Die Tatsache, dass die Demission von Profifußball-Direktor Peter Knäbel lediglich das erste Bauernopfer darstellte, sollte mittlerweile auch dem letzten eingeleuchtet haben, denn ganz offensichtlich ist Herrn Kühne der Kragen geplatzt. Keine Ahnung, was die Reaktion, eine Woche vor Ende der regulären Saison tatsächlich herbeigeführt hat, aber sie ist deutlich erkennbar. Kühne hat den Glauben in die Exzellenzen verloren, zu recht verloren, denn nach seinen Maßstäben hat er es auf wirklich alle erdenklichen Arten versucht. Er hat es mit stiller Teilhabe versucht (Anstoss³),  er hat es indirekter Einflussnahme versucht (Kreuzer, Slomka, van der Vaart) und er hat es mit kaum versteckter Einflussnahme versucht (Gernandt). Keine dieser Maßnahmen hat nachhaltig gegriffen und ebenso wie dem HSV, so läuft auch einem mittlerweile 79-Jährigen die Zeit davon.

Jetzt möchte der Wahl-Schweizer noch einmal, ein letztes Mal, wirklich angreifen und entsprechend macht er nun Tabula Rasa (und zwar anders, als es sein Zögling Karl Gernandt im Sommer 2014 ankündigte). Kühne hat sich, aus seiner Sicht, Experten als Berater ins Boot geholt und ob er mit der Auswahl dieser Berater richtig gelegen hat, wird die Zeit zeigen, denn auch die Herren Calmund und Struth sind in der Szene alles andere als unbeschriebene Blätter. Das Problem ist nur: Auf wen soll sich der Milliardär denn verlassen? Er selbst ist zwar begeisterter Fußball-Fan, aber eben nicht mehr. Und das Vertrauen, welches er in den letzten zwei Jahren in die handelnden Personen im Volkspark gesetzt hat, haben diese mit Füßen getreten und zwar alle. Ist man einmal ehrlich, so hat wirklich nicht eine der Exzellenzen die in ihn gesetzte Erwartung auch nur im Ansatz erfüllt und das schließt den Aufsichtsratsvorsitzenden mit ein.

Eine kurze Bemerkung sei mir an dieser Stelle erlaubt: Die Art und Weise, wie Herr Calmund gestern bzw. vorgestern nun aber wirklich jedem Medium Rede und Antwort stand, interne Details in der ihm eigenen Art ausplauderte und sich selbst als den neuen (heimlichen) HSV-Boss präsentierte, fand ich unter aller Sau. Das alles hätte man im stillen Kämmerlein klären können, hinter verschlossenen Türen, aber das ist nicht Calmunds Art. Er liebt die große Bühne, auf der er seine Lebensgeschichten zum Besten geben und Details aus seinen Befindlichkeiten eröffnen kann, die kein Schwein interessieren. Aber der Mann redet nun mal gern und viel und ob ausgerechnet er jetzt derjenigen sein kann, der als Ratgeber funktioniert, nachdem er 10 Jahre aus dem Geschäft ist, darf bezweifelt werden.

Eines ist aber nach Calli’s Medien-Attacke klarer als Kloßbrühe, die bisher handelnden Personen in der Führungsspitze des HSV sind ab heute nur noch bessere Erfüllungsgehilfen und wollen sie auch nur einen Teil ihres Gesichts wahren, sollten sie von sich aus die Reißleine ziehen. Und, damit keine Zweifel auftreten, damit meine ich wirklich alle, vielleicht mit Ausnahme Karl Gernandt, denn irgendjemand muss ja die neue Führung einstellen.

