Im Juni soll es nun also endlich soweit sein, der HSV eröffnet den neuen Campus oder anders gesagt, die Alexander-Otto-Akademie. Mit nur 4 Jahren Verspätung wird nun also ein Gebäude mit Leben gefüllt, welches im Laufe der Zeit mehrfach finanziert wurde (Fan-Anleihe) und welches heute ohne den Spender Alexander Otto immer noch nicht stehen würde. Aber immerhin, es steht. Was aber bedeutet dieses (Bau)-Projekt jetzt eigentlich für den Verein? Insgesamt 16 Jugendliche sollen permanent dort wohnen, viele weitere sollen in den nächsten Jahren dort ausgebildet werden, am besten zu professionellen Fußballer. Der HSV selbst verspricht sich vom Campus eine Verbesserung des Standort-Vorteils, man erhofft sich, begehrte Nachwuchskicker aus dem norddeutschen Umland mit einem Gebäude ködern und von Vereinen wie Wolfsburg, Bremen, St. Pauli, Hansa Rostock etc. fernhalten zu können.

Beiersdorfer: „Ein Ausbildungsverein werden wir nicht werden, das ist schwierig. Dafür ist der Club und das mediale Umfeld zu massiv. Hier werden gestandene Spieler in der Lage sein müssen, jungen zur Seite zu stehen, damit sie sich entwickeln. Ein Kindergarten werden wir nie werden können.“ (Abendblatt, 12.08.2016)

Nun, bei einigen mag das gelingen, aber die nächste Frage schließt sich unmittelbar an und die Beantwortung dieser Frage wird am Ende des Tages elementarer sein als der Basketball-Platz auf dem Oberdeck der Akademie: Was passiert dann mit den ausgebildeten 18-21-Jährigen? Werden sie im Bundesliga-Kader des Hamburger Sportvereins jemals einen Platz finden? Werden jeweils drei von ihnen pro Jahr einen Profivertrag erhalten, um den Local-Player-Status des Vereins zu erfüllen und dann nach Ablauf des Vertrags in der 3. Liga zu verschwinden? Wird jemals einer von ihnen in der Startelf in einem Bundesligaspiel stehen? Wenn man ehrlich ist, stehen die Chancen hierfür eher schlecht, betrachtet man auch die Entwicklung der letzten 3 (teuren) Jahre unter Bernhard „the gift“ Peters aka Latschen-Bernie.

Bruchhagen: Wir werden es in Zukunft sicher nicht wie der SC Freiburg handhaben können, denn die Erwartungshaltung in Hamburg ist eine andere (goal.com, 28.03.2017)

Hat irgendeiner der beim HSV ausgebildeten Spieler in den letzten 3 Jahren den echten Sprung in die Liga-Mannschaft geschafft? Und nun bitte nicht mit Gideon Jung kommen, der wurde in Baumberg und in Oberhausen ausgebildet, aber sicher nicht von Herrn Peters.  Wenn man ehrlich ist, ist Peters bisher jeglichen Nachweis schuldig geblieben, innerhalb von 3 Jahren Spieler zur Bundesliga-Reife ausbilden zu können. Dafür hat der Mann jedoch fürstlich kassiert und reichlich dummes Zeug gelabert. Schauen wir uns den Kader doch mal an.

Oliver Oschkenat (23), Innenverteidiger, kein Bundesligaspiel

Frank Ronstadt (19), rechter Verteidiger, kein Bundesligaspiel

Vasilije Janjicic (18), def. Mittelfeld, kein Bundesligaspiel

Dren Feka (19),  def. Mittelfeld, kein Bundesligaspiel

Finn Porath (20), off. Mittelfeld, 15 Sekunden Bundesliga

Mats Köhlert (18), Linksaußen, kein Bundesligaspiel

Traurige Bilanz. Und an dieser Bilanz wird sich auch nichts ändern und das hat bestimmte Gründe. Da ist zuerst einmal der Anspruch des Investors. Klaus-Michael Kühne sind Eigengewächse scheißegal, er will Erfolg. Und er will Stars, deshalb gewährt er immer wieder Kredite oder ersteht AG-Anteile, schenken tut der Mann mal überhaupt nichts, aber das haben viele immer noch nicht begriffen. „Ach, soll der doch so viele Anteile wie möglich kaufen, ist doch egal“. Nein, verdammt, ist es eben nicht. Aktuell gehören Kühne knapp 11% der HSV-Fußball AG und bereits jetzt bestimmt er jeden Handschlag. Warum wurde im Winter ein teurer Olympia-Sieger aus Brasilien geholt (und sitzt jetzt auf der Bank)? Weil Kühne es wollte. Ende.

