Langsam aber sicher gehen die Argumente aus, denn – was haben wir nicht alles sehen müssen/können/dürfen in den letzten Jahren? Ausgliederungen, Aufrufe zum Sprücheklopfen durch Miniatur-Wunderland-Freddie, Fan-Märsche bis zur Besinnungslosigkeit, spaßige Choreographien, zwei Vorstandsvorsitzende, diverse Sportchefs, gefühlte 72 Trainer, mehr als  € 100 Mio. Transferausgaben, knapp 100 transferierte Spieler. Und jetzt haben wir, zum Glück, auch endlich das lächerliche Stilmittel des hündischen Winselfan-Briefs abgehakt, Gott sei es geklagt. Tragischerweise ist der Effekt dieses peinlichen Pamphlets ebenso verpufft wie die zahlreichen anderen aufgezählten Maßnahmen, also was nun?

Vielleicht ein niedlicher Spendenaufruf für bedürftige HSV-Profis? Eine Aktion „Wir waschen eure Bentleys, wenn ihr die Klasse haltet“ wäre noch eine Idee. Wie wäre es mit „HSV-Fans spendieren jedem Profi ein kostenloses Rauten-Tattoo?“ Wahlweise auf der rechten oder linken Arschbacke? Ne, Freunde des kontrollierten Absturzes, die Geschichte ist ausgereizt und alle Asse sind gezogen. Aber Moment mal, die Mannschaft hatte doch gestern noch dem Dussel-Brief eine Wahnsinns-Reaktion gezeigt, oder etwa nicht? Bei einigen Spielern hatte man nach Abpfiff tatsächlich Grasflecken auf den weißen Trikots ausmachen können und wenn ich an die Brandrede des Griechen Papadopoulos im Gebetskreis nach Spielende denken, wird mir jetzt noch ganz warm ums Rautenherz.

Kyriakos Papadopoulos (HSV) Kyriakos Papadopoulos HSV

Schade nur, dass das alles nichts bringt, aber das hatten die Briefschreiber bekanntermaßen auch gar nicht gefordert. Diese gingen gestern mit stolzgeschwellter Brust zum Bahnhof St. Ellingen, weil € 4,1 Mio.-Verdiener Harry Holtbü am gestrigen Abend mehr als 10 km abgespult hatte. Das muss erstmal reichen, vernünftigen und zeitgemäßen Fußball mit einem Minimum an Erfolg erwarten wir dann ab Sommer 2036. Wobei, kommen wir nochmal zu diesem Brief, denn wenn man ihn sich genauer betrachtet, kommen immer mehr Zweifel auf, dass dieses Machwerk tatsächlich von Fans verfasst wurde.

Auch wir Fans haben darunter gelitten. Zum großen Teil zerrissen von den Medien, abgeschrieben in vielen deutschen Medien, gedemütigt im Fernsehen, Hohn & Spott von Bekannten und auch auf der Arbeit und in der Schule musste man oft aufgrund abwertender Kommentare leiden.

Schreiben so 18-jährige Nordtribünen-Hüpfer? Oder schreiben so vielleicht eher Vereins-interne Kreise, die eine solche Facebook-Jubelpage nutzen, um „unauffällig“ Stimmung zu erzeugen?

Anyway, das Ding hat nicht gezündet, denn man war wieder einmal nicht in der Lage, den Steilpass von harmlosen Gladbachern zu verwandelt und sich im Halbfinale ein Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt zu erspielen. In der ersten Halbzeit war der HSV mit verschobenem Pressing (mal direkt auf den Innenverteidiger, dann wieder zurückgezogen) sehr aktiv und bestimmend, aber ohne die notwendige Durchschlagskraft. Als nach 30 Minuten die Kräfte schwanden und das Pressing mehr und mehr geopfert wurde, war die Partie gegessen und das hatte absolut nichts mit Pech, sondern ausschließlich mit Unvermögen zu tun.

Wer tatsächlich einen auf DFB-Verschwörung machen und an der Rechtmäßigkeit der beiden Elfmeter zweifeln möchte, der soll sich halt lächerlich machen. Der HSV schlägt sich durch Unvermögen, durch ungenaue Zuspiele, durch individuelle Fehler wieder einmal selbst und verpasst eine große Chance. Briefe braucht man jetzt auch nicht mehr zu schreiben, das Ding ist durch.

Vor allem Papadopoulos ärgerte sich maßlos, hielt im Kreis eine emotionale Ansprache. „Papa war richtig böse. Aber er hat gesagt, dass die Gladbacher ja schon nächste Woche wieder hierherkommen müssen“, sagte Sakai.

Boah, die werden aber richtig Angst haben….

P.S. Für alle, die es immer noch nicht gerafft haben:

Ab der Saison 2015/16 greift im DFB-Pokal eine gravierende Änderung. Denn die UEFA beschloss auf ihrer Exekutivsitzung in der letzten Woche in Dubrovnik (Kroatien), dass die nationalen Pokalfinalisten ab 2015 nicht mehr für die Europa League qualifiziert sind, sollte der Pokalsieger in der Champions League an den Start gehen.