Nein, ich werde ganz sicher nicht behaupten, dass der gestrigen Sieg des HSV gegen Hertha BSC Berlin unverdient war, denn das war er nicht. Ich werde mich auch nicht über den erneuten Folter-Fußball aufregen, den der HSV vor einer Minus-Kulisse präsentierte, denn das ist man mittlerweile gewohnt. Was mich vielmehr beschäftigt: Wie ist es möglich, dass Mannschaften wie Leipzig, Leverkusen, gestern Hertha und im Pokal Köln derart unterirdische Leistungen gegen eine Mannschaft zeigen, die sie in Normalform an die Wand spielen müssten? Wie kann es sein, dass diese Teams, die vor dem jeweiligen HSV-Spiel wirklich gute Spiele zeigten, gegen die Hamburger derart versagten, um danach wieder zu ihrem normalen Leistungsniveau zurück zu finden?

Und das wirklich „Schlimme“ – der HSV muss noch nicht mal besonders gut spielen (Ausnahme Leipzig), um diese eigentlich übermächtigen Mannschaften zu bezwingen. Was also ist das? Das Argument „Der HSV schafft es, den Gegner auf sein Niveau hinab zu ziehen“, greift meines Erachtens nur zum Teil, ich denke etwas anderes. Ich meine, dass der HSV mittlerweile in der Bundesliga das einzige Team ist, welches diese Art von Schauder-Fußball präsentiert, selbst Darmstadt und Ingolstadt spielen einen strukturierteren Ball. Das Stilmittel des HSV lautet: Hinten den Ball gewinnen, dann lang und weit nach vorn prügeln und dann nachrücken und versuchen, den Ball im vorderen Drittel zu gewinnen. Uns hat man diese Art von Fußball bereits in der C-Jugend des Meiendorfer SV in den 70er Jahren verboten, aber beim HSV….

Gegen diese Art von Anti-System haben spielerisch überlegen Mannschaften eindeutig Schwierigkeiten, obwohl jeder weiß, was ihn in Hamburg erwartet. Ebenso erwartet einen in Hamburg ein Haufen geistesschwacher Vollidioten, die sich an ihrer kranken Pyro-Scheiße aufgeilen. Gestern waren es (wieder einmal) die selbsternannten „Castaways“, eine Gruppierung, die sich früher „Chosen Few“ schimpfte und dem HSV nach der Ausgliederung den Rücken kehren wollte. Aber offenbar war es den Vögeln im Amateur-Fußball zu öde und so nannte man sich einfach mal um und zündelt erneut. Der HSV schaut wie immer zu.

Apropos Ausgliederung. Ein Grund dafür, warum ich emotional komplett durch mit diesem Verein bin, ist nicht nur der grauenvolle Fußball, der immer und immer wieder präsentiert wird, es sind die Vorkommnisse der letzten 3 Jahre und ich will kurz erklären, warum. Zum einen habe ich durch zahllose Gespräche mit tatsächlichen Insidern (also nicht Leon) und unmittelbar Beteiligten verstanden, worum es eigentlich geht und mir tun im Grunde die Fans leid, die immer noch an irgendwas glauben in diesem Verein. Die tatsächlich denken, dass irgendein Spieler zu diesem Verein kommt, weil er an irgendwas mitarbeiten möchte. Weil er eventuell „Teil des Projekts“ sein möchte bzw. daran teilhaben möchte, dass der HSV wieder „dahin kommt, wo er hingehört“. BULLSHIT!!! Ein Spieler (aber auch Trainer oder Sportchef) kommt zum HSV, weil er hier mehr verdienen kann, als woanders. Oder er kommt (wie bei Gisdol oder Todt), weil er einfach keine anderen vergleichbaren Angebote hatte. Wer etwas anderes glaubt, soll weiter träumen.

Das Gleiche gilt für das sogenannte Scouting oder das Finden von Spielern, die sonst keiner gefunden hat. Transfers werden über Berater eingleitet und von den Vereins-Funktionären finalisiert, nicht mehr und nicht weniger. Kein Sportchef oder Scout findet heute irgendwo eine unentdeckte Perle. Der Berater bietet an, der Verein ist interessiert und dann geht es nur noch um die Konditionen. Es geht um das Gehalt, um die Nebengeräusche und es geht darum, wie man als Berater und als Vereins-Funktionär am jeweiligen Deal mitverdienen kann. Beim HSV gilt übrigens: Gibt der Verein die Ablösesumme für einen verpflichteten Spieler bekannt, zieht man in Hamburg 10% von der Summe ab. Andersrum schlägt man 10% auf den Preis auf, den man für einen verkauften Spieler erzielt hat, das ist Gesetz.

Nochmal kurz zum Zeitpunkt der Ausgliederung. Nach der erfolgreichen Abstimmung am 25.04.2014 war ich im Anschluss zu einer internen Feier mit den führenden Köpfe der Initiative HSVPlus eingeladen. Man saß dann also bei einem Italiener in Ottensen zusammen, am Tisch saßen u.a. Rieckhoff, Rebbe, von Heesen, Hilke und einige andere,  unter anderem HSV-Funktionäre. Ich fühlte damals eine solche Aufbruchstimmung, eine solche Kraft, eine Energie und Vorfreude auf das, was man nun selbst in der Hand hatte. Zum Beispiel sagte mir der damalige Vorstand Marketing, Joachim Hilke, direkt ins Gesicht: „Wir und Calhanoglu verkaufen? Wir sind doch nicht bescheuert. In 2 Jahren ist der Junge € 30 Mio. wert.“ 3 Wochen später wurde Hakan nach Leverkusen verscherbelt.

Nichts von dem, was damals beschlossen wurde, wurde umgesetzt. Nichts von dem, was man damals in der Hand hatte, wurde angepackt. Ich habe heute noch auf Band, was ich den Herren Rieckhoff und Rebbe in einem Interview sagte. Ich habe sie eindeutig davor gewarnt, Beiersdorfer zum Vorstandsvorsitzenden zu machen, weil ich ihnen beweisen konnte, dass er bereits als Sportchef eine Fehlbesetzung war. Rieckhoff aber wollte den „Experten mit Stallgeruch“, das Resultat sehen wir heute.

Und so wird sich die Welt weiterdrehen. Der HSV wird gegen den Abstieg spielen und vielleicht wird er ihn erneut vermeiden. Vielleicht in der Relegation, vielleicht auch ohne. Dann wird der Vertrag mit Gisdol bis 2019 verlängert und es wird im Sommer wieder mit Kühne-Geld groß eingekauft. In der nächsten Saison wird man dann den gleichen Drecks-Fußball spielen, Gisdol wird gefeuert und mit Abfindung vom Hof gejagt. Der Tod holt den Nächsten, bis auch dieser scheitert und dann fliegt der Sportchef irgendwann. Vielleicht haben wir dann sogar schon 2018.