Dietmar Beiersdorfer hatte in dem Moment verloren, in dem er Peter Knäbel auf Anweisung von oben vor die Tür setzte. Wahrscheinlich hätte es ihn seinen Job gekostet,wenn er sich geweigert hätte, aber damit hätte er zumindest signalisieren können, dass er bis zum Zeitpunkt seiner Entlassung selbstbestimmt ist, aber dieser Zug ist abgefahren. Auch Bernhard Peters Zeit sollte vorbei sein, dafür hat der Mann intern und extern ein zu schlechtes Bild im Sinne des Hamburger Sportvereins abgeliefert. Nur das Personal aufstocken und Power Point-Präsentationen malen reicht dann am Ende doch nicht.

Eine ganz entscheidende Frage wird sein, wann sich der HSV von Bruno Labbadia trennt, denn auch der Trainer hat leider nicht nachweisen können, dass er a. Eine Mannschaft weiterentwickeln kann und b. Junge Spieler integrieren kann. Dies aber wird man vom (neuen) HSV-Trainer erwarten müssen, denn es wird ein elementarer Bestandteil der neuen HSV-Philosophie sein müssen. Auf jeden Fall scheint es nahezu ausgeschlossen, dass Labbadia auf dem Trainerstuhl bleibt, sollte man im Verein tatsächlich alles auf links drehen. Denn dann ist man sich auch im Klaren darüber, dass die Position des Übungsleiters zumindest im sportlichen Bereich die wichtigsten ist.

Apropos Philosophie. Auch hier wären Kühne und friends gut beraten, ein für allemal klar zu stellen, wofür dieser Verein wirklich steht. Dieses verdrehte Leitbild jedenfalls kann es nicht sein, auf jeden Fall sollte man aber zumindest nach dem eigenen Leitbild verfahren und auch das haben die aktuellen Machthaber eindrucksvoll bewiesen, nämlich, dass sie es nicht tun. Diese Herren sind auf wirklich jedem Feld nachhaltig unglaubwürdig geworden und sollte das große Reinemachen nun tatsächlich beginnen, so sollte dringend das getan werden, was man bereits 2014 hätte tun sollen. Vorsitz, Marketing, Medien, Nachwuchs – alles muss neu. Der HSV machte 2014 den fatalen Fehler, den Neubeginn nicht auf komplett neue Füße zu stellen, sondern jahrelange Strippenzieher im Amt zu belassen, diesen Fehler sollte man nicht erneut begehen.

Und einen weiteren Fehler sollte man ebenfalls dringlich vermeiden: Bitte kein Rückhol-Aktionen mehr. Bitte keine ehemaligen Vorstände, Trainer, Berater oder ehemalige Spieler in neuen Funktionen (nein, auch du nicht Cello, so sehr du dich auch gerade via Facebook anbietest). Neue, externe, unvorbelastete Mitarbeiter müssen her. Führungskräfte, die vielleicht nicht die Raute am Hintern, aber dafür ein Resthirn haben. Führungskräfte, die keine Leichen im Keller und keine alten Rechnungen zu begleichen haben. Fachleute, die sich nicht scheuen müssen, unbequeme Entscheidungen zu treffen und die keine jahrelangen Seilschaften zu hiesigen Journalisten pflegen.

Was die Auswahl neuer Spieler betrifft, so kann ich Herrn Kühne nur empfehlen, sich das Beispiel RB Leipzig anzuschauen. Dort werden nahezu ausnahmslos Spieler zwischen 18 und 23 Jahren verpflichtet, es existiert eine Gehalts-Obergrenze, wer mehr verdienen möchte, muss woanders hingehen. Wer aber das Projekt RB Leipzig mitgehen will, den erwartet ein top-geführter Verein und das ist es, was der HSV bis jetzt nicht bieten kann.

Einen top-geführten Verein und ein Projekt, an dem man (Spieler) mitarbeiten wollen. Hamburg ist unter Beiersdorfer mehr denn je die Wohlfühloase für Spieler im Spätherbst ihrer Karriere geworden, die mit wenig Leistung nochmal gut verdienen wollen, damit muss endlich Schluss sein!

Viel Erfolg, Herr Kühne. Und Danke.