Ein weiterer, oft und gern zitierter Grund für das Ignorieren des eigenen Nachwuchs lautet: Es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Meine Fresse, was für ein Bullshit. Wann genau ist denn der richtige Zeitpunkt? Mal überlegen, ob ich das richtig verstanden haben: Befindet sich der HSV (wie eigentlich immer) mitten im Abstiegskampf, ist es nicht der richtige Zeitpunkt für Nachwuchsspieler, denn die armen Jungs könnten ja am Druck zerbrechen. Schauen wir uns die Liga doch mal an.

Bayern, Dortmund, Leipzig, Leverkusen, Schalke, Gladbach, Wolfsburg. Diese Vereine werden, wenn eine Saison normal verläuft, immer vor dem HSV landen und der Vorsprung auf die ersten 3 ist nicht mehr aufzuholen. Mittlerweile kommen auch noch Teams aus Berlin, Hoffenheim und Köln hinzu, was bedeutet, dass sich der HSV bestenfalls in Richtung 9. oder 10. Tabellenplatz orientieren könnte und ab dort beginnt der Abstiegskampf! Aber spinnen wir doch mal ein wenig und nehmen an, der HSV wäre am 24.Spieltag der nächsten Saison auf Tabellenplatz 5. Wäre dann der richtige Zeitpunkt für den Nachwuchs? Mitnichten, denn dann hätte der Verein ja plötzlich etwas zu verlieren, diesmal im positiven Sinne und auch dann wäre der Druck zu groß für die Bubis. Mit anderen Worten: In der Welt des HSV existiert der richtige Zeitpunkt für eigene Nachwuchs-Talente überhaupt nicht. Wäre man provokativ, könnte man erwägen, den gesamten Talente-Quatsch  auf ein Minimum einzustampfen, es kostet eh nur Millionen und es kann aufgrund der äußeren Umstände gar nicht zum Erfolg führen.

Vor einigen Wochen erklärte Wundertrainer Gisdol, er hätte absolut keine Probleme, aufgrund der Verletzungs-Situation auf der 6er-Position, einen Vasilije Janjicic reinzuwerfen. Hat er es getan? Mitnichten, stattdessen wurde Walace für knapp € 10 Mio. aus Brasilien geholt. Und: An den Aussagen der Vereins-Bosse Beiersdorfer und Bruchhagen ist doch mehr als deutlich abzulesen, dass von vornherein der Wille fehlt, auf eigenen Nachwuchs setzen zu wollen. Es wird nebulös von einer „Erwartungshaltung“ gesprochen, was Namen und Ablösesummen betrifft, aber nicht einer dieser Schwätzer ist überhaupt in der Lage zu erklären, wer diese „Erwartungshaltung“ überhaupt äußert. Ich jedenfalls kenne keinen HSV-Anhänger, der andauernd komplett überteuerte Superstars fordert und HSVPLUS hatte mit einer Mehrheit von knapp 88% den exakt gegenläufigen Weg eingeleitet, der dann aber nie beschrittten wurde.

Zusammengefasst: Der neue Campus, die Alexander-Otto-Akademie, wird nur dann irgendeinen Zweck erfüllen, wenn der HSV gezwungen wird, auf eigene Talente zu setzen. Dies wird jedoch so lange nicht geschehen, wie Kühne Stars sehen möchte und wie Trainer aus Angst vor der Situation lieber auf 30-jährige Aaron Hunts setzen. Oder mit anderen Worten: Der Campus kommt erst dann zum tragen, wenn der HSV abgestiegen ist bzw. bis Kühne keine Rolle mehr spielt. Bis dahin ist er ein teures Prestige-Objekt, nicht mehr.