Wenn zwei das Gleiche machen, ist es noch lange nicht dasselbe.

Das Phänomen ist ebenso verbreitet, wie grotesk. Und es ist gelernt und deshalb kaum diskutabel. Jemand sagt etwas (oder schreibt etwas) und das, was er sagt (oder schreibt), kann objektiv betrachtet noch so richtig und wichtig sein, es wird zerrissen. Warum? Weil es genau diese Person sagt (oder schreibt) und die darf es nicht. Und noch schlimmer – weil eben diese Person bzw. Personengruppe es sagt (oder schreibt), wird das, was für jeden durchschnittlich Begabten erkennbar richtig ist, plötzlich und wie von Zauberhand falsch. Dabei merken es diejenigen, die die geäußerte Wahrheit binnen Sekundenfrist zerreißen, nicht einmal mehr, denn sie haben ihr Urteil bereits anhand von zwei Faktoren gefällt: Autor erkannt, ersten Absatz gelesen = muss Schwachsinn sein.

Dies ist nicht nur bedauerlich, es ist bedenklich, ich weiß, wovon ich rede. Bis ungefähr zum Juli/August 2014 hatten ich und ein anderer HSV-Berichterstatter (Name ist sicherlich bekannt) eine ausgeprägte „Fan-Gemeinde“ und der Grund war recht einfach, denn wir kritisierten eine bestimmte, zu dem Zeitpunkt unbeliebte Personengruppe. Hierbei handelte es sich um die Mitglieder des damaligen Vorstandes, des damaligen Aufsichtsrats und generell um die Personen, die sich aus angeblich fadenscheinigen Gründen gegen die dringend notwendige Ausgliederung der Profi-Abteilung stellen wollten. Dies waren Monate, da konnten wir schreiben, was wir wollten, wir wurden abgefeiert. Natürlich nicht von den Ausgliederungsgegnern, aber die waren bekanntermaßen in der Minderheit, wie die Abstimmung im Mai 2014 zeigte.

Interessant war eigentlich, dass es auf die Inhalte kaum noch ankam, es war wichtig, dass wir es schrieben. Die Initiative HSVPLUS hatte das alles registriert und für seine Zwecke genutzt, ich habe mich auch nicht gewehrt. Dieser Zustand hielt, wie bereits beschrieben, bis ca. Juli/August 2014, denn dann wurde den ersten klar, dass wir im Grunde nicht die Personen, sondern die Taten und Aussagen dahinter kritisiert hatten und das unsere Kritik auch nicht vor den neuen „Machthabern“ halt machte. Das aber ging nun gar nicht, denn das waren ja erkennbar die Retter des Universums und mussten von jeglicher Kritik ferngehalten werden. Folglich schlug das Pendel plötzlich zur anderen Seite aus und aus Fans wurden Hasser. Und es ging auch irgendwann gar nicht mehr darum, was ich schrieb, sondern nur noch darum, dass ich es geschrieben hatte. Vom Freund war ich zum Feind geworden, dabei hatte ich gar nichts anders gemacht als vor dem August 2014: Ich hatte Mißstände, die mir aufgefallen waren, kritisiert. Unabhängig von der Person, die dafür verantwortlich war.

Im Übrigen kann man sich die (Personal)-Entwicklung der letzten 3 Jahren anschauen, offenkundig habe ich mir meiner Kritik nicht so weit daneben gelegen. Dies betrifft sowohl Vorstand und AR, wie auch den sportlichen Bereich.

Es gab dann einen Vorfall, der mir ganz besonders in Erinnerung geblieben ist, weil man an diesem Beispiel erkennen kann, wie die Nummer läuft. Einige Monate nach der erfolgreichen Ausgliederung meldete sich der ehemalige Präsident und Aufsichtsrat Jürgen Hunke zu Wort. In einem Interview machte er verschiedene Dinge deutlich und das, was Hunke sagte, stimmte zu 100%. Was passierte: Er wurde von zahllosen Jüngern niedergemacht. Nicht etwa, weil das, was er gesagt hatte nicht stimmte. Nein, weil es Hunke war, der es sagte und dieser hätte kein Recht, etwas zu kritisieren, denn er war ja einer der Totengräber, der Plus-Gegner, der Abstimmungs-Verlierer und damit hatte er automatisch das Recht verwirkt, sich zu äußern. Mochten die Dinge, die er ansprach, auch noch so richtig sein, es war ja Hunke, der es sagte und damit waren sie automatisch falsch.

