Der 3. Spieltag der Bundesliga-Saison 2016/17 steht an und beim Hamburger Sportverein hat man eine veritable Trainer-Diskussion. Überraschend? Nein, eigentlich nicht. Und die Tatsache, dass dies nicht überraschend ist, rührt nicht etwa daher, dass man in Hamburg so unglaublich ungeduldig wäre und dass man hier etwas mit Gewalt erzwingen möchte, was technisch gar nicht möglich ist. Mitnichten, denn die aktuelle Diskussion um Trainer Labbadia haben lediglich die zu verantworten, die den HSV-PLUS-Weg nicht gehen wollten. Denn hätte man sich an die Vorgaben der Initiative gehalten, hätten die Verantwortlichen Geduld ohne Ende einfordern können. Junge, günstige Spieler. Entschuldung. Solides, transparentes Management. Alles wäre den Mitgliedern und Fans zu verkaufen gewesen, aber die Exzellenzen haben sich nun einmal für einen anderen Weg entschieden und mit dem müssen sie nun leben.

Anstatt sich an die Ideen der Mitglieder zu halten, schmeißt man mit Geld um sich als wäre es Monopoly-Kohle, investiert Zig-Millionen in abgehalfterte Altstars, vergibt Fremdaufträge ohne Ende und baut einen Verwaltungs-Wasserkopf auf, der in der Liga seinesgleichen sucht. Darüberhinaus begibt man sich in die komplette Abhängigkeit eines launischen Milliardärs und ist allein komplett handlungsunfähig. Kann man alles machen, aber dann muss man halt auch Ergebnisse liefern. Tut man das nicht, bekommt man Druck und dieser ist jetzt da. Zwar noch lange nicht so, wie es werden wird, wenn man gegen Leipzig und in Freiburg nicht punktet, aber man muss genau jetzt etwas zeigen.

Natürlich ist der Trainer das schwächste Glied in der Kette, das ist so und das wird immer so bleiben. Beim HSV ist es besonders auffällig, dass sich außer Bruno Labbadia niemand öffentlich zu den Spielen äußert. Bei anderen Vereinen sieht man einen Heidel, einen Rummenigge, einen Baumann etc. vor den Kameras, beim HSV wird Bruno vor die Linse geschubst, die anderen Granden verkriechen sich. Natürlich nur so lange, bis man mal wieder gewinnt, dann sind sie wieder da. Aber mit dem Verlierer der Stunde möchte sich niemand sehen lassen, es wird einsam um den Darmstädter. Eigentlich muss man als Beobachter nur auf das erste öffentliche Bekenntnis warten (Beiersdorfer: „Der Trainer steht nicht zur Diskussion“), ab dann kann man die Tage zählen.

Aber, wie gesagt, den Trainer selbst trifft nicht die Alleinschuld. Irgendwie erinnert mich Labbadias Situation an einen Rennfahrer, der von seinem Rennstall-Besitzer einen VW Golf (und zwar einen teuren) hingestellt bekommt und dieser verlangt nun, dass er mit der Karre Bestzeiten auf dem Nürburgring hinlegt. Da der Fahrer weiß, dass das nicht möglich ist, macht er eines: Er sucht eine Abkürzung.

Damit kommen wir zum nächsten Thema, der Spiel-Idee des HSV bzw. der Taktik.

„Unser Plan war es, das Mittelfeld zu überbrücken und lange, hohe Bäller auf Michael Gregoritsch zu spielen, damit der weiterleitet oder ablegt. Das war auch bereits die Taktik im ersten Spiel gegen Ingolstadt.  Michael Gregoritsch war vorn unser Zielspieler. Wir wollten dann gut nachrücken, um dem Leverkusener Pressing zu entgehen“ [Rene Adler]

Jetzt mal im Ernst – soll das ein Witz sein? Das ist die Spiel-Idee einer Mannschaft, die in den letzten 2 Jahren für € 90 Millionen aufgerüstet wurde und die mehr als € 50 Mio. pro Saison kostet? Lange Bälle nach vorn dreschen und dann auf den lieben Gott hoffen? Wahnsinn. Bisher dachte ich, diese Spielweise wäre pure Hilflosigkeit aufgrund mangelnder Qualität, aber ich hätte nie damit gerechnet, dass dies die Vorgabe des Trainers sein könnte. Da fallen mir auf der Stelle 2 Fragen ein.

Frage 1: Wenn ich vorhabe, mein Spiel durch lange Bälle in die Zentrale aufzubauen, warum kaufe ich auf dem Transfermarkt dann schnelle, sprintstarke Spieler mit Stärken im 1 gegen 1 (Kostic, Halilovic, Douglas Santos)?

Frage 2: Wie sieht denn der Plan aus, sollte der Österreicher einmal ausfallen?

Bei aller Liebe, aber diese Aussage macht mich sprachlos und sie lässt nichts Gutes für die Zukunft erahnen.

Aber zurück zur Trainer-Diskussion. Sollte Labbadia in absehbarer Zeit gefeuert werden, braucht man naturgemäß einen Nachfolger und auch hier werden bereits einige Kandidaten gehandelt. Doll, Breitenreiter,sogar Martin Jol ist in der Fan-Verlosung. Meine Meinung: Bitte nicht! Bloß nicht schon wieder eine rückwärts-gewandte Rückhol-Aktion eines verlorenen Sohns. Hat man nicht aktuell mit Beiersdorfer das beste Beispiel vor Augen, dass dies der falsche Weg ist? Jeder „Ehemalige“ steht bei den Fans für irgendeine Zeit, für irgendeinen Erfolg und das Begehren, diese Zeit zurück zu holen, ist groß. Man kann aber die Uhr nun nicht einfach zurückdrehen und man sollte es nicht versuchen. So falsch wie es war, mit Zauderer Beiersdorfer den „Experten mit Stallgeruch“ zu reaktivieren, so falsch wäre es, einen Ex-Coach oder Ex-Spieler zu verpflichten. Der HSV muss endlich den Mut haben, etwas Neues zu probieren, anstatt immer wieder alte Fehler zu wiederholen

Als eines der göttlichsten Argumente für einen Ex empfinde ich immer wieder „Er kennt den Verein“, einfach geil. Was genau soll das eigentlich bedeuten, er „kennt den Verein“? Weiß der Mann, wo das Stadion steht? Findet er den Weg von Winterhude in den Volkspark ohne Navi? Kennt er vielleicht noch die eine oder andere Sekretärin, die beim HSV überlebt hat? Warum genau sollte beispielsweise ein Martin Jol, der 2009 das letzte Mal in Hamburg war, den HSV 2016 kennen? Bullshit. Auch ein Breitenreiter (1998), ein Bernd Hollerbach (2004) oder ein Thomas Doll (2007) kennen diesen HSV nicht (mehr). Vielleicht kennen sie Didi aus gemeinsamen Zeiten, aber eben das muss nicht unbedingt gut für den Klub sein.

Nein, das kann und darf der Weg nicht mehr sein, nicht mehr nach der üblen Erfahrung mit Deadline-Didi, dem Verbrenner. Der HSV muss endlich den Mut haben, etwas völlig Neues zu machen. Es gibt Trainer wie Nagelsmann oder Martin Schmidt oder Hasenhüttl, man muss sie nur finden. Zur Not fragt man einfach mal bei Volker Struth, vielleicht hat der noch einen im Angebot.