Irgendwie kommt man sich vor wie im verkehrten Film. Da kommt am heutigen Freitag der Erzfeind aus Bremen nach Hamburg, um den HSV endgültig zurück in den unmittelbaren Abstiegsstrudel zu reißen und die einzige Mannschaft (und der einzige Verein), die sowas wie Zuversicht ausstrahlt ist die, die mit 3 Punkten (und dem schlechteren Torverhältnis) hinter dem Nordrivalen zurückliegt.

Dieses Gefühl zieht sich komplett durch beide Vereine und das ist das tatsächliche Problem des Dinos. Es fängt bereits beim Trainer an. Während Victor Skripnik, in der Vergangenheit oft kritisiert und in Frage gestellt, durch das eindeutige Votum der eigenen Mannschaft gestärkt in die Endphase der Saison geht, wirkt Hamburgs Coach Labbadia ausgelaugt und leer. Das Bild, welches er in der Pressekonferenz vor dem Spiel abgab, hatte nichts von Kampfgeist und Zuversicht, Bruno wirkte resigniert. Wenn sich dieses Gefühl der Ohnmacht auf die Mannschaft überträgt, dann gute Nacht.

Aber auch das Bremer Team selbst strahlt Zuversicht aus. Alle Mann an Bord, überraschend gute Partie gegen die übermächtigen Bayern geliefert, Bremen kommt ohne Angst nach Hamburg. Dagegen ist die Mannschaft des HSV in der wichtigsten Phase des Jahres eine einzige große Baustelle. Bruno Labbadia wird gegen Bremen wohl insgesamt mindestens 4 Spieler auflaufen lassen (Djourou, Hunt, Lasogga, Müller), die nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte sind und sein können. Dieser Zustand jedoch ist komplett selbstverschuldet, denn der Trainer selbst hat es versäumt, das von ihm selbst auf und gern zitierte „Leistungsprinzip“ anzuwenden. Das Thema „Stürmer-Roulette“ (Lasogga/Schipplock/Rudnevs/von Olic ganz zu Schweigen) hatte ich bereits angesprochen, man könnte aber das Gleiche auf die Positionen Innenverteidiger (Djourou/Cleber), Spielmacher (Hunt/Gregoritsch) oder Außenstürmer (Ilicevic/Bahoui/Müller) anwenden. Labbadia hat seine Lieblinge und dieser Umstand fliegt ihm jetzt um die Ohren.

Und die Fans? Die Bremer sind 16. und die Fans initiieren eine Gemeinschaftsaktion. Green/White-Wonderwall und die Anhänger demonstrieren, dass sie zu ihrer Mannschaft stehen. In Hamburg scheint nach zwei Relegationen in Folge die Luft komplett raus zu sein, Fan-Aktionen wie in der Vergangenheit seien „nicht geplant“, so SC-Tapete Horn. Warum auch, wenn der Supporters-Vorturner selbst noch dauergrinsend in der Gegend rumturnt und so tut, als spiele sein Verein um die Euroleague. In Bremen herrscht ein Gemeinschaftsgefühl, während in Hamburg die verbliebenen HSVPLUS-Taliban mehr damit beschäftigt sind, die völlig berechtigte Kritik niederzupöbeln.

Die Fans scheinen zwischen gelähmt und gleichgültig zu sein, wen wundert’s? Nicht nur die bocklose Performance der Mannschaft und der mittlerweile blutleere Auftritt des Trainers frisst die Seele auf, auch die dauerhaft abgetauchte Vereinsführung lässt Anhänger und Fans im Regen stehen und ist mehr damit beschäftigt, Kalendersprüche abzusondern oder sich Bärte wachsen zu lassen. Die Exzellenzen geben seit nunmehr 2 Jahren exakt das Bild ab, welches die Mannschaft auf dem Rasen umsetzt. Gleichgültig, ohne Ziele und Initiative, wird schon alles irgendwie.

Wie gleichgütlig und dämlich man tatsächlich agiert, zeigt der Umstand, dass man am Tag vor dem Derby doch tatsächlich eine Aufsichtsratssitzung angesetzt hat, bei der auch Vorstandsboss Beiersdorfer zum Rapport musste. Was für ein Zeichen von Zuversicht.

Das Momentum, die Tendenz spricht komplett gegen den HSV, der vier der letzten fünf Spiele verlor und inzwischen eine eklatante Heimschwäche an den Tag legt. Gerade mal 4 Siege aus 15 Heimspielen, die Bilanz eines Absteiger. Und während in den vergangenen Jahren das Erreichen und Überstehen der Relegation als Erfolg gefeiert wurde (inkl. lächerlicher T-Shirts), ist der langsame und unaufhaltbare Niedergang eine Katastrophe. Diesmal ist man nicht der Jäger, man ist der Gejagte und wenn sich die Bremer heute Abend nicht allzu blöd anstellen, sollte sie die Ohnmacht des HSV ausnutzen können.

In Hamburg geht die Angst um, die sich nach einer Heimniederlage gegen Werder in Panik umwandeln würde. Dabei hat der Verein die Chance auf die letzte Patrone (Trainerwechsel) 3 Spieltage vor Schluss nicht mehr zur Verfügung. Die Schonfrist ist endgültig vorbei und egal, wie die Saison ausgeht, nach dem 34. Spieltag muss etwas geschehen. Ich jedenfalls habe auf dieses „Gedulds-Gelaber“ keinen Bock mehr.