Anfang der Woche passierte in den Räumen des altehrwürdigen Volksparkstadion etwas, was man im Volksmund die „allerletzte Patrone“ oder das Setzen des letzten verbliebenen Chips nennt. Wenn man keinen Ausweg mehr sieht, wenn man merkt, dass einem alle Felle davon geschwommen sind, greift man zum letzten Strohhalm und Aufsichtsratsboss Karl Gernandt hat dies mit Unterstützung des neuen Mediendirektoren-Simulanten Pletz getan:

pletz

Man lud die allerwichtigsten Pressevertreter zu einem sogenannten „Hintergrundgespräch“ ein. Diese erlesene, ausgewählte Runde von angehenden Pulitzerpreisträgern durfte sich dann anhören, was 120%-Kuddel von ihnen wollte. Nur – es gab überhaupt keine Hintergründe zu besprechen, Anlass des Treffen war lediglich, dass Gernandt die Anwesenden um ein wenig mehr Zeit, Geduld und Unterstützung anflehte. „Wir müssen jetzt ganz fest zusammenhalten“, hieß es da. Einige „Kollegen“ sollen anschließend fassungslos den Raum verlassen haben, andere haben Gernandt direkt ins Gesicht gesagt, was sie von der Nummer halten würden.

gernandt

Dennoch, normalerweise bleiben solche Gespräch geheim und man redet nicht drüber. Die Leser (und Hörer) bekommen davon nur insofern etwas mit, dass sich plötzlich der Tenor der Berichterstattung signifikant ändert und die Schreiber wie von Zauberhand Kreide gefressen haben müssen. Selbstverständlich denkt der naive Leser, dass der Autor eines Artikels wohl neue Informationen erhalten haben muss, so dass sich seine zuvor kritische Betrachtungsweise relativiert hätte. Bullshit. Aber, wie gesagt, normalerweise bleiben solche Gespräche intern. Heute nicht.

Unter dem Titel „Wer ist beim HSV dilletantischer“ gibt Sportbild-Chefredakteur und BILD-Kolumnist „Ekel“Alfred Draxler in der heutigen Ausgabe der BILD ungewohnte Einblicke in die Verfahrensweisen.

Karl Gernandt, der Aufsichtsratsvorsitzende des HSV (und gleichzeitig rechte Hand von Investor Klaus-Michael Kühne) lud Anfang der Woche ausgewählte Hamburger Journalisten zum Hintergrundgespräch.

Das Wort „Schulterschluss“ soll gefallen sein und zwischen den Zeilen war herauszuhören, dass man sich eine Art „Schonfrist“ bis zum hochbrisanten Nord-Derby gegen Werder am 26. November wünschen würde.

Solche unverbindlichen Treffen sind in der Politik und auch im Sport nicht unüblich und durchaus legitim.

Im Fall des HSV aber wahrscheinlich ohne Folgen. Man mag dem großen, alten Klub und einigen Personen an der Spitze noch so viel Sympathie entgegenbringen, man muss sachlich feststellen, dass die bundesweit beachtete Suche nach einem Sportdirektor ebenso dilettantisch durchgeführt wird wie die Spiele der hochbezahlten Stars in der Bundesliga (noch kein Sieg nach 10 Spielen).
Im Anschluss an diese Erklärung ledert Draxler richtig los, so wird das Sportchef-Casting ebenso durch den Kakao gezogen wie die Abhängigkeit von Kühne.

„Nummer 5 lebt“, schrieb die „Süddeutsche“ in Anspielung an einen bekannten Science-Fiction-Film von 1986.

Fragt sich nur, wo er lebt, wie er heißt und wie groß die Bereitschaft ist, als letzte Notlösung einzuspringen. Und ob der HSV bis zu einer Einigung nicht schon längst abgestiegen ist. Jedenfalls tun sie alles, aber auch wirklich alles dafür…

(Quelle:http://www.bild.de/sport/fussball/nachgehakt/wer-ist-beim-hsv-dilettantischerspieler-oder-bosse-48809550.bild.html)

Sowohl für den HSV, aber auch und besonders für Gernandt ist dieser Artikel ein Desaster, es kommt einer Hinrichtung gleich, es ist nicht mehr und nicht weniger als eine offene Kriegserklärung.

„Von uns habt ihr Versager keine Hilfe mehr zu erwarten!“ Nichts anderes will Draxler, der als einer der mächtigsten Männer im deutschen Sportjournalismus gilt, damit zum Ausdruck bringen. Auch der Umstand, dass ein solches, normalerweise vertrauliches Gespräch öffentlich gemacht wird, spricht Bände. Keine Deals mehr, ihr seid allein.

Ich hatte von diesem Gespräch unmittelbar im Anschluss an den Termin erfahren, ebenso von den Inhalten und den Meinungen der anwesenden Journalisten. Ich hatte jedoch zugesagt, diese Informationen für mich zu behalten, obwohl ich mir als kleiner Blogger damit einen richtig weißen Fuss hätte machen können. Draxler von der BILD nun knallt die Info raus.

Im Grunde könnte Gernandt heute das Handtuch werfen, er ist enttarnt und der Lächerlichkeit preisgegeben. Interessant könnte jedoch sein, welcher Schmierlappen auf Kuddel’s Bitte eingeht und bis zum Werder-Spiel Jubelartikel veröffentlicht, ich habe da so meinen Favoriten. Allerdings weiß seit heute jeder, was von dem Kollegen zu halten ist.