Kommentar

Dietmar Beiersdorfer ist Geschichte. Der Aufsichtsrat, der mehr oder weniger heimlich, in seiner Gesamtheit oder in Teilen, bereits diverse Gespräche mit potenziellen Rettern geführt hat, weiß es und Beiersdorfer selbst weiß es ebenfalls. Seine Auftritte der letzten Tage, als Vorstandsvorsitzender und Hauptverantwortlicher eines Vereins im freien Fall, waren nicht mehr die Auftritte eines Mannes, der sich (noch) Sorgen macht, weder um sich noch um seinen Verein, den er oft und gern als „sein Baby“ verkauft. Mit der offen zur Schau gestellten Überheblichkeit und realitätsfremden Darstellung der Situation reißt der ehemalige „Dukaten-Didi“ niemandem mehr vom Hocker, im Gegenteil. Sein situativ nicht angebrachtes Lachen während eines der diversen Schicksalsspiele, sein arrogantes Grinsen in die Kameras nach dem ersten HSV-Sieg seit Mai dieses Jahres, all das ist das Verhalten eines Mannes, der weiß, dass er mit dem Thema durch ist.

Jetzt gilt es, für die „Zeit danach“ vorzuarbeiten. Jetzt gilt es, die Pfeiler für die Stellungnahmen nach der HSV-Karriere einzuschlagen und die Sätze, die man zu hören bekommen wird, sind so vorhersehbar wie der nächste Abstiegskampf. „Ich hätte gern unsere Arbeit vollendet“, „Ich bin mir sicher, wir hätten den turn around geschafft“, „Von den zahlreichen Prozessen, die wir gemeinsam angeschoben haben, wird der Verein in Zukunft profitieren“. All das wird kommen, muss kommen in einer Welt des Dietmar B., der fern jeglicher Realität immer noch glaubt, er wäre der richtige Mann gewesen. Dass er dies nicht war, lässt sich an diversen Parametern ablesen, er will sie nicht hören, vermutete Kampagnen hinter jeder Kritik.

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Keinerlei sportliche Weiterentwicklung, massive Neuverschuldung, komplette Abhängigkeit von Klaus-Michael Kühne, kein Händchen für Transfers und und und. Über die Außendarstellung des Hamburger Sportvereins muss man eigentlich kein weiteres Wort verlieren, sie ist ein einziges Desaster und hat dafür gesorgt, dass dieser ehemals ruhmreiche Verein im Jahr 2016 im Grunde nur noch für wahlweise Häme, Spott, Mitleid oder Treppenwitze taugt. Hieran ist Beiersdorfer nicht allein, aber maßgeblich verantwortlich.

Aber nicht nur Beiersdorfer ist als Person gescheitert, das gesamte „Projekt Beiersdorfer“ ist ebenso gescheitert wie das „Projekt Experte mit Stallgeruch“. Es reicht im digitalen Zeitalter eben nicht mehr, irgendeinen Ex’en auf irgendeinen Stuhl zu setzen und zu hoffen, dass es irgendwie läuft. Nur, weil man einmal das Trikot des HSV getragen oder irgendein Büro bewohnt hat, taugt man nicht zum Heilsbringer und es wäre dem Verein durchaus geholfen, wenn u.a. diejenigen, die etwas zu sagen haben, dies endlich zur Kenntnis nehmen würden.

Es sei noch ein letzter Satz zu der zweiten Legende neben dem „Dukaten-Didi“ erlaubt, durch dessen Erfindung der Boulevard und die BILD nachträglich mehr Schaden angerichtet hat, als alle Präsidenten des HSV zusammen: Die Legende vom „lieben Didi“. Dieser Mann existiert nicht, Beiersdorfer ist jederzeit bereit, über Leichen zu gehen, wenn es ihm in den Kram passt oder die eigene Position sichert. So geschehen bei Oliver Kreuzer, so geschehen bei Mirko Slomka und Joe Zinnbauer. So geschehen bei seinem Fahrensmann Peter Knäbel, der nach einem kurzen Hinweis aus der Schweiz ebenso emotionsbefreit geopfert wurde wie der verdiente Bruno Labbadia, dem man am Telefon das Aus mitteilte.

Betrachtet man die Zeit unter Beiersdorfer rückwirkend und nimmt als Start den Zeitpunkt des Ausgliederungs-Beschlusses, so muss man zugeben, dass die letzten  2 1/2 Jahre nicht nur verschenkte, sondern auch extrem teure Jahre gewesen sind und in einer Zeit, in der der Schnelle den Langsamen frisst, zählen verschenkte Jahre doppelt. Aus sportlicher Sicht wird die Phase unter Dietmar Beiersdorfer in absehbarer Zeit nicht aufzuholen sein, eigentlich wird sein Nachfolger mit nichts anderem als Schadensbegrenzung beschäftigt sein. Ob ihn während dieser Zeit ein Aufsichtsrat, der in Gänze als Aufsichts- und Kontrollgremium versagt hat, begleiten wird, bleibt ungeklärt, denn auch die Mitglieder in diesem Gremium sind im Grunde nicht mehr tragbar.

Der HSV steht am Ende des Jahres 2016 und am Ende der Beiersdorfer-Zeit sportlich, finanziell und entwicklungs-technisch mit dem Rücken zur Wand und das Einzige, was in diesen Zeit noch für den Verein spricht, ist die unerklärliche Treue seiner Fans.