Manchmal, nein eigentlich ständig, hat man den Eindruck, als wollten nicht nur die Verantwortlichen beim Hamburger Sportverein, sondern auch und besonders die Mitglieder und Fans einfach nicht dazulernen. Jedesmal, wenn es gerade mal nicht so läuft (also eigentlich immer), kommt der Ruf nach irgendwelchen Ehemaligen, die den Karren aus dem Dreck ziehen sollen. Mit diesen „Experten mit Stallgeruch“ denkt man, man könnte substanzielle, strukturelle und generelle Probleme wegwischen und quasi durch die Ernennung des einzig wahren Heilsbringers für den notwendigen Umschwung sorgen. Na klar, das hat ja auch in der Geschichte des Vereins immer wunderbar geklappt.

Angefangen bei Spieler-Rückholaktionen wie Jörg Albertz oder kürzlich Rafael van der Vaart bis hin zu Präsidenten wie „Euch Uwe“ Seeler und Vorstandsvorsitzenden wie Dietmar Beiersdorfer, es ist eigentlich immer in die Hose gegangen. Die „Retter“ konnten die Erwartungen nicht erfüllen, weil sie 1. an den äußeren und inneren Umständen und 2. an der eigenen Unfähigkeit scheitern mussten. So gesehen sollte man doch irgendwann einmal gelernt haben, dass der sogenannte Stallgeruch beim HSV eher ein Gestank des Untergangs ist.

Was ist eigentlich der Grund dafür, dass man beim HSV oft und gern nach Größen der Vergangenheit ruft? Nun, ich schätze, man hofft, dass die EXen den Ruhm vergangener Tagen in die heutige Zeit und am besten in die Zukunft transportieren können, nicht zu vergessen die übergroße Raute, die diese Herren in irgendwelchen Organen mit sich rumschleppen, was für ein Bullshit. Ein weiteres Argument, welches gern angebracht wird lautet: „X kennt den Verein“. Aha, interessant. Nehmen wir als Beispiel doch einmal den aktuell gehandelten Nico Jan Hoogma. Der Holländer machte im Jahr 2004 sein letztes Spiel für den Verein, das ist müde 12 Jahre her. Nicht anzunehmen, dass sich der Klub in dieser Zeit leicht verändert und die meisten Mitarbeiter ausgetauscht hat, oder? Oder bedeutet „kennt den Verein“, dass man ohne die Zuhilfenahme eines Navis den Weg vom Elysee-Hotel in den Volkspark findet?

By the way, wen oder was muss mal als Sportchef eigentlich in einem Verein kennen? Ist es wichtig, dass der neue Kaderplaner weiß, wie die Sekretärin vom Vorstandsvorsitzenden heißt oder wann der Leiter des Museums Geburtstag hat? Wohl kaum. Kennen muss man den Trainer und die Mannschaft und jetzt frage ich mich, auf welchen Meister diese Kriterien wohl zutreffen werden. Richtig, auf keinen. Und deshalb ist es auch vollkommen egal, ob der Kandidat bereits in einmal die Stiefel für den HSV geschnürt hat. Allerdings erwächst aus der Verpflichtung eines „Experten mit Stallgeruch“ ein ganz anderes Problem und das kann man zur Zeit ganz wunderbar an unser aller Verbrennungs-Didi erkennen.

hoogma

Jeder, der schon einmal in einer verantwortlichen Position im Volkspark gewirkt hat, hat eine Vergangenheit. Mag es bei dem einen oder anderen eine, aus sportlicher Sicht, halbwegs vernünftige Vergangenheit sein, die Medaille hat zwei Seiten. Denn über jeden Ehemaligen gibt es nicht nur gute, sondern garantiert auch schmutzige Geschichten zu erzählen und diese werden bei passender Gelegenheit ausgepackt. Vielleicht werden sie auch unter Verschluss gehalten, aber dann hat das Ganze seinen Preis. Sogar ich kenne eine Geschichte über Mijnheer Hoogma, die mir vor vielen Jahren der damalige BILD-Reporter Alexander Laux erzählte und die garantiert nicht nur er kennt.

Ich weiß, ich weiß, ich habe mich vor einiger Zeit für die Verpflichtung des Holländers stark gemacht, doch je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr zweifel ich an der Qualität dieser Idee. Hoogma hat in Almelo bestimmt gute Arbeit geleistet, aber die Umstände in Hamburg sind (u.a. durch den Einfluss der Herren Kühne und Struth) nicht vergleichbar. Außerdem stört mich etwas anderes. Kaum, dass sein Name in Hamburg hochploppt, fühlt sich Hoogma bemüßigt, dieses zu kommentieren.

„Noch gab es keinen Kontakt. Aber wenn die Verantwortlichen sich melden, werde ich mir natürlich Gedanken machen“, sagte Hoogma bei Sport1. „Man muss sich das anhören, und das würde ich tun. Ich würde immer mit dem HSV reden.“ Hoogma ist Sportchef des niederländischen Erstligisten Heracles Almelo.

Warum, frage ich mich. Warum muss man auf der Stelle loshusten? Und eine weitere Frage drängt sich unmittelbar auf: Wie würde ich mich als HSV-Fan fühlen, wenn beim HSV-Sportchef beispielsweise der VFL Wolfsburg anklopft und der Mann auf der Stelle erklärt: „Ich würde immer mit dem VFL reden?“ Sorry, aber für mich hat sich der Mann bereits an dieser Stelle disqualifiziert. Hinzu kommt noch: Sollte der neue Sportchef, wie auch immer er heißen mag, als Ergänzung oder Unterstützung für den krachend gescheiterten und komplett verbrannten Beiersdorfer geplant sein, kann man die Geschichte bereits vor dem ersten Arbeitstag knicken.

Der HSV muss endlich begreifen, dass er so, wie er bisher gearbeitet hat, nicht mehr arbeiten kann. Es reicht nicht, „Tradition“ zu grölen und auch mit der Verpflichtung von Führungskräften in der Vergangenheit zu beginnen. Man muss endlich nach vorn gucken, neue Weg gehen, weil all die alten Wege erkennbar nicht funktioniert haben. Oder wie oft muss das alles noch schiefgehen, bevor es auch der Letzte begreift? Der HSV braucht frisches Blut und neue, unverbrauchte Ideen. Der HSV braucht Führungskräfte ohne HSV-Vergangenheit und ohne HSV-Verbindungen. Denn wer aus grauer Vorzeit HSV-Verbindungen hat, der hat auch Verbindungen zu den Medien und schon beginnt das Spiel von vorn.

Eines kann ich bereits jetzt versprechen: Es werden in den nächsten Tagen und Wochen Leute aus ihren Löcher gekrochen kommen und versuchen, sich in Stellung zu bringen, die man lange nicht (wahrscheinlich seit der Ausgliederung) gesehen und gehört hat. Was ein Wunder, oder? Denn immer noch gilt bei Spielern und Funktionären: Gelingt es dir, dich beim HSV einzunisten, hast du ausgesorgt.