Vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass ich eine andere Saison gesehen habe. Vielleicht habe nur ich gesehen, dass der Hamburger Sportverein von 17 Heimspielen lediglich müde 5 siegreich beenden konnte. Vielleicht habe nur ich bemerkt, dass der Verein in der Rückrunde lediglich 19 Punkte holte, exakt einen mehr als Absteiger VfB Stuttgart und Relegations-Teilnehmer Eintracht Frankfurt. Und dies auch nur deshalb, weil die Spieler des letzten Gegners, FC Augsburg, noch Ballermann-geschwächt angetrunken über den Platz torkelten.

Vielleicht gibt es tatsächlich welche, die angesichts von knapp € 60 Mio. Transfer-Investitionen allein in den letzten beiden Jahren mit einer solchen Bilanz zufrieden sind, ich bin es nicht und ich kenne noch jemanden, der es nicht ist. Denn tatsächlich sind die inzwischen vielfach abgefeierten 41 Punkte ein Muster ohne jeglichen Wert, weil man eben jede Saison für sich betrachten muss und eine angebliche „Entwicklung 27-35-41“ schlicht und einfach kompletter Schwachsinn ist.

15 – 7 – 16 – 16 – 10

Dies sind die Zahlen, die man durchaus näher betrachten sollte, denn sie spiegeln das wider, was das Hauptproblem dieses Vereins war und ist.

Kein Anspruch – keine Leistung – kein Erfolg

Nachdem mit Bernd Hoffmann der letzte Führungsoffizier von Bord ging bzw. gehen musste, herrscht in diesem Verein eine Atmosphäre der Selbstgefälligkeit und der Selbstzufriedenheit. Ein Leistungsgedanke, eine Idee davon, wie man den Verein wieder nach oben bringen könnte, existiert schlicht und ergreifend nicht, weil er nicht existieren muss. Es ist doch auch so alles wunderbar, so lange man eben nicht absteigt. Das Gehalt kommt pünktlich, man lebt in einer lebenswerten Stadt mit reichlich guten Autohändlern und Tattoo-Studios und Druck gibt es keinen. Nein, es gibt in der Tat keinen Druck, weder von innen (Vorgesetzte) noch von außen (Fans, Medien), denn alle haben sich an die Situation gewöhnt und alle sind damit scheinbar zufrieden. Ab und an mal ein emotionales Spiel gegen Bremen oder einen Ex-Spieler, dann passt das schon.

Olic: […]Sportlich war es falsch, als Spieler zurückzukommen. Aber es war die richtige Entscheidung für meine Familie.[…]

Mickel: […] Hamburg ist ihm und seiner Familie ans Herz gewachsen: „Die Augen meiner Frau haben geleuchtet, als ich ihr erzählt habe, dass wir wieder nach Hamburg gehen könnten.“ […]

Muss ich eigentlich noch mehr sagen bzw. schreiben? Diese beiden Aussagen sprechen Bände, denn sie offenbaren die wahren Beweggründe für einen Schritt zum HSV oder sollte ich besser sagen, nach Hamburg. Der sportliche Aspekt steht jedenfalls nicht an erster Stelle und ein 27-jähriger Mickel möchte lieber in der U23 des HSV in der Regionalliga vierter Torhüter sein, als bei einem Zweitligisten als Nr. 2 den Kampf um die Bude aufzunehmen, vielleicht in Sandhausen oder Heidenheim?

Das Problem ist: Dieses Genügsamkeits-Geschwür hat sich in der Ära Jarchow entwickelt („wir müssen sparen“) und sich in der Ära Beiersdorfer rasant vergrößert. Sprüche von oben wie „in 7-10 Jahren wollen wir dann….“ geben den Spielern das perfekte Alibi, um nur dann 100% abzurufen, wenn es lichterloh brennt.  Selbstgefällige, selbstzufriedene Aussagen von Funktionären und Spielern (Djourou), der tatsächlich nach der letzten Schweine-Saison meinte, dass mit etwas Glück auch Europa möglich gewesen wäre, schlagen größtenteils ganzen Fass-Kolonnen die Böden aus. Wie kann man sich bloß so dermaßen in die eigene Tasche lügen?

