Das Ende eines gescheiterten Projektversuchs.

Spannende Zeiten beim Hamburger Sportverein, oder? Der eine sagt Hü, der Andere lässt Hot verkünden, aber einig ist man sich schon längst nicht mehr. Um aber tatsächlich verstehen zu können, was in dieser, für den HSV bei Weitem nicht so positiven Phase, wirklich hinter den Kulissen passiert, muss man begreifen, welche „Mächte“ dort gerade miteinander ringen, welche Intentionen die unterschiedlichen Fraktionen antreiben und wie unterschiedlich diese verschiedenen Parteien die aktuelle und auch die zukünftige Ausrichtung des Vereins beurteilen. Es ist die Schlacht der zwei Heere…

Da ist auf der eine Seite die Fraktion der Brachial-Reformer, angeführt vom Mäzen des Klubs, Klaus-Michael Kühne. Kühne ist Wirtschaftskapitän, Milliardär, Visionär, Macher – aber eines ist er nicht: Kühne ist kein Fußball-Experte und er weiß das sehr genau. Der ältere Herr aus der Schweiz ist glühender Fan mit SKY-Anschluss, der sich in seinem Experten-Wissen und seiner Marktkenntnis von keinem anderen 79-Jährigen mit SKY-Anschluss unterscheidet. Im Gegensatz zu seinen Fußball-begeisterten Altersgenossen jedoch weiß KMK, dass ihm der komplette Durchblick in die Materie fehlt und was machen Menschen mit seiner Intelligenz? Sie holen sich Expertenrat ein.

An dieser Stelle möchte ich all diejenigen, die sich einzig und allein dafür interessieren, ob Gandalf jetzt kommt oder nicht, vorwarnen und ihnen empfehlen, nicht weiter zu lesen.

Aber weiter im Text. Kühne holte sich also externen!!! Rat von Fachleuten ein, aber warum? Wenn ich doch innerhalb des Vereins hochbezahlte Experten wie Beiersdorfer, Knäbel, Peters, Hilke, Labbadia und Co. vergütet, wofür benötige ich dann Rat von Außen? Die Antwort ist relativ leicht herzuleiten – weil ich den „eigenen“ Experten nicht mehr traue. Nach nunmehr zwei Jahren hat der Logistik-Unternehmer schlichtweg die Schnauze voll, es reicht ihm. Obwohl er im Laufe der letzten 6 Jahre an die € 80 Mio. in den Verein gepumpt hat, entwickelt sich sein Herzensklub aus seiner Sicht rückwärts und das kann ein Macher wie Kühne nicht mehr länger akzeptieren. Es muss also etwas geschehen und es muss schnell geschehen, denn mit 79 Jahren weiß man, dass die Zeit begrenzt ist. Insofern kommen wir zu Problem Nr.1.

Im Grunde kann der HSV nur gesunden, wenn man endlich einen praktikablen und gangbaren Weg geht, der die intensive Nachwuchsförderung, den Ausbau des eigenen Scoutings und das Setzen auf junge, hungrige Spieler mit Entwicklungspotenzial beinhaltet. Dies aber ist aus der Sicht eines fast 80-Jährigen Firlefanz, er möchte geile Spieler in seinem Verein sehen, er möchte schnellen Erfolg sehen. Was hat er davon, wenn der HSV in 7 oder 8 Jahren einen neuen Tah produziert? Von seinem Geld? Mal ehrlich – wer von uns würde es anders machen?

Tatsache: Geht der HSV im Jahr 2016 diesen Weg (und ihm wird nichts anderes übrigbleiben), dann beerdigt der Verein all das, was man vor zwei Jahren einmal vorhatte, man kann im Grunde das für viel Geld aufgesetzte Leitbild an Ort und Stelle verbrennen. Eigentlich kann man sich sogar den Campus sparen, denn „Talente“ werden ab sofort wieder von außen eingekauft.

