Aufstellen für Europa, alle Trümpfe in der Hand. Die Ausgangsposition für die damals neue HSV-Führung hätte eigentlich kaum besser sein können. Man hatte nicht nur ein breites Mitgliedervotum hinter sich, man konnte auch auf…

…einen „Experten mit Stallgeruch“ als Vorstandsvorsitzender

…einen erfahrenen Vorstand Marketing

…einen ausgebufften Mediendirektor, der die Hamburger Sportpresse im Griff hat

…einen unkritischen und unterstützenden Aufsichtsrat

…einen direkten Draht zum großen Gönner, der zu vielem bereit war

…sowie ein dürstendes Publikum ohne große Erwartungshaltung zurückgreifen.

Wahrlich keine schlechte Ausgangsposition, damals am 25.05.2014, oder? Okay, die Mannschaft war etwas in die Jahre kommen und deutlich überteuert, aber um das zu beheben, leistete man sich in Hamburg ja schließlich die teuerste Vereinsführung in der Geschichte des Klubs. Eine Saison später, nämlich dann, wenn die hochdotierten Verträge mit Spielern wie van der Vaart, Jansen, Westermann, Ilicevic, Rajkovic auslaufen würden, hätte man, auch Dank der Unterstützung von Klaus-Michael Kühne die Chance, ein echtes Projekt auf die Beine zu stellen. Ein ganzes Jahr Vorlaufzeit, um mit jungen Spielern zu verhandeln, sie von der neuen „Idee HSV“ zu überzeugen. Voraussetzung dabei: Man sollte bestenfalls die Klasse halten.

Das, was dann nach dem ersten „Jahr der Exzellenzen“ raus kam, liest sich wie folgt:

Ekdal (€ 4,5 Mio.), Hunt (€ 3 Mio.), Gregoritsch (€ 3 Mio.), Schipplock (€ 2,5 Mio.), Sakai (€ 0,7 Mio.), Drmic (€ 1,2 Mio. Leihgebühr), Bahoui (ablösefrei), sowie die feste Verpflichtung von Lewis Holtby (€ 6,5 Mio.) Außerdem wurde noch Emir Spahic ablösefrei aus Leverkusen geholt und der Vertrag von Ivo Ilicevic um ein weiteres Jahr verlängert. Der Alterdurchschnitt dieser Spieler beträgt knapp 27 Jahre. Mit anderen Worten:

Nach dem ersten Jahr des „Projekts Neuer HSV“ wurde nicht ein externer Spieler geholt, der jünger als 22 Jahre alt war, die Neu-Profis Feka, Porath und Marcos waren bereits beim HSV unter Vertrag und spielten in der gesamten letzten Saison keine Rolle. Nur mal zum Vergleich: Bei Bayer Leverkusen standen neulich insgesamt 5!!! 20-Jährige in der Startaufstellung und Borussia Dortmund ließ im Spiel gegen den HSV gleich zwei 17-Jährige beginnen. Dies alles mag als Momentaufnahme schon übel genug klingen, ist aber perspektivisch gesehen eigentlich noch schlimmer, denn das „Projekt Neuer HSV“ ist nach 2 Jahren eigentlich schon wieder beerdigt worden.

Denn jetzt, zwei Jahre und € 60 Mio. Transferkosten später, ist ein bestimmter Weg, den man gehen möchte, ist ein Zukunftsprojekt einfach nicht erkennbar, denn man hat sich in Hamburg an die „Lust am Überleben“ gewöhnt. Dies allerdings ist nichts, womit man ambitionierte Jung-Kicker anlocken könnte, denn die wollen eine Vision. Wie oft liest man in Interviews von 18, 20-Jährigen Jungprofis, wenn sie auf ihre Beweggründe für einen Wechsel zu einem bestimmten Verein angesprochen werden: „Das Projekt hat mich überzeugt“.

Welches Projekt sollte denn in den nächsten Jahren in Hamburg überzeugen? Keines, denn es existiert keines. Die Chance auf ein Projekt hatte man vor zwei Jahren und man hat sie verspielt. Man hat aber nicht nur die Chance auf einen echten Neubeginn verpasst, man hat auch inzwischen die Geduld der Fans verspielt. Irgendwann muss dann selbst in Hamburg mal geliefert werden und deshalb kommt man jetzt, zwei Jahre später, auf die sensationelle Idee, sich mit Spieler zu beschäftigen, die nicht im Spätherbst ihrer Karriere stehen, was für eine Idee. Nur leider gibts da ein kleines Problemchen:

Das Geld ist alle und man hat unglücklichweise keine Son’s, Calhanoglus oder Tah’s mehr im Kader. Denn die Chance, Spieler dieser Art, die bereits als 18- oder 19-Jährige 3 oder 4 Mio. kosten, verpflichten zu können, hat man verpasst. Für das Geld hat man, als es noch zur Verfügung stand, lieber Olic’s, Hunt’s, Behrami’s und Schipplock’s geholt und bei denen ist man heute in Hamburg froh, wenn die Verträge auslaufen, denn einen Markt für verdiente HSV-Kicker gibt es nicht.

Was aber eigentlich noch viel schlimmer ist: Die Herren am Ruder haben eindrucksvoll bewiesen, dass sie keine Visionen, keine Ideen und keinen Plan haben und jetzt haben sie auch keine Kohle mehr. Die Kunst für das schwächste Glied in der Kette, Peter Knäbel, soll es also sein, für einen Verein ohne Zukunftsprojekt junge, talentierte Spieler zu holen und das am besten für umsonst.

Na, dann mal los…

P.S. So sieht es übrigens aus, wenn man im letzten Jahr fast abgestiegen ist und nur ein Jahr später die Premier League gewinnt. Glückwünsch nach Leicester.

https://www.youtube.com/watch?v=oJTLjFZd-z0