Das größte Hindernis für eine tatsächliche Entwicklung ist vorgelebter Unterdurchschnitt und dieser geht vom Vorstandsvorsitzenden direkt aus. Beiersdorfer verkörpert mit all seiner Art zu Reden, mit seiner Körpersprache, mit seinem hilflosen Gestammel das leibhaftig gewordene untere Mittelmaß und exakt das ist es, was seine Mitarbeiter quer durch den Verein am Ende des Tages abliefern. Warum auch nicht? Warum sollte ein Angestellter denn auch Lust auf Höchstleistung haben, wenn ihm seine Chefs jeden Tag demonstrieren, dass es auch mit viel weniger geht.

Wie krank der zufriedene Blick auf die sensationellen 41 Punkte sind, verdeutlicht doch die Tabelle selbst. Denn eigentlich könnten selbst die Bremer sagen, dass man als Tabellen-13. einen sicheren Platz im unteren Mittelfeld erreicht habe, oder? Der Umstand, dass die Bremer bis zur 88. Minute auf dem Weg in die Relegation waren, wird in wenigen Wochen vergessen sein und dann steht dort nur noch die 13.

Beim HSV aber lügt man sich weiterhin in die eigene Tasche und die Stupor der Leistungsentwicklung wird angenommen und toleriert. So lange die Medien das Spielchen mitspielen, wird ein Teil der Anhängerschaft stillhalten und so lange wird weiter gepennt, das ist mal sicher. Warum denn auch nicht, wenn es keinen Grund gibt? Ist doch alles supi und die Mannschaft entwickelt sich und man macht kleine Schritte und man ist auf einem langen Weg und man hat Prozesse angeschoben und bla bla bla. Alles Sprüche von Verlierern, die es sich schön bequem gemacht haben.

Fakt ist: Eine Mentalitätsveränderung ist mit diesem Führungspersonal nicht vorstellbar, aber eine Mentalitätsveränderung muss kommen, dringend kommen. Dies hat nun auch derjenigen verstanden, der schon längst die Musik bezahlt und nun auch bestimmen will, was gespielt wird. Spätestens nach Calmunds Medien-Offensive ist klar, dass Beiersdorfer nur noch Frühstücksdirektor und Befehlsempfänger ist und dieser Zustand ist auf Dauer nicht haltbar. Wie soll man sich eigentlich die anstehenden Verhandlungen vorstellen, die Berater, Spieler und Funktionäre anderer Vereine lesen auch Zeitungen. Jeder mit einem Resthirn weiß, dass Didi nichts mehr zu melden hat, also warum noch mit ihm verhandeln.

Für den HSV ist dies eine fatale Situation und eine schnelle Entscheidung über die Zukunft des Führungspersonals muss dringend erfolgen. Damit kann es nicht bei dem Bauernopfer Knäbel bleiben, das weiß auch Herr Kühne. Calmund ließ neulich verlauten, dass sich Herr Kühne „nicht länger verarschen lassen will“ und die Frage ist – von wem verarschen lassen? Doch wohl nicht von Marionette Knäbel.

Noch was. Gestern spielte der HSV eine Art Testspiel gegen einen Landesliga-Absteiger aus Celle, ich habe mir Teile dieses Spiels tatsächlich angesehen. Wenn man beobachten muss, dass dort Einkommens-Millionäre wie Diekmeier von übergewichtigen Amateuren nass gemacht werden und wenn man dann im Anschluss liest, dass HSV.de findet, dass dies ein „Erfolgreicher Start in die Testspielwoche“ gewesen sein soll, dann könnte ich in die Tischkante beißen. BILD Sport-Hamburg twitterte dazu: „2. Halbzeit, der HSV gibt Gas“. Ehrlich, ich habe keine Ahnung, wie tief die Ansprüche eigentlich noch sinken sollen. Ich stelle mir eine derartige Vorstellung gerade in Dortmund oder München vor und hörte dabei die Stimmen der Herren Sammer und Tuchel. Meine Fresse nochmal.

Die BILD veröffentlicht heute einen Artikel mit der Headline:

HSV-Neuzugang Wood – „Mein Ziel ist es, nicht abzusteigen“

Houston, wir haben ein Problem. Ein großes Problem.