Gestern nun also Tag 1 in „Bruchhagens Ära beim HSV“, die gesamte Vorstellungs-Pressekonferenz könnt ihr hier noch einmal bewundern.

Ich habe mir die Amtseinführung sehr aufmerksam angeschaut und mir sind einige Dinge dabei aufgefallen, die ich an dieser Stelle gern erläutern möchte. Zuerst einmal wirkte Bruchhagen auf mich wie ein Mann, der seine Hausaufgaben gemacht hat. Besonders die Bemerkung

„Ich muss nicht mit Sätzen kommen: ‚Ich habe die Raute im Herzen, Hamburg ist die geilste Stadt der Welt.‘ Das haben sie doch schon 100 Mal gehört.“

zeigt, dass der neue Vorstandsvorsitzende vor diesem Tag einige Gespräche mit Insidern geführt und vielleicht den einen oder anderen Blog oder die eine oder andere Kolumne gelesen haben muss. Denn mit dieser Aussage tritt er im Kern das, was besonders an dieser Stelle oft und gern thematisiert wurde: Die luxuriöse Wohlfühloase Hamburg, bei dem der neue Hoffnungsträger die rosa Hüpfer in Sekundenschnelle mit den üblichen Floskeln („Raute im Herzen, großer Verein, tolle Stadt, geiles Stadion, beste Fans der Welt bla bla bla) abholen konnte. Bruchhagen hat das nicht nötig, er will das nicht nötig haben. Bruchhagen war sichtlich bemüht, die Mär vom „Experten mit Stallgeruch“ aufzubrechen und ein neues, professionelles, sachliches Klima einzuziehen, sicher fälliger als fällig.

Auch war Bruchhagen bemüht, vom ersten Tag an konsequent mit Gerüchten umzugehen, als er die kolportiere Höhe seiner angeblichen Bezüge ins Reich der Fabel verbannte. Beiersdorfer hätte sich ins Kämmerlein verzogen und die Sache stehenlassen, Bruchhagen zeigt vom ersten Tag an klare Kante. Was nicht stimmt, wird als Mumpitz enttarnt, darauf können sich alle Gerüchtestreuer von jetzt an einstellen. Überhaupt wird die Arbeit für die Freunde von der Presse in Zukunft nicht einfacher, denn Bruchhagen wird nur das preisgeben, was er preisgeben möchte. Bei Impertinenz wird er ausgesprochen ungemütlich, das macht dann keinen Spaß.

Dennoch muss „Herri“ aufpassen, dass er von Anfang an weiß, wem er vertrauen kann und wem nicht. Dies soll übrigens keine vorgezogene Kritik darstellen, lediglich eine Warnung. Ich habe im Laufe meiner sogenannten „Karriere“ für mehrere Großunternehmen gearbeitet und im Grunde war bei alle Firmen das Procedere das Gleiche. Kam ein neuer Chef, dann zog er früher oder später (lieber früher als später) ihm vertraute Gefolgsleute nach. Der neue Boss platzierte Mitarbeiter seiner Wahl an den entscheidenden Schnittstellen, damit sie ihm den Rücken freihalten konnten. Im Umkehrschluss verließen dann die „Gefolgsleute“ seines Vorgänger relativ schnell das Unternehmen, zumeist, um ihrem Boss zu folgen.

Knäbel, Hilke, Wolf, Labbadia jetzt Beiersdorfer. Dazu Gernandt, der den Vorsitz im AR aufgab (hierzu später mehr). Von der Riege der Exzellenzen ist im Grunde nur noch Bernhard Peters übrig geblieben und um den schwierigen Mann Peters dürfte es von nun an extrem einsam werden. Konnte er sich in der Vergangenheit auf die Rückendeckung Beiersdorfers verlassen, wenn er sich den nächsten Feind gemacht und den nächsten Mitarbeiter vor den Kopf gestoßen hatte, so ist der Schutz nun vorbei. Es wird einige Menschen geben, die Peters‘ Eskapaden nicht vergessen haben und auf Rache sinnen werden. Auch aus diesem Grund kann es für den Direktor Sport mittelfristig keine Zukunft geben, das Gleiche gilt für den Beiersdorfer-Günstling Pletz. Bei diesem Mann würde eigentlich schon eine Bilanz seiner Fehlleistungen der letzten Wochen genügen, um ihn in die Wüste zu schicken, aber da geht noch mehr.

Bruchhagen wird an seiner Seite einen Berater brauchen, dem er zu 100% vertrauen kann und das kann Pletz nicht sein, der jede ihm zugängliche Information an seinen Freund Didi weitertragen wird. Der letzte Tag des Verbrenners muss zwingend auch der letzte Tag von „Tüt tüt“ sein.

