuldner sich, zumindest momentan, in einer äußerst schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet. Soweit zum Segen des Besserungsscheins für den Schuldner. Gleichzeitig verhandelt jedoch der Gläubiger mit dem Schuldner die Bedingungen, bei und mit deren künftigen Eintritt, eine (äquivalente) Forderung, sozusagen aus sich selbst heraus, auflebt und vom Schuldner zu erfüllen ist. Sämtliche getroffene Vereinbarungen zwischen Gläubiger und Schuldner werden in einem „Besserungsschein“ dokumentiert (wobei semantisch beim „Besserungsschein“ auf eine künftige Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Schuldners abgestellt wird, keineswegs jedoch die Forderung des Gläubigers „nachgebessert“ wird). Und das ist eben der Fluch des Besserungsscheins für den Schuldner; der Besserungsschein hängt wie ein Damoklesschwert über seiner wirtschaftlichen Zukunft. Der Schuldner kennt zwar die Bedingungen, bei deren Vorliegen die Forderung aus Besserungsschein auflebt und er die Forderung ins Besondere auch erfüllen (bezahlen!) muss – er kann aber weder den Zeitpunkt konkretisieren, noch kennt er die Umstände und konkreten Möglichkeiten seines Unternehmens in diesem Zeitpunkt. So kann es dem Schuldner beim Aufleben der Forderung aus Besserungsschein durchaus an der erforderlichen Liquidität zur Erfüllung der Forderung ermangeln, obgleich sich die wirtschaftliche Situation des Schuldners gemäß den vereinbarten Bedingungen aus Besserungsschein tatsächlich stark verbessert hat. Der Schuldner sitzt dann in der Liquiditätsfalle und der Gläubiger kann dem Schuldner seine neuerlichen Bedingungen für einen Fortbestand des Unternehmens diktieren. Ein zwar hässliches, aber durchaus nicht unübliches Szenario.

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Ein weiteres, nicht zu vernachlässigendes, Übel des Besserungsscheins ergibt sich aus dessen Bilanzierung nach HGB. Mit dem Forderungsverzicht, der bilanz-technisch (nur nach HGB, anders nach IRFS) trotz Besserungscheins als endgültig behandelt wird, wird der Geldwert des Forderungsverzichts ganz unkompliziert als ein ausserordentlicher Erlös gebucht. Dies bewirkt dann unmittelbar eine Erhöhung der Umsatzerlöse und somit eine Verminderung des Verlusts. Und, nicht zu vergessen, eine Verbesserung des als so aussagekräftig gepriesenen EBITDA. Tja, und das war es dann auch schon mit der Erfassung eines Forderungsverzichts mit Besserungsschein aus bilanz-technischer Sicht. Ein recht unbefriedigendes Ergebnis, denn man wird diesen Besserungsschein bei der Bewertung von künftigen Bilanzen immer als ein unabwägbares Risiko im Sinn behalten müssen – in der Bilanz selbst findet der Besserungsschein keinen Ausweis (nach HGB). Erst wenn später (irgendwann in der Zukunft) die Bedingungen des Besserungsscheins erfüllt sein werden, wird die aus dem Besserungsschein auflebende Forderung (praktisch aus dem „Nichts“) als ein ausserordentlicher Aufwand in der für den Zeitpunkt des Auflebens aktuellen Bilanz erfasst werden und in dieser dann für Verluste sorgen oder mindestens aber die Gewinne schälern.

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Mit dem Forderungsverzicht von Sportfive über 3,3 Mio gelang es also der den Exzellenzen der HSV Fußball-AG den Bilanzverlust 14/15 von 20,2 Mio auf 16,9 Mio zu drücken – einfach erschreckend, denn nun schwebt eine Forderung von 3,3 Mio aus Besserungsschein latent als wirtschaftliche Bedrohung über der Zukunft des HSV.