Ich kann mich erinnern, dass ich mich damals auf die Seite des ehemaligen Gegners gestellt hatte und Hunkes Ansichten teilte. Ich habe damals versucht, es zu erklären und habe versucht, den Leuten zu erklären, dass sie sich nicht auf den Autor, sondern auf den Inhalt konzentrieren sollten, vergebliche Liebesmüh. Eh ich mich versah, mutierte ich zum Hunke-Freund, zum Ausgliederungsgegner, zum HSV-Hater, was für ein Wahnsinn. Nur zur Information übrigens: Es war Jürgen Hunke, der damals noch als Mitglied des Aufsichtsrats als Erster eine Ermittlung gegen Marketing-Mann Joachim Hilke forderte, soviel dazu. Dieses von mir als „Hunke-Prinzip“ bezeichnete Phänomen kann ich heute tagtäglich beobachten und zum Teil macht es betroffen. Ein paar Beispiele.

Der Fall Maxi Beister. Beister, damals vom HSV mit Abfindung vom Hof gejagt, hatte es gewagt, in einer Regionalzeitung ein Interview zu geben. Ein Auszug:

Lünepost: Noch mal zum HSV. Sie sollen für Ihre Vertragsauflösung 250.000 Euro als Abfindung vom HSV erhalten haben. Ist das richtig?

Beister: „Zahlen bestätige oder dementiere ich nicht. Interessanter ist doch, dass der HSV mir vorschreiben wollte, in die 2. Liga zu wechseln. Und wie die sich getäuscht haben, als sie glaubten, für mich gäbe es keinen Markt mehr in der 1. Liga.“

Lünepost: Das klingt noch immer nach Enttäuschung.

Beister: „Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie das abgelaufen ist. Viele Fans hatten ein Gespür dafür und haben Solidarität mit mir gezeigt. Aber so ganz genau wird wohl nie jemand dahinter kommen, was da hinter den Kulissen los war.“

Lünepost: Als Betroffener hat man ja Antennen, die Signale aufnehmen in so einer prekären Situation. Schließlich hatten Sie in den Testspielen Tore erzielt und als Teilzeitkraft nach fast 15 Monaten Verletzungspause überzeugt. Vor allem litt die HSV-Elf ja unter erheblicher Offensivschwäche!

Beister: „Ja, was beim HSV da abging, ist nur schwer zu erklären. Ich wusste jedenfalls, als Labbadia in die Kabine kam, dass meine Zeit beim HSV abgelaufen ist. Und es gibt Verhältnisse beim HSV, die sind schon merkwürdig.“

Lünepost: Wen meinen Sie?

Beister: „Na ja, den Vorstandsvorsitzenden (Dietmar Beiersdorfer, Anm. d. Red.) jedenfalls nicht. Wer die Berichterstattung in den Hamburger Zeitungen aufmerksam beobachtet, wird feststellen, was da läuft. Da werden Berichte gesteuert, die Bestimmtes bewirken sollen. Beim HSV wurde in den letzten Jahren personell so viel durchgetauscht und ausgewechselt, auf allen Etagen. Da muss man nur mal genau prüfen, wer davon nicht betroffen war, und dann überlegen, was dahinter stecken könnte. Aber gut, diese Akte ist jetzt für mich geschlossen. Ich bin dankbar, hier in Mainz einen Neuanfang starten zu können!“

Mal ganz unabhängig davon, wie die Karriere Beisters im Anschluss weiter verlaufen ist, aber das, was er sagt,  entsprach damals und entspricht heute der Realität. Berichte wurden und werden gesteuert, bestimmte Leute profitieren immer davon bzw. werden nicht angegangen usw usw. Das Problem war aber: Es war Maxi Beister, der dies sagte und der war ebenfalls von „bester Mann“ zum verzichtbaren Judas mutiert. Folglich erntete er einen Shitstorm von entrüsteten HSV-Wutbürgern, die ihm niedere Absichten unterstellen wollten.

Anderes Beispiel, von gestern. Johan Djourou.

Frage: Öffentlich sagte Markus Gisdol, er wolle dem Team eine neue Kultur einimpfen.

Djourou. So sagte er das gegenüber den Medien… Es war in einer Zeit, in der die Debatten begannen, ob der Trainer weg muss. Es machte den Eindruck, dass der Trainer das Problem an einen anderen Ort zu verschieben versuchte. Damit die Leute über ein Thema zu reden hatten – also den Captain-Wechsel. Wenn jemand über so lange Zeit wie ich für den HSV kämpft, dann finde ich den Umgang mit mir etwas . . . (überlegt)

Das, was der ehemalige Kapitän von sich gibt, entspricht der Wahrheit, das wird wohl kaum jemand anzweifeln. Aber: Djourou ist nicht mehr wohlgelitten, sein Vertrag läuft zum Saisonende aus, er ist seinen Stammplatz los. Folglich hat er jegliches Recht verloren, sich in dieser Art zu äußern, obwohl jeder weiß, dass er die Wahrheit sagt. Aber er darf diese Wahrheit eben nicht sagen.