Zurück zur Fraktion der Radikal-Reformer. Irgendwie ist es Reiner Calmund gelungen, das Vertrauen eines Mannes zu gewinnen, der chronische Probleme mit Vertrauen hat. Seit frühester Jugend ist es Klaus-Michael Kühne gegeben, anderen Menschen gegenüber misstrauisch zu sein, denn woher weiß ein Mann mit seinem Kapital und seiner Machtfülle, ob der derjenige, der sich ihm „anbietet“, nicht doch nur hinter seiner Kohle her ist? Calmund hat es geschafft und Calmund findet das genial, denn Calmund ist schön längst kein Fußball-Experte mehr. Der dicke Calli ist eine One-man-show, die man buchen kann.

http://www.reinercalmund.de/

Der Man redet viel und er redet viel unnützes Zeug, aber scheinbar vertraut ihm Kühne. Das Calmund die ganze Veranstaltung mitmacht, um seinem Freund Klaus oder gar dem HSV einen Gefallen zu tun, darf ernsthaft bezweifelt werden, denn mit seiner ungebrochen Medien-Offensive schadet er der Sache und dem Verein mehr als jede Transfer-Spekulation. Aber weiter. Der Nächste im Bunde, von Calmund großzügig ins Boot geholt, ist der umtriebige Volker Struth, seines Zeichens Spielerberater. Der Mann vertritt Kicker wie Toni Kroos, Mario Götze, Marco Reus und Benedikt Höwedes, aber auch Spieler wie Josip Drmic, Dennis Diekmeier, Ivo Ilicevic und Zoltan Stieber.

http://www.transfermarkt.de/sportstotal/beraterfirma/berater/199

Wer nun die Szene ein wenig kennt, der weiß, dass Spielerberater vieles tun, aber sie tun garantiert nichts aus purer Gefälligkeit, weil ihnen langweilig ist oder weil sie ein gutes Herz haben. Spielerberater sind Dealer, sie drehen das große Rad und verschieben unfassbare Summen. Wenn ein Mann wie Struth sich bei Herrn Kühne als Berater verdingt, dann hat das einen Grund und dieser Grund ist für Struth garantiert nicht zum Nachteil. Problem ist nur: Alle anderen Spielerberater gehen auf Abstand und werden ausgesprochen einsilbig, wenn einer von ihnen plötzlich in seine solche Position gelangt ist, denn der Mann hat einen nicht zu unterschätzenden Informations-Vorteil.

Also, wir haben hier Gruppe A, bestehend aus Kühne, Calmund und Struth. Diese Gruppe hat möglicherweise unterschiedliche Beweggründe, aber am Ende zählen nur die Motive des Geldgebers und dieser möchte: Schnellen Erfolg, coole Spieler, geilen Fußball. Punkt. Und er möchte vor allem eines: Er möchte entscheiden, wer diese Spieler sind.

Auf der andere Seite des Schlachtfeldes sehen wir die Posten-Verteidiger. Diese Gruppe besteht im Wesentlichen aus den Herren Beiersdorfer und Labbadia, nachdem mit Peter Knäbel der erste Bauer bereits geopfert wurde. Diese Herren wissen im Grunde bereits jetzt, dass ihre Zeit beim HSV abgelaufen ist und nun gilt es, aus der verbleibenden Zeit so viel wie möglich für sich selbst rauszuholen. Jeder weiß, dass Beiersdorfer nur noch proforma zu den Gesprächen gebeten wird, zahlreiche Berater empfinden es schon jetzt als unsinnig, überhaupt noch mit ihm zu reden. Was die aktuelle Situation betrifft, so hatten Beiersdorfer und Labbadia (noch zusammen mit Knäbel) garantiert bestimmte Vorstellungen, wie das Team der nächsten Saison auszusehen hätte, aber diese Pläne können sie nun komplett in die Tonne treten, denn sie bestimmen nicht länger, wer kommt und vor allem – wer geht.