Kurz zum Aufsichtsrat und dem unsäglichen Auftritt des Herrn Meier. Man muss sich das einmal vorstellen, da stellt sich das Mitglied eines Gremiums hin und bezichtigt einen oder mehrere andere Gremiumsmitglieder der vorsätzlichen Lüge, der Intrige, der Weitergabe von höchst-sensiblen Informationen. Und Meier will uns nun weismachen, dass man einfach in dieser Konstellation weitermachen und vertrauensvoll zusammenarbeiten könnte? Mumpitz, der Aufsichtsrat ist und bleibt ein Pulverfass und eine außerordentliche Schwachstelle im Konstrukt HSV und wenn es hier nicht zu freiwilligen Rücktritten kommen, kann man sicher davon ausgehen, dass es weitergehen wird mit den Infos aus dem Kontrollgremium.

bruchhagen

Der heutige Blog heißt „Ein gefährliches Spiel“ und ich möchte erklären, warum ich ihn so bezeichnet habe. Heribert Bruchhagen ließ bei der gestrigen PK keine Gelegenheit aus, darauf zu verweisen, wer für ihn die wichtigste Person im sportlichen Bereich ist: Trainer Gisdol. Mit ihm sprach er als Erstes, mit ihm werden die anstehenden Transfers abgestimmt, seine „Wünsche“ sollen erfüllt werden. Darüberhinaus ist es ein existenzielles Kriterium für den neuen Sportchef, dass dieser mit Markus Gisdol harmonieren muss, im Grunde ein Novum, denn der Sportdirektor ist der direkte Vorgesetzte des Übungsleiters und seit wann entscheidet der Untergebene über seinen Chef?

Problem ist: Bruchhagen hat gar keine andere Wahl, mit wem soll er denn sonst über Fußball reden? Mit Beiersdorfer, der seit 2 1/2 Jahren gezeigt hat, dass er davon nichts versteht? Nein, es muss Gisdol sein, aber genau hier beginnt das Problem, denn MG hat nur noch einen Vertrag für 19 Spiele oder 7 Monate, am Ende der Saison läuft der Vertrag des Trainers aus. Und dann? Weiß jemand, ob der blonde Markus nicht nach einer kräftezehrenden Saison in Hamburg sagt: „Das war’s jetzt, das tue ich mir nicht nochmal an?“ Oder wer weiß, ob er nicht vielleicht schon bei einem anderen Verein im Gespräch ist? Wenn nun aber alle sportlichen Belange mit einem Mann abgestimmt bzw. auf einen Mann zugeschnitten sind, der vielleicht in einem halben Jahr weg ist, was passiert dann? Dann hat der HSV erneut das Problem, dass Gisdols Nachfolger mit einem Kader arbeiten muss, der nicht seinen Vorstellungen entspricht.

Hinzu kommt natürlich noch die Frage der Liga-Zugehörigkeit, denn ich teile den allerorts verbreiteten Optimismus ins keinster Weise. Mal angenommen, der HSV verliert in Mainz, was durchaus möglich erscheint, anschließend kommt Schalke. Nach der Winterpause muss man nach Wolfsburg und die stellen sich über Weihnachten garantiert neu auf, mit der Entlassung von Allofs und dem Kauf von Bazoer wurden die ersten Schritte eingeleitet. Anschließend gehts nach Ingolstadt, dann kommt Leverkusen. Die Möglichkeit, dass der HSV dann erneut vom Ende der Tabelle grüßt, ist durchaus gegeben. Die Gegner nach Leverkusen heißen: Leipzig, Freiburg, Bayern, Hertha, Gladbach, Frankfurt, Köln.

Man sieht – so einfach ist das alles nicht, selbst wenn Kühne erneut einige Millionen in den Ring schmeißen sollte. Bruchhagen steht vor einer Mammut-Aufgabe und er weiß das. Über ihm steht ein heillos zerstrittener Aufsichtsrat und unter ihm ein Trainer, der nur noch bis zum Saisonende unter Vertrag steht. Hinzu kommt, dass er einen neuen, kompetenten Sportchef und einen Medienfachmann finden muss, denen er vertrauen kann. Lieber Herr Bruchhagen, der „liebe Didi“ hat ihnen ein schweres Erbe hinterlassen und ein neuer Vorstand-Marketing ist auch noch nicht gefunden.

Viel Erfolg in Hamburg, Herr Bruchhagen.