Zweiter Tag im Amt und bereits jetzt wird es dem neuen Vorstandsvorsitzenden des Hamburger Sportvereins gedämmert haben: Vor ihm liegt eine Mammut-Aufgabe. Nicht nur, dass in der Winterpause bzw. in der anstehenden Transferperiode das korrigiert werden muss, was sein Vorgänger Beiersdorfer trotz reichlich Zeit und noch mehr zur Verfügung stehender Mittel verpennt hat, es muss auch noch ein neuer Sportchef gesucht werden und dieser soll, so scheint es, allen in den Kram passen. Aber damit nicht genug, denn das elementarste Problem des Vereins ist damit noch gar nicht angesprochen und es ist wohl die größte Herausforderung für den 68-jährigen Bruchhagen: Er muss dem Verein die Glaubwürdigkeit, die Berechenbarkeit zurückgeben. Viel zu lange wurde beim HSV A gesagt und B getan, der Verein war als Gesprächs- aber auch als Geschäftspartner unglaubwürdig und unberechenbar geworden.

Diese Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit wird Zeit und viel Kraft in Anspruch nehmen, aber sie ist zwingend notwendig, will man in Zukunft endlich wieder als seriöser Partner wahrgenommen werden. Eine zweite Großaufgabe wird es sein, sowohl dem aktuellen Kader, wie aber auch zukünftigen Mitarbeitern (Spielern und Funktionären), aber auch der Berater-Gilde zu verdeutlichen, dass die Zeiten der Wohlfühloase HSV vorbei sind. Der HSV kann es sich schlichtweg auf Sicht nicht mehr leisten, für unterdurchschnittliche Leistungen mehr als überdurchschnittlich zu bezahlen. Wie das geht, zeigt die wohl letzte Zuckung des Dietmar B., die Bemühungen um den Kölner Mavraj. Der 30-jährige Deutsch-Albaner hat in Köln noch einen Vertrag bis zum Saison-Ende, im Anschluss wäre er ablösefrei. Nun versucht man (wieder einmal), einen Spieler im Winter seiner Karriere damit zu ködern, dass er in Hamburg mehr verdienen könne, als beim aktuellen Tabellen-7. der Liga, eben ein „typischer Beiersdorfer“.

In diese Kategorie fallen im Übrigen auch die angeblichen Kandidaten Subotic (28, 6 Spiele in der letzten Saison), Badstuber (im März 28, diverse Sehenrisse), Klose (28, zweite engl. Liga) etc., allesamt aus der Riege „Didi’s Invaliden-Gang“. Altbekanntes Schema: Große Namen, die einmal für etwas standen, ihren Zenit doch bereits längst überschritten haben und in Hamburg nochmal überproportional gut verdienen wollen. Wie Klaus-Michael Kühne bereit sein kann, dafür Geld in den Hand zu nehmen, ist mir ein Rätsel.

Bruchhagen’s Problem: Die Gespräche mit den Kandidaten sind bereits weit fortgeschritten und kurzfristig (jüngeren) Ersatz zu bekommen, wird ohne Sportchef nicht leicht. Also muss „Herri“ wohl in den sauren Apfel beißen und die ihm von Beiersdorfer ins Nest gelegten Eier nehmen, wohl wissend, dass sie eigentlich für das, was der Neue will, die Falschen und viel zu teuer sind. Nun denn, an dieser Aufgabe kann Bruchhagen bereits erkennen, was ihm bevorsteht, denn das Erbe des Verbrenners ist brutal. Bruchhagen wird es schaffen müssen, dass in Zukunft Spieler wie Lewis Holtby, keine € 4,1 Mio., sondern höchstens € 1- 1 1/2 Mio. verdienen können, denn mehr ist die Leistung nicht wert. Aktuell hat der HSV Spieler im Kader (Holtby, Lasogga, Müller, Spahic, Djourou, Adler, Halilovic, Kostic, Douglas, Ekdal, Hunt), die alle mehr als € 2 Mio. im Jahr einstreichen, teilweise knapp das Doppelte. Zum Vergleich: In Berlin erhält der Großverdiener Ibisevic € 2,2 Mio. im Jahr.

Noch ein Wort zum gestrigen Interview, welches bei einigen zu großer Freude Anlass gegeben hat.

Natürlich ist es nicht unklug, im ersten Pressegespräch gleich einmal zu demonstrieren, dass ab sofort ein leicht anderer Wind im Volkspark weht, aber Bruchhagen muss dosieren. So sehr sich die etwas seichteren Anhänger über seine schroffen Art gegenüber den Medienvertretern auch gefreut haben, das wird er auf Dauer so nicht machen können. Es ist ein schmaler Grad zwischen Selbstbewusstsein und  Arroganz, das weiß der Mann aber auch. Insofern sollte man sich nicht wundern, wenn Bruchhagen nach dieser ersten verteilten Ohrfeige in Zukunft deutlich moderater auftreten wird.

Euch und euren Familien wünsche ich an dieser Stelle ein frohes Weihnachtsfest.

Nur der HSV!