Für die Kaderplanung der Saison 2016/17 ist die derzeitige Situation fatal, denn – wer spricht eigentlich noch für den Verein? Welche Absprachen gelten noch? Wer entscheidet tatsächlich? Wichtig hierbei ist es zu wissen, dass Kühne nicht nur neue Spieler mit Qualität sehen möchte, er möchte auch gescheiterte Spieler eben nicht mehr sehen und dies können im Zweifelsfall andere sein, als es Beiersdorfer und Labbadia sehen. Was passiert denn nun, wenn Kühne Herrn Beiersdorfer mitteilt, dass er beispielsweise einen Aaron Hunt nicht mehr im HSV-Dress ertragen kann, Labbadia den Mann aber als seinen Spielgestalter positioniert?

Man erkennt unschwer: Diese beiden Gruppen sind nicht miteinander zu verkuppeln, weil einfach ihre Interessen zu unterschiedlich sind. Hinzu kommt, dass der Anführer von Gruppe A (Kühne) die Mitglieder der Gruppe B als gescheitert betrachtet und wie sollte man unter diesen Umständen in Zukunft miteinander arbeiten? Auf der anderen Seite haben Beiersdorfer und Labbadia längst erkannt, dass ihre Halbwertzeit kurz ist, sie sind zahnlose Tiger und das ist in dieser Gesellschaft der Berater fatal. Natürlich versucht man jetzt auf den letzten Drücker noch zu retten, was noch zu retten ist und da kommt ein gesteuertes Interview mit einem befreundeten Berater (Linse) gerade recht, der die Vorzüge Didi’s nochmal plakativ herausstellt. Zu spät.

Nehmen wir doch mal an, diese Konstellation hält doch noch eine Weile. Was dann? Schon jetzt werden, sobald auch nur das vage Interesse des HSV an einem Spieler bekannt wird, Vermutungen darüber angestellt, wer denn jetzt der Befürworter des Spielers sein könnte, Gruppe A oder Gruppe B. Ein Jerome Gondorf zum Beispiel kann nur eine Beiersdorfer-Idee gewesen sein, denn der Mann passt nicht in das Beuteschema des Herrn Kühne. Dagegen wird das Interesse an einem holländischen Spieler, der ca. € 6 Mio. kosten würde, garantiert der Gruppe um den Logistiker zugeordnet. Wie lange möchte man dieses Spielchen denn so spielen? Bis alles zusammenbricht?

Fakt ist: Bei allem Engagement hat auch Herr Kühne einen Fehler gemacht, er hat den zweiten oder dritten Schritt vor dem ersten gemacht, vielleicht auch durch die Geschwätzigkeit des Herrn Calmund getrieben. Nachdem Kühne erkannt hat, dass es so einfach nicht weitergeht, hätte er intern für klare Verhältnisse sorgen müssen. Er hätte seinen Stadthalter Gernandt damit beauftragen müssen, die aktuellen Führungskräfte zu entfernen und neues Personal zu installieren, Personal, dem man vertraut und dem man zutraut, mit dem neuen Geldsegen im Sinne des Sponsoren umzugehen. Bedeutet: Beiersdorfer raus, Labbadia raus, Peters raus, Hilke raus. Man hätte informelle Gespräche führen müssen und dann hätte man, wenn man denn mit den Kandidaten Einigkeit erzielt hätte, handeln müssen. Erst dann hätte Kühne selbst kommunizieren sollen, dass er den neuen Machhabern Summe X zur Verfügung stellt, alles hätte bei Null angefangen.

So aber plaudert Showman Calmund fröhlich irgendwelche Summen und Ideen in den Orbit, jeder weiß, dass Kühne die Führungscrew für gescheitert erklärt hat und nun weiß niemand, wer eigentlich aus welchem Grund mit wem spricht.

Das Chaos ist perfekt und die Schlacht kann beginnen…