Eines vorab: Der HSV machte für seine Verhältnisse ein gutes Spiel in Leverkusen. Engagiert in den Zweikämpfen, laufbereit, nicht ängstlich und willig. Der Umstand, dass diese Mannschaft immer noch nicht in der Lage ist, einen normalen Spielaufbau zu kreieren, dürfte so neu nicht sein, allerdings hätte wohl nicht nur ich erwartet, dass man in knapp einem Jahr an dieser Stelle für Abhilfe sorgt. Aber auch knapp 1 Jahr seit Labbadia kommt immer wieder das gleiche Strickmuster ans Licht. Entweder, Torhüter Adler bekommt den Ball, dann wartet er. Und wartet und wartet und wartet und wartet so lange, bis sich die gegnerische Abwehr formiert hat. Der daraus resultierende lange Ball wird in 9 von 10 Fällen verloren. Oder aber Adler gibt den Ball kurz auf einen Abwehrspieler und dieser drischt dann die Pille nach vorn.

Das Offensivspiel des HSV ist eigentlich immer noch nichts anderes als ein umgekehrtes Defensivspiel. Man profitiert im besten Fall davon, dass man dem Gegner bei dessen Spielaufbau im Mittelfeld den Ball abluchst (Holtby, Ekdal, Jung), um dann mit einem schnellen Ball den aufrückenden Gegner zu überrumpeln. Diese Taktik erfordert im Mittelfeld extrem Laufbereitschaft und einen Willen, sich in jeden Zweikampf zu werfen. Auf diese Art kommen für die handelnden Akteure natürlich reichlich Fouls zustande.

Wie auch immer, der HSV verlor das gestrige Spiel in Leverkusen nur aus einem Grund: Bernd Leno hatte einen Manuel Neuer-Tag. Bitter, aber auch so gibt es keine Punkte. Leverkusen war sicher nicht besser, aber sie hatten den besten Mann des Spiels auf dem Platz.

Was auffiel:

Artjoms Rudnevs. Mit Abstand bester Hamburger, nahezu alles was er machte, hatte Hand und Fuß. Ich möchte gern wissen, was diejenigen (Journalisten und „Experten“), die ihm technische Mängel unterstellten, über die Herren Lasogga und Schipplock schreiben. So viele Chancen, wie sich Rudnevs durch eigene Arbeit in einem Spiel erarbeitet, hat ein Lasogga in 4 Partien nicht. Rudnevs hatte gestern halt nur das Pech, dass Leno einen Sahnetag erwischt hatte. Rudnevs lief übrigens mit 11,49 km als Mittelstürmer!!! die längste Strecke aller HSV-Profis.

Jonathan Tah. Wer sieht, wie der 20-Jährige Situationen mit einer Ruhe und Routine löst, müsste pausenlos weinen, wenn er dagegen einen groben Cleber oder einen fahrigen Djourou beobachtet. Tah foult nicht, Tah grätscht nicht, Tah macht alles mit Schnelligkeit, Auge und seinem Körper. Allein die Tatsache, dass die HSV-Verantwortlichen dieses Talent nicht erkannt haben, sollte zur sofortigen Entlassung führen.

Altersdurchschnitt. Der Altersdurchschnitt der Leverkusener Mannschaft betrugt gestern 23 Jahre und damit waren die Rheinländer im Schnitt jünger als der der jüngste HSV-Spieler auf dem Platz. Lediglich die spät eingewechselten Drmic (23) und Lasogga (24) liegen in diesem Bereich. Also – der hohle und immer wieder gern bemühte Spruch „Nur mit Talenten geht es nicht“ ist erwiesenermaßen Schwachsinn, denn es geht sehr wohl. Man muss halt nur die richtigen Talente haben und sie nicht für Peanuts verschachern.

