Ich schätze, dass nicht nur ich nach dem Abpfiff des gestrigen Spiels gegen den SV Werder Bremen dachte: Und nun? Was passiert jetzt? Im Stadion schien es den verbliebenen Zuschauern ähnlich gegangen zu sein, denn nach dem Ende der Partie herrscht gespenstische Ruhe, kaum einer konnte das Ergebnis irgendwie einordnen und wohl noch weniger meinten zu wissen, was jetzt passieren würde. Denn immerhin hatte AR-Boss Gernandt doch vor zwei Wochen so etwas wie ein Ultimatum verkündet, oder? Im Zuge des informellen Gesprächs mit einigen Medienvertretern (die SportBild war zum Beispiel nicht eingeladen) hatte 120%-Kuddel um Geduld und Unterstützung „bis nach dem Bremen-Spiel“ gebeten und tatsächlich hatten sich die üblichen Verdächtigen (Mopo, Abendblatt) wieder einmal kaufen lassen. Schön. Und jetzt?

didi

Wenn man die Arbeit des „Rates der Untoten“ in den letzten 2 1/2 Jahren genauer verfolgt hat, wird man wissen, dass überhaupt nichts passieren wird. Man wird auf die Ergebnisse der letzten beiden 2:2-Spiele verweisen, wird irgendeine imaginäre Entwicklung erkannt haben und wird sich auf die Winterpause vertagen. Denn dann steht das nächste Ultimatum ins Haus, laut Gernandt sollten es bis Weihnachten 12 Punkte sein, sonst….

12 Punkte also. Aktuell hat man von 36 möglichen Punkte stolze 4 nach Hamburg gebracht, es fehlen also nur noch 8 Punkte aus 4 Spielen (der 17. und letzte Spieltag der Hinrunde wird erst Ende Januar gespielt). Nun soll also eine Mannschaft, die aus 12 Spielen 4 Punkte holte, aus 4 Spielen 8 Punkte holen, also 3 Siege aus 4 Spielen, zwei davon auswärts. Krasse Idee, aber wie sagte doch Erfolgscoach Gisdol nach dem gestrigen Spiel?

„Ich bin mit dem Ergebnis unzufrieden. Auf der Leistung der Mannschaft können wir aber gut aufbauen.“

Na gut, aber worauf will der Mann eigentlich etwas aufbauen? Auf die „Zweikampfstärke “ von Briefschreiber Diekmeier? Auf die Slapstick-Künste von Baba Djourou oder darauf, dass Goldmedaillen-Gewinner Douglas Santos nun endlich HSV-Niveau erreicht hat? Vielleicht meint er ja auch die Flanken ins Bundesliga-Nirwana von Rekord-Einkauf und Defensivkünstler Filip Kostic oder die Unbeholfenheit von Gideon Jung. Aber halt, jetzt weiß ich. Man setzt auf die Rückkehr von 1 gegen 1-Gott Rene Adler, auf die des sprintstarken Emir Spahic und natürlich darauf, dass Partykönig Ekdal irgendwann mal wieder laufen kann. Der Umstand, dass all diese Spieler, inkl. Kickboxer Cleber, vor ihren Verletzungen Teil und nicht Lösung des Problems waren, wird gern verdrängt.

Wenn man ehrlich ist, dann gibt es nur einen Grund, warum Stümper Beiersdorfer in der VIP-Loge immer noch grinsen und mit Scherzkeks Gernandt Witze reißen kann (als ich diese Bilder gestern bei SKY sah, dachte ich: diese Typen haben wirklich weniger als nichts begriffen oder es ist ihnen schlichtweg scheißegal):

Die Anderen da unten punkten halt auch nicht regelmäßig. Hätten Ingolstadt, Bremen und Darmstadt zum jetzigen Zeitpunkt bereits zweistellig gepunktet, wäre Beiersdorfer längst Geschichte und genau hier beginnt das Dilemma. Man macht sich bei der Bewertungsgrundlage abhängig von den Ergebnissen anderer. Dies ist die berühmte „Denke der Verlierer“, die im Falle eines Misserfolgs des eigenen Teams immer erwähnen, dass es „bei den Anderen ja auch schlecht läuft“. Was interessieren mich eigentlich die Anderen? Und wenn mich die Anderen schon interessieren, dann sollte ich doch die ganze Wahrheit erwähnen, oder?

