Wie ist das eigentlich so zur Zeit, wenn man beruflich (Journalist) oder Hobby-mäßig (rosa Brillen-Fan) als Heuchler unterwegs ist? Schläft man dann eher gut oder schlecht, wenn man weiß, dass man seit mehr als 2 Jahren einem Dukaten-Phantom hinterher gerannt ist und dabei die Realität komplett aus den Augen verloren hat? Wie ist das, wenn man nach diesen Jahren die eigenen Lügen vergessen kann und umso härter draufhaut? Wo kann man eigentlich diese widerstandsfähigen Fähnchen erstehen, die ihr bei geneigtem Richtungswechsel des Luftzuges einfach mal um 180 Grad anders ausrichtet? Ich könnte auch fragen: Schämt ihr euch eigentlich manchmal, zumindest, wenn ihr allein seid?

Wahrscheinlich nicht, denke ich. Wahrscheinlich werdet ihr euch etwas zurechtlegen von wegen „100 Tage Schonfrist“ oder „man musste ja auch mal Geduld haben“, ich bin mir da ziemlich sicher. Problem ist nur: Auf eurem gerechten Kreuzzug gegen die Frühzeit-Pester habt ihr keinerlei Zurückhaltung gezeigt. Die Heuchel-Fans (die Betreffenden wissen, dass ich sie meine) haben alles kurz und klein gepöbelt, was ihren Didi nicht extrem cool fand und die Heuchel-Presse konnte bis vor wenigen Wochen noch nachweisen, dass Beiersdorfer einen Plan hätte, dass all die teuren Kostic’s und Halilovis’s echte Schnapper wären und die Mannschaft einen qualitativen Quantensprung gemacht habe. Europa, wir kommen und wer das anders sieht ist wahlweise Hater oder ahnungslos.

Von meiner Gattung gibt es unglücklichweise nur wenige, im Grunde gibt es nur zwei oder drei und diese Gattung musste in den letzten Jahren viel aushalten. Zumindest mich hat das nicht gestört, ich weiß ja, warum ich mache, was ich mache. By the way und für alle, die es noch immer nicht verstanden haben:  Nein, ich bin nicht verbittert, ganz im Gegenteil. Warum sollte ich auch verbittert sein, das kann mir irgendwie niemand erklären. Angeblich, weil ich irgendein Interview nicht bekommen habe, aber das kann nicht sein, denn alle Interviews, die ich wollte, habe ich bekommen. Skurril wird es, wenn man vermutet, ich würde nur deshalb auf die Mißstände des Vereins hinweisen, weil ich verbittert wäre. Mit anderen Worten – für die Benennung der Wahrheit muss man zwingend verbittert sein.

Nun, das ist lustig, denn entsprechend dieser Logik müssten ja heute bei einer Reihe der Hüpfer plötzlich und und wie von Zauberhand eine Spontan-Verbitterung eingesetzt haben. Oder doch nicht? Sollte bei all den Neujahrs-Kritikern eine eigenartige Erleuchtung eingetreten sein oder ist es einfach nur schlauer, auf den letzten Metern die Pferde im Galopp zu wechseln, um zum Lager der Richtiglieger zu gehören? Schade ist in diesem Zusammenhang nur eines: Das Internet vergisst nicht. Es vergisst weder die ganzen Münchhausen Scholzens, die Sebastian Wolfs vom Kicker und die Boulevard-Simulanten vom Fisch-Einwickelpapier Morgenpost, allen voran MattLinne Linnenbrügger nicht. Es vergisst aber auch die Krischans aus HB, die Flöte Blödsinns und die Nemo Schandflecks dieser Welt nicht, die bis vor wenigen Wochen ihrem Götzenbild Düdü eine Hängebrücke widmen wollten und ihm nun die Pest an den Hals wünschen. Köstlich, dass man mir Verbitterung nachsagen möchte, während diese Lebens-Versager…aber lassen wir das.

Irgendwie erinnert mich die ganze Szene an die letzten Monate von HSVPlus vor der finalen Abstimmung. Während sich HSV-Arena und Daniel Jovanov von goal.com nach intensiver Analyse und diversesten Gesprächen für die Initiative einsetzten und um Stimmen kämpften, hielten sich die einschlägigen Medien „vornehm“ zurück. Das Abendblatt veröffentlichte kurz vor der Mitgliederversammlung noch Interviews mit Jojo Liebnau und Co. Erst wenige Tage vor der Abstimmung und als erkennbar war, dass man den Zug nicht würde aufhalten können, sprangen sie alle drauf, um anschließend behaupten zu können, sie wären ein Teil der Bewegung gewesen. Ein Scheißdreck waren sie.

Sie machen nur das, was sie immer machen. Die Fähnchen in den Wind halten, bloß nicht anecken, zur Mehrheit gehören. Und jetzt, wo die Mehrheit sich immer mehr in Gegenrichtung zu den Exzellenzen bewegt, wechselt man flugs das Lager, ist ganz einfach. Jedenfalls dann, wenn man kein Gewissen und einen miesen Charakter hat. Man muss sich das einmal bildlich vorstellen: Da stellt man als Journalist fest, dass die Pfeifen in Vorstand und Aufsichtsrat seit Jahren doch nur Käse erzählt und Scheiße gebaut haben und man fängt zaghaft an, darüber zu berichten. Dann lädt der werte Herr Gernandt zum „Hintergrundgespräch“ und am nächsten Tag ist die HSV-Welt für Abendblatt, Kicker, Mopo, für die Herren Laux, Linnenbrügger, Braasch, Wolf, Scholz, Pegelow, Jacobs, Berger und Co. wieder schockpink. Was für einen perversen Charakter muss man haben, wenn man sich so einfach kaufen lässt?

Paradox irgendwie. Mir unterstellt man Verbitterung und besonders diejenigen, die sie mir unterstellen, sind am Ende die, die auf die Leichen eintreten, als gebe es kein Morgen mehr. Ne, Freunde der aussterbenden Dinos, ich bin alles andere als verbittert, ich bin stinksauer.

Stinksauer darauf, was Versager, Profiteure, Abgreifer, Betrüger, Intriganten, Hofberichterstatter und ausgewiesene Charakterschweine aus meinem Verein gemacht haben. Und, sorry, wer darüber nicht mindestens genau so sauer ist wie ich, der tut mir von Herzen leid.

Ein letztes Wort noch zur Einschätzung der (sportlichen) Lage. Markus Gisdol sitzt seit nunmehr 7 Spielen auf der HSV-Bank, auf der Habenseite stehen 2 von 21 möglichen Punkten. Wenn man sich nun vorstellt, dass Gisdol die Saison als Trainer begonnen und der HSV nach dem 7. Spieltag müde zwei Pünktchen gesammelt hätte, stünde der Süddeutsche unmittelbar vor der Entlassung, wenn er nicht bereits längst gefeuert worden wäre. Aber zum Glück ist die Welttruppe ja nun zu einer Einheit mutiert. Heilige Mutter Gottes.