Ein Gastblog von Kerberos

Im März des letzten Jahres erschien hier in der ´Arena´ bereits ein Gast-Blog mit der Überschrift „Der Besserungsschein: Segen und Fluch für den HSV“. Mit den in der vorgelegten Bilanz 2015/16 der HSV Fußball AG ausgewiesenen € 75 Mio. Verbindlichkeiten, der nach dem Bilanzstichtag noch weiter fortgeschrittenen Verschuldung durch die Erhöhung der Verbindlichkeiten um weitere € 78 Mio. auf nunmehr über € 150 Mio. und den „Erläuterungen“ des Finanz-Vorstands auf der Mitgliederversammlung ist das Thema des Forderungsverzichts mit „Besserungsschein“ ins Besondere im Hinblick auf die Transfer-Finanzierung durch K-M Kühne nun wieder aktueller denn je zuvor.

In diesem Gast-Bog soll nachfolgend daher dieses objektiv komplizierte Instrument des Forderungsverzichts mit „Besserungsschein“ nochmals grundlegend mit einem Beispiel zum HSV in verständlicher Sprache dargestellt werden. Dies erscheint notwendig, um in einem später erscheinenden Teil die aktuelle „Finanzierung“ der HSV Fußball AG, die Transfer-Finanzierung mit K-M Kühne und ins Besondere die damit verbundene Kritik nachvollziehbar zu machen.

Es ist dabei durchaus verständlich, wenn ein Teil der Mitglieder und Fans des HSV sich nicht mit dem Thema „Finanzen“ im HSV außerhalb der Wurst- und Bierpreise im Stadion beschäftigen möchten, weil es ihnen beim HSV schlicht nur um den Fußball geht. Das ist dann so zu akzeptieren. Dass sich jedoch oftmals gerade diese informations-resistenten Mitglieder und Fans förmlich zwanghaft an den Diskussionen zu dem Thema „Finanzen des HSV“ in unerträglicher, durch eine bestechende Ignoranz und Impertinenz geprägte, Art und Weise zu beteiligen suchen, ist hingegen keineswegs akzeptabel.

Der Erlassvertrag

Die Grundlage eines „Forderungsverzichts mit Besserungsschein“ bildet der sogenannte „Erlassvertrag“ in dem der Gläubiger und der Schuldner zwei dem Grunde nach selbstständige Sachverhalte vereinbaren: zum einen die Bedingungen eines Forderungsverzichts durch den Gläubiger und zum anderen die Konditionen einer Besserungsabrede, die eine neue Forderung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner begründet. Abschließend werden dann in dem „Erlassvertrag“ diese „beiden“ Vereinbarungen durch die wechselseitige Bedingung des Bestehens miteinander verknüpft. Also: kein Forderungsverzicht ohne die Besserungsabrede – keine Besserungsabrede ohne den Forderungsverzicht.

Forderungsverzicht: in diesem Teil des „Erlassvertrages“ werden zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner die abschließenden Regelungen zum Forderungsverzicht vereinbart. Vereinbart wird hier nur, in welchem Umfang der Gläubiger auf die Forderung verzichtet, zu welchem Zeitpunkt oder zu welchen Zeitpunkten der Verzicht ganz oder in Teilen wirksam werden soll und ob der Forderungsverzicht in Teilen und/oder in Gänze noch vom Eintritt weiterer Bedingungen abhängig sein soll.

Mit einem wirksamen Forderungsverzicht erlischt die Forderung des Gläubigers im vereinbarten Umfang dann endgültig. Insofern können vom Gläubiger ab dem Zeitpunkt aus einem „erloschenen“ Darlehen auch keine Rechte mehr hergeleitet oder Zinsen eingefordert werden. Dies ist der entscheidende Unterschied eines Forderungsverzichts gegenüber der Stundung einer Forderung oder zum Rangrücktritt bei einer Forderung. Denn abweichend zum Forderungsverzicht bleibt bei der Stundung oder dem Rangrücktritt die ursprüngliche Forderung selbst bestehen und es wird lediglich die Rückzahlbarkeit ausgesetzt oder die Modalitäten der Rückzahlung neu vereinbart.