Daniel PodlaslyWas ist das denn für ein Heuchler? Das Team steht an erster Stelle? Dann halt deine Fresse und geb nicht solche Interviews während wir gegen den Abstieg kämpfen. Lächerlicher Typ, das zeigt nur das die Entscheidung richtig war

Dan Valijani Das Team steht an erster Stelle? Warum heult er sich JETZT bei den Medien aus? Wir brauchen Ruhe im Verein

Basti SiffrediDjourou die Pfeife soll mal aufhören zu heulen. Er hat gegen Dortmund wie ein Kreisligaspieler gespielt und das zu Uns Uwes Geburtstag! Die anderen beiden seiner Dreierkette waren komischerweise nicht so schlecht wie Er. Geh Djourou Bitte! Und schämen solltest du Dich was du Uwe Seeler angetan hast. Ganz zu schweigen von deinen 1546 weiteren Slapstick Einlagen bei anderen Spielen. Komisch… wieso ist die Abwehr ohne Dich so stabil? Weil du ne pfeife bist! Das du in der ersten 11 für die Schweiz spielst, spricht nicht für die nationalelf! Danke

Michael Rathach Gottchen, der arme Bub aber auch – ob ihm schon mal einer gesagt hat, dass er Profifussball und nicht mehr Förmchenverstecken im Sandkasten spielt!?

Maria Alex Lutjen GüntherDie Leute vergessen schnell ….. O man, man liest echt nur Mimimi …..War die richtige Entscheidung von Gisdol.

Kilian GraubohmSofortige Suspendierung bitte. Den Typ braucht kein Mensch. Sportlich ein Reinfall und menschlich offensichtlich auch.

Noch Fragen? Es wäre interessant zu sehen, was passieren würde, wenn Bobby Shou Wood diese Aussagen getätigt hätte. Ich bin zu 100% sicher, die Reaktionen dieser Hohlbratzen würden anders ausfallen. Natürlich habe ich die Hoffnung längst aufgegeben, die Leute dazu zu bekehren, auf den Inhalt der Aussage und nicht auf den Urheber zu achten, aber dennoch. Weiter im Text. Daniel Jovanov führte in der taz ein Interview mit Ex-Aufsichtsrat Manfred Ertel.

taz: Eine große Kampagne hat 2014 zu einer Neustrukturierung und Ausgliederung des Profifußballs und zum Ende Ihres Engagements geführt. Ist seitdem irgendetwas besser geworden?

Ertel: Die Kampagne hat uns gelehrt: Wer am lautesten schreit, hat längst nicht immer recht. Keines der vielen Versprechen wurde gehalten, sportlich und finanziell ist die Bilanz desaströs. Ich empfinde als Gegner der Ausgliederung aber keine Genugtuung, sondern bin einfach nur wütend, weil die Initiatoren von damals heute nichts mehr damit zu tun haben wollen. Nach dem Motto: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern. Vieles, was damals gelaufen ist, hatte mit Fairplay und Demokratie wenig zu tun. Leidtragende sind der HSV und seine Fans.

Mal ganz ehrlich und objektiv betrachtet – hat Ertel nicht zu 100% Recht? Natürlich hat er, aber er darf das nicht sagen! Er mit seiner „unrühmlichen“ Vergangenheit. Er, der im Rat der Ahnungslosen saß. „Der Ertel soll mal lieber die Fresse halten, der hat es gerade nötig“. Aber warum sollte er die Fresse halten? Ich bin nun zu 100% unverdächtig, ein Manfred Ertel-Fan zu sein, aber warum darf man die Wahrheit nicht sagen, nur, weil man eine Vergangenheit hat? Muss man deshalb demütig den Mantel des Schweigens über alles zerren und sich bis in alle Ewigkeit schämen? Mit Sicherheit nicht!

Letztes Beispiel. Ernst-Otto Rieckhoff, ehemals Brückenkopf der Mitgliederinitiative HSVPLUS. Im Mai 2015 rechnete der ehemalige AR-Vorsitzenden mit den Erben seiner Initiative schonungslos ab und spätestens heute, im März 2017 wissen wir, dass er absolut richtig lag.