Albin Ekdal. Nach dem Spiel gegen Hertha schon als Iniesta’s legitimer Nachfolger gehypt, kam der Schwede schnell auf dem Boden der Tatsachen an. Eigentlich nach der langen Verletzungspause kein Wunder, aber auch die angebliche Weltklasse-Leistung gegen die Berliner war kein Wunder. Die Herren aus der Hauptstadt hatten sich beinahe über die gesamte Spielzeit eingeigelt, da hat es ein 6er nicht wirklich schwer. Gegen die schnellen und offensiven Leverkusener konnte man nun sehen, warum Ekdal eben nicht bei PSG spielt. Darüberhinaus konnte der Schwede nach 2 üblen Tritten froh sein, so lange auf dem Feld gestanden zu haben.

Transfers. Rudnevs begann auf der 9 und er spielte durch. Wen aber brachte Trainer Labbadia, als er mehr Druck entwickeln wollte? Er brachte zuerst Leihgabe Drmic in der 61. Minuten und erst dann, als auch das nicht wirkte, kam Stamm-Stürmer und Großverdiener Pierre-Michel Lasogga in der 78. Minuten. Und selbstverständlich kann dies ein Hinweis auf die aktuelle Stürmer-Hierarchie sein, in der der Ex-Berliner nur noch auf Platz drei steht. Für den HSV ist diese Situation mit jedem weiteren Spiel eine transfer-technische Katastrophe, denn…

Stürmer Nr.1, Artjoms Rudnevs. Wird mit jedem Einsatz stabiler und sicherer, arbeitet extrem für die Mannschaft, Vertrag läuft aber aus. Was also tun, nachdem man den Letten die letzten 2 Jahre am liebsten verschenkt hätte? Will man verlängern und damit eingestehen, dass man 2 Jahre lang Scheiße gebaut hat?

Stürmer Nr 2, Josip Drmic. Bisher eine Enttäuschung, auch deshalb, weil er auf der falschen Position spielt (außen). Der Mann kostete Gladbach vor einem Jahr € 10 Mio. und für weniger werden sie ihn nicht gehen lassen. Mit anderen Worten: Drmic ist im Mai wieder weg. Und dann?

Stürmer Nr. 3, Pierre-Michel Lasogga. Hat seinen Platz verloren und ist nicht mal mehr erster Ersatz für Rudnevs. Aber Lasogga ist teuer und einen der teuersten Spieler dauerhaft auf die Bank zu setzen, kann sich der HSV nicht leisten. Möchte man PML aber im Sommer abgeben, müsste er spielen, was er nicht tut. Also?

Stürmer Nr. 4, Sven Schipplock. Wird das gleiche Schicksal ereilen, wie andere Ex-Spieler. Sobiech 2.0

Aaron Hunt. Da schrieb doch gestern nach dem Spiel tatsächlich jemand:„Allein für seinen Hackentrick in der zweiten Halbzeit lohnte sich die 415 km lange Anfahrt“. Was für ein unfassbarer Bullshit. Der Ex-Bremer hat in jedem Spiel 2 oder 3 lichte Momente, das war’s. Die aber hatte selbst van der Vaart in seiner letzten Saison. Die restlichen 86 Minuten ist Hunt entweder unsichtbar oder aber er spielt zum Teil haarsträubende Pässe in die Füsse des Gegners. Sorry, aber Hunt ist keine Verstärkung und schon recht kein Spielmacher.

Lewis Harry Holtby. War er es nicht, der sich neulich noch über die Spielweise der Ingolstädter beschwerte und ihnen eine „dreckige Spielweise“ unterstellte. Vorsicht, Harry, du sitzt im Glashaus. Nahezu jeder Zweikampf mündet in einem Foul, ständiges Lamentieren bei Schiedsrichter-Entscheidungen (wird nur noch von Müller getoppt) und dann windet sich der Ex-Nationalspieler auch noch minutenlang am Boden, nachdem er Toprak gegen den Knöchel getreten hatte. Also in Zukunft lieber an die eigene Nase fassen.

Das nächste Spiel gegen die erstarkten Hoffenheimer könnte nun wirklich spannend werden. Gewinnt der HSV seine Heimbegegnung, dürfte er aus dem Gröbsten raus sein. Verliert er, sind es noch 4 Punkte zu den Süddeutschen und die Hamburger sind wieder voll drin in der Verlosung.