Transferausagaben 14/15 bis 16/17

Werder Bremen. Ausgaben: € 32,7 Mio. (Transfersaldo: + € 13,65 Mio.)

Ingolstadt. Ausgaben: € 11,9 Mio. (Transfersaldo: – € 6,35 Mio.)

Darmstadt 98. Ausgaben: € 4,7 Mio. (Transfersaldo: + € 0,41 Mio.)

Hamburger SV. Ausgaben: € 85,4 Mio. (Transfersaldo: – € 49,35 Mio.)

Dies bedeutet, dass der HSV in den letzten beiden Jahren knapp das Doppelte in neue Spieler investiert hat, wie die anderen drei Abstiegskonkurrenten zusammen. Dies bedeutet auch, dass der HSV sechsmal mehr Verlust bei Spielertransfers gemacht hat, als die anderen drei Vereine zusammen. Was für ein Glück ist es da, dass der HSV an seiner Vereinsspitze einen exzellenten Fachmann sitzen hat, der sich in grauer Vorzeit als genialer Sportchef, Talentspäher und Verhandlungspartner erwiesen hat. Und gut, dass man mit dem Trainerwechsel nach dem 5. Spieltag eine der letzten Karten bereits ausgespielt hat, denn nach der Installation von Markus Gisdol wurde ja bekanntlich alles besser.

Der blonde Markus sitzt nun seit 7 Spielen auf der Bank, in dieser Zeit wurden insgesamt 3 von 21 möglichen Punkten geholt und ja, das macht gewaltig Hoffnung. Hoffnung macht auch, wie brachial das spektakuläre Trainingslager in Barsinghausen gewirkt hat, denn immerhin konnte man im Anschluss an das mediale Theater in Niedersachsen einer überragenden Bremer Mannschaft im emotionalisierten Endspiel des Jahres ein Unentschieden abringen. Vergessen wir an dieser Stelle einfach mal die Tatsache, dass die Bremer die letzten vier Spiele zuvor allesamt verloren und dabei 11 Treffer kassiert hatten. Sorry, aber wenn man nicht mal dann,…

Nach diesem Trainingslager

Im Heimspiel gegen den Erzrivalen

Gegen eine angeschlagene Mannschaft mit der schlechtesten Abwehr der Liga

Mit der Gewissheit des Endspiel-Charakters

Nach einem 1:0 in der dritten Minute

….ein solches Spiel gewinnen kann, welches Spiel will man dann überhaupt noch gewinnen? Oder anders gefragt: Worauf warten die Herren im Aufsichtsrat eigentlich noch? Nun, ich kann sagen, worauf sie warten. Sie warten darauf, dass Beiersdorfer von allein geht, was in 10.000 Jahren nicht passieren wird. Sie hoffen darauf, dass irgendjemand oder irgendein Ereignis das Problem für sie löst. Später dann, wenn der Spuk vorbei ist, werden sie sagen: „Wir haben mit der Entscheidung, Beiersdorfer von seinen Pflichten zu entbinden, eindeutig zu lange gewartet“. Darauf gehe ich jede Wette ein.

Ach ja, es gibt tatsächlich keine „gefühlten Siege“. Es gibt nur echte Siege und die bringen drei Punkte, ein Gefühl, welches man beim HSV schon nicht mehr kennen wird, der letzte Dreier in der Bundesliga gelang am 14.05.2016 und das ist mehr als ein halbes Jahr her. Aber nur Geduld, Didi holt jetzt den Todt ins Haus und dann läuft das Ding….