Ganz ehrlich, sie schaffen es doch immer wieder. Sie schaffen es immer wieder, mich zu erschüttern. Damit meine ich nicht etwa die Spieler des HSV, die nach einem Grottenkick immerhin einen Punkt gegen die Eintracht aus Frankfurt, die in den 5 Spielen zuvor jeweils verloren hatte, erobern konnte. Obwohl – auch das finde ich immer wieder zum heulen. Da spielt eine Mannschaft, in die ein Verein in den letzten 2 1/2 Jahren mehr als € 100 Mio. an Transfer-Investitionen gepumpt hat und die aktuell einen Mannschaftswert von € 76,75 Mio. repräsentiert, einen Stil wie aus dem England der 70er Jahre. Pille lang und hoch nach vorn, hinterherrennen und auf den Abpraller hoffen, Nobby Stiles lässt grüßen. By the way, wie kann das eigentlich sein? Man hat einen Kader mit dem Wert X (mehrere zig-Millionen Euro), den man dann für mehr als € 100 Mio. pimpt und am Ende ist die Truppe weniger wert als das investierte Kapital? Sowas geht wohl nur bei Düdü.

Aber eigentlich wollte ich auf etwas anderes hinaus, nämlich auf die Einzeller, die jede Meldung, bei der ihr Hüpf-Verein nicht so wirklich gut aussieht, auf der Stelle abblättern wollen. Aktuell ist es der „Fall Hilke“ und dieser Fall ist tatsächlich dramatisch. Man muss sich das nur einmal auf der Zunge zergehen lassen: Der Hamburger Sportverein stellt Strafanzeige gegen ein ehemaliges Vorstandsmitglied. Und „ehemalig“ auch nur deshalb, weil man rechtzeitig vor Strafantrag den Vertrag mit dem großen Unsichtbaren gerade noch fristlos gekündigt hatte, ansonsten hätte man nämlich einen noch im Amt befindlichen Vorstand verklagt, wie bitter.

Dies aber wollen die Vögel nicht hören, es nervt sie. Sie wollen wissen, ob Bobby Wood jetzt am Rücken oder am Hintern verletzt ist, ob Holtby in der Länderspielpause nach England fliegt oder welches Haargel Trainer Gisdol verwendet. Das sind die Themen, die uns alle bewegen, von betrügerischen Vorständen, die über die Jahre Milionen an Gehälten abgegriffen haben, wollen wir nichts wissen, das nervt. Zum besseren Verständnis möchte ich nochmal ein paar Punkte zusammenfassen.

Erste Verdachtsmomente gegen Hilke existieren bereits seit mehreren Jahren, denn bereits der alte Aufsichtsrat (bis 2014 im Amt) hatte Vorbehalte gegen die Machenschaften des Herren. Dem wurde aber nicht mehr nachgegangen, als Hilke aktiv von innen die Ausgliederung betrieb und sich auf den Schutz seines Lehnsherrn Kühne verlassen konnte. Dennoch: Die Verdachtsmomente waren bekannt, sie waren auch der hiesigen Presse bekannt. Nachforschungen? Recherche? Fehlanzeige.

Im Gegenteil: Wann immer es mediale Kritik an der Arbeit des Vereins bzw. des Vorstandes gab, mussten alle dran glauben, nur eben einer nicht: Hilke. Von der Presse wurde er aus allen raus gehalten, noch schlimmer: Gab es irgendwelche „Jubelmeldungen“ z.B. die Verlängerung mit einem bereits existierenden Sponsorenvertrag, wurde „der findige 44-Jährige“ durch die Bank abgefeiert.

Sogar jetzt noch. Der „Fall Hilke“ ist seit nunmehr knapp einer Woche bekannt. Danach gab es ein Bundesligaspiel mit Vor- und Nachberichterstattung auf SKY. Fragen zum Fall? Nein. Dann gab es den Sport1-Doppelpass, bei dem der Vorstandsvorsitzende Bruchhagen zu Gast war. Hilke war kein Thema, zwei Stunden lang nicht. Anschließend gab es SKY 90, die bescheuerte Fußball-Debatte. Hilke? Nicht existent. Und zu guter Letzt den NDR-Sportclub, bei dem wirklich jeder Scheiß bequatscht wird. Hilke war jedoch auch hier kein Thema.

