01.10.2014 – 09.05.2016

Etwas mehr als 19 Monate hielt dann am Ende also das, was auf Dauer halten sollte. Das, was den Hamburger Sportverein wieder ans Licht führen sollte. Das Dream-Team, bestehend aus Karl Gernandt (AR), Dietmar Beiersdorfer (Vorsitz), Bernhard Peters (Strategie) und Peter Knäbel (Profifußball) ist nach nicht einmal zwei Jahren gesprengt, nein, es ist krachend gescheitert. Was vor knapp zwei Jahren aussehen sollte wie der Aufbruch in bessere, alte Zeiten, ist heute nichts mehr als ein abgewrackter Trümmerhaufen, der den Teilnehmern den Lebenssaft aus den Adern saugt und sie in Rekordgeschwindigkeit altern lässt.

Und egal, was die Herren dort gestern, heute und in den nächsten Tagen erklären werden, im Grunde weiß es jeder: Peter Knäbel ist das Bauernopfer, von dem hier in der HSV-Arena bereits mehrfach geschrieben wurde. Er, das vermeintlich schwächste Glied, wurde nun gestern in einer Nacht- und Nebelaktion gefeuert und man wird unmittelbar an die Situation am 15.09.2014 (also knapp 2 Wochen vor Knäbels Amtsantritt) erinnert, als Rettungs-Didi die Herren aus der U23 via SMS in sein Büro zitierte und den überraschten Nachwuchs-Coaches eröffnete („Du bist jetzt Chef-Trainer, du bist jetzt Co-Trainer…“), dass sie in die Bundesliga befördert werden würden.

Wie gesagt, dass war niemand anderes als Dietmar Beiersdorfer, Peter Knäbel saß zu diesem Zeitpunkt noch in der Schweiz. Und ebenso planlos, wie die damalige Demission von Mirko Slomka und die Ernennung von Manic-Joe Zinnbauer über die Bühne ging, kommt einem heute die gestrige Panik-Aktion vor. Man ist erneut und wieder einmal vollkommen unvorbereitet und macht irgendwas, weil man der Meinung ist, man müsste irgendwas machen. Strategie? Planung? Am Arsch.

Für Peter Knäbel wirkt die Entlassung hingegen wie eine Befreiung, denn so ausgebrannt, ergraut und mutlos, wie man ihn und Trainer Labbadia in den letzten Wochen erleben musste, kann das alles keinen Spaß mehr machen. Knäbel wusste, was auf ihn zukommen würde, denn er kennt das Geschäft und ebenso weiß Bruno Labbadia, was auf ihn zukommt, sollte die neue Saison beginnen wie die alte geendet hat. Die Perspektivlosigkeit laugt aus und der Umstand, dass Labbadia von sich aus mit einem vorzeitigen Abgang liebäugelt, ist ein offenes Geheimnis.

Dietmar Beiersdorfer: Wir hatten unterschiedliche Auffassungen von der zukünftigen Ausrichtung des sportlichen Bereichs, dabei ging es vor allem um unsere sportlichen Kernthemen Kader- und Personalplanung, Scouting und Teammanagement. Dabei sind wir zum Entschluss gekommen, dass für beide Seiten eine Trennung das Beste ist.

Nimmt man diese erschütternde Aussage des Vorstandsvorsitzenden, die er gestern via HSV.de verkünden ließ, so nimmt man zur Kenntnis, dass Peter Knäbel mitnichten (nur) wegen verfehlter Transfers gehen musste. Nein, man wirft ihm fehlendes Konzept und mangelhafte Führung vor und man erkennt nach 19 Monaten, dass man sich über die zukünftige sportliche Ausrichtung nicht einig war. Wie genau kann das eigentlich sein? Beiersdorfer selbst hat den Mann doch schließlich eingestellt und bevor man einen hochdotierten Vertrag unterzeichnet, sollte man sich doch wohl darüber unterhalten haben, wohin die Reise gehen soll, oder? Jetzt plötzlich merkt man, dass man unterschiedliche Ziele hatte? Wer soll das denn bitte glauben?

Und: Wer gibt denn eigentlich die Ziele vor? Wer soll eigentlich „führen“? Beiersdorfer wirft Knäbel Untätigkeit vor, dabei ist er derjenige, der jeden Furz aussitzt, bis die Chance vertan ist.

