„Ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss“ – heißt es. Ein Phänomen, welches in Hamburg über all die Jahre nur allzu wohlbekannt sein dürfte, nur mittlerweile springt das Pferd nicht mal mehr so hoch, wie es müsste. In Hamburg ist nicht der Alltag zurückgekehrt, nein, die Angst ist wieder da. Dies lässt sich nicht nur an den Aussagen der Spieler erkennen, nicht nur an den teils hysterischen Versuchen der Glaubenskrieger, die gestern einen besseren HSV gesehen haben wollten, es lässt sich auch an den Abtauch-Versuchen der Exzellenzen ablesen. Nicht ein Verantwortlicher tritt vor die Kameras und spricht Klartext und wenn es dann doch mal einer tut, dann sondert er inhaltsarme Worthülsen ab.

Wenn ich Bruno Labbadia nach einem Spiel wie dem gestrigen gegen die TSG 1899 Hoffenheim sehe und zur Kenntnis nehmen muss, wie der Übungsleiter lediglich die mangelhafte Chancenausbeute für die Niederlage verantwortlich machte, kann ich nur noch den Kopf schütteln. Der HSV 2016 ist eine Mannschaft von veralteten und überbezahlten Durchschnittskickern (gestriger Altersdurchschnitt 27,8 Jahre), bei der keinerlei Entwicklung, dafür aber reichlich Selbstzufriedenheit ersichtlich ist. Diese Selbstzufriedenheit ist es, die diesen Verein nach wie vor lähmt und sie wird von höchster Stelle vorgelebt.

Gab es vor einige Zeit einmal eine Mentalität des Vorantreibens (Hoffmann), so ist diese der Mentalität der Selbstzufriedenheit gewichen. Man hat es sich in Hamburg schön eingerichtet (Spieler und Offizielle), man verdient in einer wunderschönen Stadt überproportional gut und man kann prassen bis die Schwarte kracht. Sollte irgendwann einmal das Geld ausgehen, kein Problem, Onkel Klau-Mi springt ja ein. Diese Einstellung wird von höchster Stelle vorgelebt und sie überträgt sich auch das spielende Personal, ein absolut normaler Vorgang. Das Leistungsprinzip wurde seit Jarchow außer Kraft gesetzt und ist unter Beiersdorfer und auch Labbadia nicht mehr existent. Ich erinnere mich:

Der 48-Jährige hat deutliche Veränderungen zur Vorsaison ausgemacht. „Ich sehe uns im Plan. Man kann nach vier Auswärtsspielen und drei Heimspielen zufrieden sein.Ich kann sagen, dass wir wieder da sind. Die Angst, ins Stadion zu gehen, ist bei Spielern, Fans und Mitarbeitern unseres Vereins weg.“ Die personelle Zusammensetzung der Mannschaft stimme, sagte Knäbel

Diese bedeutungsschwangeren Sätze sonderte unser aller Profifußball-Direktor am 28.09.2015 ab, der HSV hatte nach dem 7. Spieltag 10 Punkte und befand sich auf dem 10. Tabellenplatz. Die Bilanz las sich, für genügsame Hamburger Augen befriedigend. 3 Siege, 1 Unentschieden, 3 Niederlagen. Und danach. In den 20 Spielen danach holte der HSV von 60 möglichen Punkten noch genau 21. Mit anderen Worten: Hatte man vor Knäbels Friede-Freude-Eierkuchen-Aussage einen Punkteschnitt von 1,4 Punkten, so folgte danach ein Schnitt von 1,05, Tendenz fallend.

„Der Chef hat gesagt, dass alles super ist, also lass uns mal einen Gang runterschalten“. Exakt diesen Eindruck muss man erhalten, betrachtet man die Entwicklung bzw. die Nicht-Entwicklung der Mannschaft. Oder einfach anders gefragt: Welchen Spieler hat Bruno Labbadia in einem Jahr in Hamburg besser gemacht? Mir fällt keiner ein. Aber, hey, macht doch nichts. Alles andere als erneute Relegation ist doch ein Schritt nach vorn. Man muss auch mal Geduld haben. Didi hat doch gesagt, dass er Licht am Ende des Tunnels sieht.

Mag sein, aber unglücklicherweise hat Didi übersehen, dass es sich dabei um einen Geisterfahrer handelt. Betrachtet man die Fakten, so kann man nur zu einem Schluss kommen: 1 3/4 Jahren nach Beiersdorfers Amtsantritt entwickelt sich der Hamburger Sportverein rückwärts und ein Ende ist nicht in Sicht. Das Momentum spricht gegen den Nordclub, die Angst ist zurück. Wenn man sieht, dass ausgerechnet ein 35-jähriger Emir Spahic, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, der einzige Spieler ist, der tatsächlichen Ehrgeiz entwickelt, so möchte man brechen .

Nur mit Talenten geht es nicht.

Leverkusen hatte vor einer Woche einen Altersdurchschnitt von knapp 23 Jahren, Hoffenheim gestern von 23,3. Der HSV dagegen bewegt sich beständig knapp unter der 28-Jahre-Grenze, die Ergebnisse sollte jeder kennen. Aber es nicht nur die sportliche und finanzielle Ausweglosigkeit, in die Herr Beiersdorfer mit seinen großkotzigen Rentner-Transfers den HSV gebracht hat, es ist die perspektivische. Würde man Spielern wie Feka, Köhlert oder anderen Nachwuchsspielern ihre Fehler verzeihen, so verzeiht man sie Spielern wie Hunt, Lasogga und Djourou nicht mehr. Zu Recht. Für die Gehälter muss man einfach mehr erwarten können als den nächsten Abstiegskampf.

Aber, wie gesagt: Ehrgeiz ist nicht vorhanden, wird nicht gefördert und vor allem nicht vorgelebt. Die Spieler mit Ehrgeiz, die mehr aus sich und ihrer Karriere machen wollten, haben den Verein längst wieder verlassen. Viel Erfolg bei Vereinen, die etwas reißen wollen, Sonny, Hakan und Jona.

Passend zu alle dem dann noch die letzte spektakuläre Verpflichtung aus den Assessment-Center des Verbrennungs-Didi – der neue „Legenden-Betreuer“.

http://www.mopo.de/sport/hsv/neuer-job-als–legenden-betreuer–hsv-verpflichtet-reporter-urgestein-matz-23751250

Ich habe darüber nachgedacht, aber ich bin immer noch nicht darauf gekommen. Was genau will der HSV eigentlich mit einem „Legenden-Betreuer“? Was soll Frisuren-Dieter eigentlich machen? Horst Schnoor oder Uwe Seeler interviewen? Und vor allem: Wen interessiert das? Wer will wissen, was Spieler aus den 70er oder 80er Jahren denken oder essen? Für mich klingt das alles nach einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder nach dem Versuch, jemanden, der an gekündigt hatte, ein Enthüllungsbuch über den HSV zu schreiben, ruhig zu stellen.

Auf jeden Fall die nächste rückwärtsgerichtete Maßnahme des Herrn Beiersdorfer.