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Und damit noch nicht genug. Dem Konzernbericht 14/15 ist auf Seite 16 im Rahmen des Nachtrags zu entnehmen, dass nach Abschluss des Bilanzzeitraums zur Transferfinanzierung ein Darlehen über 4.5 Mio mit umgehendem Verzicht durch den Gläubiger gegen Besserungsschein eingeworben werden konnte. Auch hier also wieder im Prinzip die gleiche grausame Nummer. Dieses „Darlehen“ wird also in der nächsten Bilanz 15/16 durch den ausgeübten Forderungsverzicht des Gläubigers die Umsatzerlöse um 4,5 Mio erhöhen, die bereits prognostizierten Verluste reduzieren und selbstverständlich auch wieder das sagenumwobene EBITDA erhöhen; nur in der Position „Verbindlichkeiten“ der Bilanz wird man dieses „Darlehen“ nicht finden, denn es wurde ja bereits mit der Gewährung eines Besserungsscheins seitens des Gläubigers auf eine Rückzahlung verzichtet.

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Stand zum Oktober 2015: über der wirtschaftlichen Zukunft der HSV Fußball-AG schweben Besserungsscheine, aus denen Forderungen gegen den HSV in Höhe von 8,8 Mio aufleben werden. Die Besserungsscheine von heute sind die Verluste von morgen. Wie viele Besserungsscheine darüber hinaus noch seit Oktober 2015 Gläubigern vom HSV gewährt wurden, bleibt abzuwarten. Aber auf „Was“ soll man denn noch in Geduld und Demut zuwarten?

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Die nachstehenden Fakten sind doch heute bereits hinlänglich bekannt und werden von den Exzellenzen selbst zwar relativiert, im Kern der Aussagen jedoch nicht bestritten:

  1. Die HSV Fußball-AG verbrennt eingeworbenes Eigenkapital im Tagesgeschäft ohne nachhaltige Werte zu schaffen in atemberaubender Geschwindigkeit. Dies bestätigt CFO F. Wettstein selbst mit seiner Aussage im Interview „Wir werden in der laufenden Saison erst einmal wieder Eigenkapital einsetzen müssen, um die anfallenden Verluste zu decken.“

  2. Der HSV muss bereits die laufenden Kosten zusätzlich noch über Vorgriffe auf künftige Einnahmen und weitere Darlehensaufnahmen finanzieren. So explizit auf Seite 17 des Konzernlageberichts ausgeführt: „Die vereinbarten Maßnahmen beinhalten die vorzeitige Zahlung vertraglich fixierter zukünftiger Erträge sowie eine Darlehensaufnahme“.

  3. Der HSV verlagert mittels Besserungsscheinen bereits heute entstandenen Aufwand in die Zukunft, um auf diese Weise den Verlustausweis der aktuellen Bilanz im Rahmen zu halten (vergleiche vorstehende Ausführungen mit Quellennachweisen)

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Wie blanker Hohn wirkt es da, wenn die Exzellenzen ihr mittels Besserungsschein aufgeblähtes EBITDA abfeiern und ein F. Wettstein in seinem legendärem Interview voller Inbrunst erklärt, man hätte mit der Bilanz 14/15 „ehrlich aufgeräumt“. Ganz reflexartig fragt man sich bei solchen Statements, wann darf man eigentlich einen Menschen ungestraft als Lügner bezeichnen. Und wenn ein F. Wettstein fabuliert: „Nach dieser Saison sind wir finanziell über den Berg“, so kann man dieses imperative, in Erbrechen mündende, Würgen im Hals einfach nicht mehr ignorieren. Es muss raus, denn ist wirklich nur noch zum Kotzen mit diesen Exzellenzen! Und ja, Herr Wettstein; wenn der HSV über den Berg ist …. dann geht es jetzt nur noch steil bergab!

Lest dazu auch:

http://www.ndr.de/sport/fussball/Bundesliga-Hamburger-sv-fussball,hsv16578.html

Im Herbst 2015 war der HSV zahlungsunfähig und musste erneut bei Kühne betteln gehen. Aber anstatt daraus zu lernen, verschenkten die Exzellenzen im Anschluss einen Copa Sieger (Diaz) für € 1,5 Mio. und liehen einen Drmic, der jetzt auf der Bank sitzt für 5 Monate für € 2,5 Mio. Es ist unfassbar.