„Die Pfiffe im Volkspark haben uns gezeigt, dass da etwas nicht stimmt, dass wir handeln müssen“ (Karl Gernandt)

Ach so, die Pfiffe waren es also? Hat denn der blonde Vorsitzende auch herausgehört, wem diese Pfiffe galten? Ich jedenfalls habe keine „Knäbel raus“ Sprechchöre vernehmen können, das Publikum pfiff nämlich nicht nur die Mannschaft, sondern die gesamte Führung (und eben nicht nur Peter Knäbel) aus, aber warum? Ganz einfach, weil die Leute die Schnauze voll haben von den Sprüchen und der Selbstgefälligkeit der Exzellenzen. Keine Entwicklung, sportlicher Stillstand, Neuverschuldung, aber große Sprüche. Die Zeit ist abgelaufen und daran ändert auch das Opfer Knäbel nichts mehr. Der Verein bricht auseinander bzw. die Riege der Exzellenzen bricht auseinander und es ist nur eine Frage der Zeit, wann es den Nächsten erwischt. Wann kommt man auf den Gedanken, dass das Konzept mit Hockeytrainer Bernhard Peters, der sich in der Szene benimmt, wie eine offene Hose, gescheitert ist? Noch vor oder erst nach der Entlassung des Cheftrainers?

Von der künstlichen Einigkeit ist nichts mehr geblieben, es regieren die Grabenkämpfe und jeder versucht, so gut es geht die eigene Haut zu retten. Für ein Konstrukt wie den fragilen HSV ist das fatal und kann unmittelbar in den Abgrund führen, denn es kommt schon lange nicht mehr drauf an, wer was kann, sondern wer mit wem kann.

Vor Kurzem hieß es noch aus dem unmittelbaren Umfeld des HSV, die Zeiten der vorzeitigen Vertragsauflösungen seien vorbei. Zwei Tage später musste Knäbel nun gehen. Fakt ist: Vorstand und Aufsichtsrat sind komplett unglaubwürdig geworden, denn – welche Heldentaten müsste Beiersdorfer in Personalunion als Vorstandsvorsitzender und Sportchef vollbringen, um verlorene Glaubwürdigkeit zurück zu erobern? Dieses Szenario existiert nicht, weil es nicht existieren kann.

Gernandt beim NDR: „Ich bin froh, dass wir das letzte Spiel in Augsburg gelassen hinnehmen können. Aber es gibt hier ja auch einen guten Spruch: Man springt immer nur gerade so hoch, dass man übers Hindernis kommt, alles andere ist vergossene Kraft..“

Allein für diese Aussage, die für zahlenden und leidende Zuschauer ein Faustschlag ins Gesicht bedeutet, gehört dieser Mann auf der Stelle abgelöst und aus der Stadt gejagt. Das muss man sich mal vorstellen: Der Mann ist seit 2 Jahren Aufsichtsratsvorsitzender, in den zwei Jahren steht eine Relegation und ein Abstiegskampf in den Büchern. Und unmittelbar nach diesen zwei Jahren erklärt der oberste Kontrolleur, dass er es völlig okay findet, wenn man immer nur soviel tun muss, dass es so gerade eben reicht? Was für ein Wahnsinn und nach dem „durchdeklinierten Tuchel“ die zweite (und hoffentlich letzte) Ausfallerscheinung von 120%-Kuddel.

Fazit: Knäbel ist gefeuert, aber das „Projekt Exzellenzen“ ist gescheitert. Die einzigen Fragen sind:

Wer geht als nächstes bzw. muss als nächstes gehen?

Wie lange gucken sich Herr Kühne und die Mitglieder diese Katastrophe noch an, bevor er/sie handeln?

Wer wäre bereit, den von Beiersdorfer und Gernandt errichteten Trümmerhaufen wieder aufzubauen?

Nur mal so zur Einschätzung, wie dort im exzellenten Bereich miteinander umgegangen wird:

Der HSV spricht in seiner Stellungnahme von einer einvernehmlichen Trennung. Doch davon kann keine Rede sein. Knäbel trifft das Aus mit voller Wucht. Nachdem das Abendblatt bereits vor zwei Wochen berichtete, dass der Sportchef beim HSV auf dem Prüfstand steht, suchte Knäbel in der vergangenen Woche den direkten Weg zum Vorstand und fragte nach seiner Zukunft. Die Antwort: Er stehe nicht zur Diskussion.

Bis zum Freitag vor dem Spiel gegen Wolfsburg hatte noch kein Vereinsverantwortlicher mit Knäbel über dessen Zukunft gesprochen. Dabei hatte sich der Vorstand zu diesem Zeitpunkt nach Abendblatt-Informationen schon längst mit einem möglichen Nachfolger und dem Namen Horst Heldt beschäftigt.

(Quelle: Abendblatt.de)