Besserungsabrede: im Anschluss an die Vereinbarungen zum Forderungsverzicht werden im „Erlassvertrages“ zwischen Gläubiger und Schuldner die Vereinbarungen getroffen, in welchem Umfang für den Gläubiger gegenüber dem Schuldner eine neue Forderung durch diese Besserungsabrede entsteht, zu welchem Zeitpunkt oder unterschiedlichen Zeitpunkten diese neu entsteht und/oder ob das Entstehen dieser neuen Forderung aus dieser Besserungsabrede noch vom Eintritt bestimmter Bedingungen abhängig sein soll. Vereinbarungen zum Forderungsverzicht selbst werden in der Besserungsabrede nicht getroffen und es ist für das Verständnis ganz entscheidend festzuhalten, dass die neue Forderung des Gläubigers aus der Besserungsabrede entsteht und nicht auf dem ursprünglich einmal gewährten, nun jedoch „erloschenen“, Darlehen des Forderungsverzichts begründet ist.

Daher wird auch die Höhe der durch die Besserungsabrede neu entstehenden Forderung wird zwischen Gläubiger und Schuldner ebenfalls neu vereinbart und die Höhe der neuen Forderung aus der Besserungsabrede muss dabei keineswegs identisch mit der Höhe des „erloschenen“ Darlehens aus dem Forderungsverzicht sein. Ins Besondere kann die in der Besserungsabrede vereinbarte Höhe der neu entstehenden Forderung auch deutlich über der Höhe des „erloschenen“ Darlehens aus dem Forderungsverzicht liegen, da in dieser neuen Forderung aus der Besserungsabrede auch ein Aufschlag für „entgangene Zinsen“ oder ein „Risikoaufschlag“ vereinbart werden kann. Diese zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbarte Besserungsabrede mit allen darin getroffenen Vereinbarungen wird als „Besserungsschein“ bezeichnet.

Beispiel HSV: Im Herbst 2016 hatte ein Darlehensgeber dem HSV ein Darlehen in Höhe € 4.5 Mio. mit sofortigem Forderungsverzicht gegen Gewährung eines „Besserungsscheins“ zur Verfügung gestellt. Seitens des HSV wird nun aktuell kommuniziert, dass der Darlehensgeber keine Zinsen auf sein gewährtes Darlehen gefordert und erhalten hatte. Das ist natürlich richtig, denn auf Grund seines unmittelbaren Forderungsverzichts in Höhe von € 4.5 Mio. hatte für den Darlehensgeber auch in keinem Zeitpunkt ein Anspruch auf Zinsen bestanden.

Dafür hatten der Gläubiger und der HSV jedoch im verbundenen „Besserungsschein“ die neue Forderung für den Gläubiger mit einem Betrag von € 4.95 Mio. vereinbart. Der Gläubiger hatte sich hier also über einen in der Besserungsabrede vereinbarten „Zins- und Risikoaufschlag“ schadlos gehalten; denn die vereinbarte neue Forderung aus dem gewährten „Besserungsschein“ liegt mit € 0.45 Mio. um 10% über dem Betrag des „erloschenen“ Darlehens in Höhe von € 4.5 Mio. aus dem Forderungsverzicht. Dies wird leider erwartungsgemäß vom HSV nicht kommuniziert.

Der Gläubiger gab hier also dem HSV ein Darlehen von € 4.5 Mio., verzichtete auf die Forderung und erhält bei Rückzahlung aus dem „Besserungsschein“ € 4.95 Mio.; der Gläubiger erhält dabei also tatsächlich keine Zinsen – dafür aber eben durch den „Besserungsschein“ einen „Aufschlag“ von € 0.45 Mio. Das ist Fakt! Und das ist in der Sache selbst in Anbetracht des Risikos für den Gläubiger weder unüblich noch zu beanstanden. Anrüchig oder gar schmutzig wird es indes eigentlich erst dadurch, dass der HSV hier erneut versucht, seine Fans und Mitglieder mittels grenzwertiger Kommunikation über die tatsächlichen finanziellen Auswirkungen seiner eingegangenen Finanzierung zu täuschen und überdies den Darlehensgeber / Gläubiger im Licht eines geschenkeverteilenden „selbstlosen Gönners“ erscheinen zu lassen.