„Mit hanseatischem Kuschelkurs kommen wir nicht mehr weiter, nur mit Klartext. Mit großem Entsetzen habe ich festzustellen, dass die HSV-Verantwortlichen die Verschuldung nochmals in die Höhe getrieben haben. Die Option des Anteilsverkaufs hätte nur zur Entschuldung beitragen sollen, nicht zur Finanzierung neuer Spieler. Man hätte im vergangenen Sommer nicht durch ein weiteres Darlehen durch Herrn Kühne derart massiv investieren, und schon gar nicht zum falschen Zeitpunkt die einfache Lösung der Kapitalumwandlung auf dessen Druck hin und in Hinsicht auf eine Lizenzabsicherung mit schnellem Geld zulassen dürfen. Hier von einem guten Deal zu sprechen, trifft auf Herrn Kühne zu, nicht auf den HSV“

„Es war meine Fehleinschätzung“

„Es war, und das räume ich ein, meine Fehleinschätzung, dass die Nähe des Vorsitzenden des Aufsichtsrates zu Herrn Kühne, zumindest in meiner Wahrnehmung, letztlich nicht in Unabhängigkeit und zum Wohle des HSV genutzt wurde. Die externe Einflussnahme und deren Duldung, was HSVPlus eigentlich komplett verhindern wollte, wird ganz offensichtlich durch die persönliche Abhängigkeit begünstigt. Das gilt insbesondere für die Kapitalübertragung, aber auch für einen äußerst denkwürdigen Vorgang, wonach der HSV demnächst seinen jahrzehntelangen Versicherungsmakler für das Stadion wechselt. Und zwar zugunsten eines Maklers, der zum Konzern von Kühne+Nagel gehört.

„Ein weiteres Beispiel ist, dass Herr Tuchel zu einem Vorstellungsgespräch zu Herrn Kühne geflogen wurde. Hatten wir das nicht schon mal vor drei Jahren, als das vermeintliche Geschenk Rafael van der Vaart einschließlich seiner Frau Sylvie auf Druck von Herrn Kühne gegen die damalige sportliche Leitung verpflichtet wurde und den HSV finanziell in die Krise getrieben hat? Soll das doch Mahnung genug sein, nur noch rational zukunftsträchtige Entscheidungen zum Wohle des Klubs in Unabhängigkeit zu treffen. Wo anders entscheidet ein Minderheitsinvestor über Personalien mit und wo lassen das Aufsichtsräte und Vorstände zu?“

Für mich wurden sportliche Entscheidungen mit desaströsen finanziellen Auswirkungen getroffen, mit der Folge des höchsten Personalbudgets aller Zeiten. In einer derartigen strukturellen Verschuldungslage rund 40 Millionen inklusive der Holtby-Verschiebung ins nächste Geschäftsjahr zu investieren, übersteigt meinen Horizont. Selbst, wenn 20 Millionen als Einnahmen dagegen zu rechnen sind. Eine Handschrift zur Formung eines funktionierenden Mannschaftsgefüges gibt es erst seit kurzem durch einen neuen Trainer. Der hat die Scherben zusammengefügt, nicht etwa die Vereinsverantwortlichen, die das zuvor hätten tun müssen. Außerdem ist noch nichts Wahrnehmbares im Nachwuchsbereich geschaffen worden. Ein unverzichtbarer Weg über die Jugendarbeit in die nahe Zukunft ist nicht erkennbar. Das Thema Aufbau sportlicher Kompetenz ist bislang komplett in die Hose gegangen.“

„Forderungen im HSVPlus-Konzept, eine Vision, eine Philosophie und vor allem eine sportliche und unternehmerische Strategie zu entwickeln, sind nicht erkennbar.“

„Außer den organisatorisch bedingten Effekten ist nichts durch die aktuelle Führungscrew des HSV von HSVPlus übernommen worden. Man wurschtelt so weiter in einen unerträglichen Zustand hinein, man hat sich in eine äußert gefährliche Abhängigkeit manövriert und man lernt nicht aus den eklatanten Fehlern der Vergangenheit. Zu HSVPlus gab und gibt es keine Alternative. Die auf dem Silbertablett servierten Chancen auf einen kompletten Neuanfang sind sträflich ignoriert worden. Der HSV muss im AG-Bereich daher auf ‚Los‘ zurück und die Reset-Taste drücken.“

Was folgte war der obligatorische Shitstorm, Rieckhoff hatte binnen weniger Sekunden die Rollen gewechselt. Weg vom Hoffnungsträger, hin zum Pester. Und natürlich wurden ihm niedere Motive unterstellt, ist ja logisch. Niemand sagt die Wahrheit einfach nur so, da muss doch etwas dahinterstecken.

Ich könnte nun erneut Beweise für die Richtigkeit all dieser Aussagen aufführen, aber das habe ich so oft gemacht. Die Wahrheit wird immer die Wahrheit sein und bleiben und es ist am Ende scheißegal, wer sie sagt und welche Vergangenheit er hat. Propaganda wird woanders gemacht, nämlich da, wo die Unwahrheit verbreitet oder die Realität unterdrückt oder verschwiegen wird. Bei schleimigen und fremdfinanziert Hofberichterstattern. Bei Profit-orientierten Mitverdienern. Und bei Opfern, die die Realtität einfach nicht ertragen können.

Die Leidtragenden aber werden immer die Anhänger sein.