Na schön also. Offenbar wurde das von einigen durchaus akzeptierte Saisonziel, die dritte Relegation in Folge zu verhindern, erreicht – spätestens heute Abend dürfte der HSV offiziell die Klasse gehalten haben. Für viele Fans ist dies jedoch keinesfalls ein Grund, in Euphorie auszubrechen, denn sie erkennen, dass die oft und gern herbei geredete Weiterentwicklung schlicht und ergreifend nicht existiert. Denn Tatsache ist: Nahezu alle Vereine, die „unten drinstehen“ profitieren von dem Umstand, dass einige der „Großen“ in dieser Saison unterdurchschnittlich performed haben. Beispiele? Während der VfL Wolfsburg in der letzten Saison auf 65 Punkte nach dem 32. Spieltag kam, sind es in diesem Jahr ganze 39 Zähler. Die Gladbacher hatten in der Saison 2014/15 nach 32. Spieltagen 63 Punkte auf der Haben-Seite, jetzt sind es 49. Diese Punkte verteilen sich in dieser Spielzeit auf die „kleineren“ Teams, zu denen inzwischen auch der HSV gehört. So kommt es, dass in diesem Jahr Borussia Mönchengladbach mit 49 Punkten Tabellen-4. sein kann, im letzten Jahr benötige man am gleichen Spieltag noch 9 Punkte mehr für den gleichen Tabellenplatz am gleichen Spieltag.

Insofern ist auch diese ganze Prozent-Rechnerei reinste Schönfärbung und sonst nichts, denn für eine prozentuale Punktesteigerung kann man sich bereits in der Saison 2016/17 nichts mehr kaufen. Dann geht’s erneut bei Null los, was im Grunde auch eine Chance bedeuten könnte, eine Chance für jeden, sogar für den HSV.

Wäre das nicht das verdammte Geld! Der HSV ist nach wie vor klammer als klamm, daran ändert auch der nächste Kredit von Herrn Kühne nicht, denn dieser wurde bereits zur Tilgung der Stadion-Kredite verbraten. Man steht also quasi bei Null und wäre eigentlich darauf angewiesen, den einen oder anderen „Leistungsträger abzugeben, aber wer sollte das denn sein? Die Verträge der Spieler Kacar, Ilicevic, Spahic, Rudnevs und Olic laufen aus und die Akteure müssten ersetzt werden, nur wie? Eigentlich wäre es an der Zeit, den Kader mit eigenen Nachwuchs-Hoffnungen aufzufüllen, aber diese existieren nicht. Aber es kommt noch besser, denn die Verträge mit Adler, Drobny, Djourou, Ostrzolek und Götz laufen 2017 aus und möchte man mit diesen Spielern noch Geld verdienen, dann jetzt. Nur: Wer sollte sich für diese Herren ernsthaft interessieren?

Tatsache ist: Der HSV befindet sich in einer beschissenen Situation, in die er sehenden Auges von den amtierenden Exzellenzen hinein manövriert wurde. Ohne Augenmaß, ohne Vision, ohne den Blick nach vorn wurde ein unterdurchschnittlicher Kader mit einem überdurchschnittlichen Alters-Durchschnitt zusammengebastelt und nun ist der Bock fett. Kein Geld, keine Anfragen, keine sportliche Perspektive, keine Visionen. Aber es wäre nicht typisch deutsch, wenn man sich nicht spätestens jetzt auf die Suche nach dem „Schuldigen“ begeben würde und wer bietet sich da besser an als der Rucksack-geschwächte Profifußballdirektor Peter Knäbel. Der Manager-Neuling aus der Schweiz hat tatsächlich in den letzten beiden Jahren nahezu keinen Fehler ausgelassen und dennoch wäre es deutlich zu kurz gesprungen, wenn man die Gesamt-Misere einzig und allein an seiner Person festmachen würde.

Knäbel würde und wird als Baueropfer platziert und das ist – bei allen gemachten Fehlern – schäbig ohne Ende. Denn die waren Schuldigen sitzen mindestens eine Etage höher und verstecken sich hinter ihrer Unsichtbarkeit (Hilke) oder ihren neu-erworbenen Bärten. Ohnehin wird die erschütternde Rolle des Vorstand-Marketing, der den Niedergang des Vereins seit nunmehr 2011 „erfolgreich“ begleitet, viel zu klein gehalten. Hilke, bisher von Kühne getragen, hat in all den Jahren so gut wie nichts gerissen, dafür umso mehr im Hintergrund gewerkelt. Kombiniert mit einem ahnungs- und führungsschwachen Vorstandsvorsitzenden ergibt dies eine tödliche Kombination.

Die letzten beiden Saisonspiele kann der HSV und seine Anhänger einigermaßen entspannt angehen und betrachten, aber unmittelbar nach Saisonende wird das große Reinemachen beginnen. Sehr sicher.