Der Forderungsverzicht mit „Besserungsschein“ in der Bilanz

Wird für ein Unternehmen ein Forderungsverzicht mit „Besserungsschein“ vereinbart, besteht seitens einer AG eine gesetzliche Veröffentlichungspflicht im Rahmen der Bilanz, da wesentliche, künftige finanzielle Risiken für das Unternehmen zwingend in der Bilanz dokumentiert werden müssen. Warum einige verbrämte rosa-rote Hüpfer und Teile der Medien ganz ungeniert in Jubelstürme darüber ausbrechen, dass der HSV gezwungen ist, auf derart riskante Finanzierungs-Instrumente wie den Forderungsverzicht mit „Besserungsschein“ zurückgreifen zu müssen, wird sich einem verstands-orientierten Beobachter nicht erschließen können. Sei es drum; es kann und soll nicht Inhalt dieses Gast-Blogs sein, die Motivlage eines Fan-Prekariats oder einer ausgelagerten Propaganda-Abteilungen des HSV zu ergründen – man muss den Umstand aber eben doch verwundert zur Kenntnis nehmen.

Forderungsverzicht in der Bilanz: der wirksame Forderungsverzicht ist in der Bilanz mit dem vereinbarten Betrag des Verzichts unter dem Konto sonstige betriebliche Erträge (früher: außerordentliche Erträge) auszuweisen und entwickelt daher für das Unternehmen eine gewinnsteigernde / verlustreduzierende Wirkung in der Bilanz. Zum anderen reduzieren sich die Verbindlichkeiten des Unternehmens um den im Forderungsverzicht vereinbarten Betrag. Durch die Reduzierung der Verbindlichkeiten wirkt der Forderungsverzicht daher der Gefahr einer möglichen Überschuldung des Unternehmens entgegen. War die Forderung aus dem Verzicht zudem bereits zur Zahlung fällig, so reduziert sich durch den Forderungsverzicht überdies für das Unternehmen die mögliche Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit. Ein lediglich auf die Zukunft oder auf einen noch zu erwartenden Eintritt von Bedingungen vereinbarter Forderungsverzicht wird hingegen in der Bilanz selbst nicht ausgewiesen; lediglich im Begleittext der Bilanz dokumentiert.

„Besserungsschein“ in der Bilanz: der „Besserungsschein“ ist mit dem in der Besserungsabrede vereinbarten Betrag erst dann in der Bilanz als sonstiger betrieblicher Aufwand (früher: außerordentlicher Aufwand) auszuweisen, wenn die vereinbarten Bedingungen eingetreten sind und die neue Forderung aus dem „Besserungsschein“ entstanden ist. Soweit und solange die vereinbarten Bedingungen der Besserungsabrede noch nicht eingetreten sind, wird der „Besserungsschein“ in der Bilanz nicht ausgewiesen; lediglich im Begleittext der Bilanz dokumentiert. Mit dem Eintritt der Bedingungen der Besserungsabrede ist der „Besserungsschein“ mit dem in der Besserungsabrede vereinbarten Betrag unter dem Konto sonstiger betriebliche Aufwand (früher: außerordentlicher Aufwand) auszuweisen und entwickelt daher für das Unternehmen gewinnmindernde / verlusterhöhende Wirkung in der Bilanz. Zum anderen erhöhen sich durch die Forderung aus „Besserungsschein“ die Verbindlichkeiten um den in der Besserungsabrede vereinbarten Betrag. Durch die Erhöhung der Verbindlichkeiten erhöht sich für das Unternehmen damit die Gefahr einer Überschuldung. Überdies ist der Aspekt der Liquidität zu beachten, denn das Unternehmen muss selbstverständlich auch den aus „Besserungsschein“ resultierenden Zahlungsverpflichtung nachkommen; damit erhöht sich für das Unternehmen die Gefahr einer möglichen Zahlungsunfähigkeit.

Beispiel HSV: das im Herbst 2016 gewährte Darlehen in Höhe von € 4.5 Mio. wurde in der aktuellen Bilanz 2015/16 des HSV auf Grund des unmittelbaren Forderungsverzichts des Darlehensgebers unter sonstige betriebliche Erträge (früher: außerordentliche Erträge) ausgewiesen und hat daher neben den stets vom Finanz-Vorstand eingeräumten positiven Ergebnis aus „Verschmelzungsgewinnen“ ebenfalls erheblich zu einer Reduzierung des Bilanzverlusts 2015/16 beigetragen.