Aus heutiger Sicht kann man nicht nur behaupten, nein, es ist Fakt, dass die Medien ihren Teil dazu beigetragen haben, dass ein Joachim Hilke im Vorstand des HSV so lange fuhrwerken durfte. Es kann doch nicht sein, dass es außer einem Kolumnisten bei goal.com und einer kleinen Blogwurst niemandem gibt, der irgendwann einmal nachdenklich geworden ist. Den Vogel schießt natürlich wieder Münchhausen ab, der eine Berichterstattung über ein Vorstandsmitglied, gegen den der Verein eine Strafanzeige stellt, als Effekthascherei abtut. Die einzige Effekthascherei, mein kleiner Journalisten-Simulant, kommt dann zum tragen, wenn man sich selbst als Anwalt der Fans positionieren möchte und alles, was den Verein Scheiße aussehen lässt (oder was man nicht versteht, weil es Leon nicht erklärt hat), ausblendet.

Was noch hinzukommt: Laut Berichten (und Aussagen von Vereinsvertretern) haben „interne Revisionsergebnisse“ festgestellt, dass…. Muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, denn dies bedeutet, dass die für eine Untersuchung notwendigen Daten lange vorgelegen haben, aber lediglich nicht untersucht bzw. gesichtet wurden. Es handelt sich also nicht um externe Insiderinformationen, sondern um Fakten, in deren Besitz sich der Verein seit Monaten, wenn nicht Jahren, befunden hatte. Dies wirft natürlich die Frage nach dem Warum auf, warum hat der Aufsichtsrat niemals nachgeforscht, wo es doch bereits seit knapp 5 Jahren Anhaltspunkte gab? Warum wurde der Vertrag mit dem großen Unsichtbaren sogar ein weiteres Mal verlängert? Ein langer Schatten fällt zur Zeit auf einen Rat der Kontrolleure, der zu keinem Zeitpunkt kontrolliert hat.

Und noch was. Wenn man gerade beim „Revisionieren“ ist, was kommt noch alles an die Oberfläche? Untersucht man nur Hilkes Aktivitäten oder werden die Machenschaften des gesamten Vorstandes beleuchtet? Untersucht man seitens des AR nun vielleicht auch die „Transferaktivitäten“ des Dukaten-Düdü, um dies es bekanntlich auch mehr als eine Andeutung gab?

Pikant: Erst vor Kurzem hat es nach Abendblatt-Informationen ein Übernahmeangebot von sieben Millionen Euro für Match IQ durch Lagardère Sports Germany (einst UFA Sports/Sportfive) gegeben, was die Hamburger Firma mit Sitz in Ottensen allerdings ablehnte.

Lustig, oder? MatchIQ soll von Lagadère (ehemals Sportfive) geschluckt werden und zeitgleich soll ein ehemalige Sportfive-Mann dort als Geschäftsführer einsteigen. Die ganze Nummer stinkt derartig zum Himmel, aber sie ist nicht das Einzige, was stinkt und ich bin mir zu 100% sicher, dass der „Fall Hilke“ nur die Spitze des Eisbergs abbildet. Ach ja, an dieser Stelle ein Versprechen:

Sollten sich die Hamburger Sportmedien nach diesem kurzen, erzürnten Aufflackern entschließen, die Sache zu begraben und zur Tagesordnung überzugehen, ich werde das nicht tun. Warum das? Das kann ich erklären. Fast jeder HSV-Anhänger fragt sich, warum es seit so vielen Jahren nicht läuft, aber die Meisten richten ihren Blick einzig und allein auf die Spieler und die sportlich Verantwortlichen. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit, denn es kann auf dem Platz nicht laufen, wenn es in der Führung nicht läuft. Wenn dort nicht mit einer Stimme gesprochen wird, wenn dort gegeneinander intrigiert wird, wenn dort jeder sein eigenes Süppchen kocht und zusieht, wie er sich am einfachsten an seinem Arbeitgeber bereichern kann. Deshalb!