Leider fand dieser Umstand bisher keine Erwähnung durch den Märchenonkel F. Wettstein. Der ausgewiesene Bilanzverlust 2015/16 von moderaten € 163.138,56 resultiert also im Wesentlichen nicht nur auf den Sondereffekten der Unternehmens-Verschmelzung (€ 14.597.441,34) sondern maßgeblich auch auf dem Einmal-Effekt eines Forderungsverzichts (€ 4.500.000,00 ohne Berücksichtigung steuerlicher Effekte).

Es ist schon abenteuerlich, wenn medial über die angeblich „tatsächlichen“ Verluste des HSV in der Saison 2015/16 nahezu sinnbefreit mit Zahlen zwischen 0 und 20 Mio. orakelt wird. Richtig ist einzig, dass der moderate Verlustausweis von € 163.138,56 in der Bilanz 2015/16 für den HSV nur durch verlust-reduzierende Sonder- und Einmaleffekten aus Verschmelzung und Forderungsverzicht in Höhe von ca. € 19 Mio. möglich wurde.

Zu guter Letzt

Unerwähnt geblieben ist noch der „Besserungsschein“ aus dem Herbst 2016, weil natürlich die in ihm vereinbarten Bedingungen noch nicht eingetreten sind. In der Bilanz des HSV sind jedoch die vereinbarten Besserungsabreden bereits pflichtgemäß dokumentiert. So entsteht dem Gläubiger gegenüber dem HSV eine Forderung in Höhe von € 4.95 Mio. aus dem „Besserungsschein“, wenn der HSV „außerordentliche Erträge“ erwirtschaftet. Wer nun, wie die Haus- und Hofpropagandisten des Märchenonkels F. Wettstein, mutmaßt, dass sich diese Bedingung etwa auf besonders lukrative Transfer-Geschäfte des HSV oder Einnahmen aus Europa-Pokal-Spielen bezieht, der wird sich unter Hinweis auf die in einer Bilanz zu verwendenden Fachtermini korrigieren lassen müssen.

Denn bei Transfer-Geschäften erzielte Transferentschädigungen sowie auch bei Spiel-Einnahmen handelt es sich unbestritten um Umsatzerlöse und eben nicht um außerordentlichen Erträge eines Unternehmens; und dies ganz gleich, wie ungewöhnlich hoch die Transferentschädigungen auch ausgefallen sein mögen oder wie auch immer der Gegner des HSV geheißen haben mag. Außerordentliche Erträge (jetzt: sonstige betriebliche Erträge) sind hingegen definiert als solche Erträge, die nicht zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens zählen. In der Regel werden hier unter anderem die Erträge aus Forderungsverzichten von Gläubigern erfasst.

Klartext: beim nächsten Forderungsverzicht eines Darlehensgebers „erwirtschaftet“ der HSV also unvermeidbar „außerordentliche Erträge“ und genau dies ist die Bedingung des „Besserungsscheins“ aus dem Herbst 2016. Somit entsteht mittelbar aus dem Forderungsverzicht des Gläubigers zugleich eine neue Forderung gegen den HSV aus dem „Besserungsschein“ vom Herbst 2016 über € 4.95 Mio.; diese neue Forderung wird selbstverständlich auch zu bezahlen sein. Und dieser „nächste“ Forderungsverzicht ist nicht latent, sondern bereits im Rahmen der Transfer-Finanzierung für die nächste Bilanz der Saison 2016/17 mit dem „Gönner“ K-M Kühne fest vereinbart und vom Märchenonkel F. Wettstein in der Bilanz auch genauso dokumentiert.

Da ist es also wieder – dieses ständig wiederkehrende Märchen aus 1001 Nacht vom „selbstlosen Gönner“, das von Realisten aber auch gerne als das „Perpetuum Mobile der Leibeigenschaft“ bezeichnet wird – stets nimmt die linke Hand sogleich, was die rechte Hand noch soeben gab.

An dieser Stelle vorerst ein kurzer Stopp zum Durchatmen, bevor es in Sachen Transfer-Finanzierung durch K-M Kühne noch so richtig spannend wird.