Hamburger Sportverein, ein Verein zerlegt sich in seine Bestandteile. Die Frage, ob man die permanenten Katastrophen, sportlich oder kommunikativ, überhaupt noch kommentieren muss, ist wahrscheinlich die am schwersten zu beantwortende. Eine andere Frage ist dagegen längst beantwortet, nämlich:

Welcher Verein in der Bundesliga hatte jemals einen Abstieg mehr verdient als dieser HSV?

Die „Highlights“ der letzten Wochen?

5 Spiele, 4 Niederlagen, davon 3 in Folge gegen direkte Konkurrenten.

Erst Arroganz, nun Unfähigkeit. Während man sich gefühlt auf Platz 8 der Tabelle wähnte, ließ absolut alles nach, aus Spannungsabfall wurde Spannungsabsturz.

Krieg mit den eigenen Ultras. 

„Es ist mir angesichts der Vorkommnisse der letzten Zeit völlig unverständlich, wie unsensibel von Teilen der Fans vorgegangen wird“, sagt der Vorstandsvorsitzende. „Wer einen Böller wirft, will dem HSV bewusst schaden. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Anhänger des HSV dies zulassen.“ Torhüter Christian Mathenia war ebenfalls verärgert. „Wir wollten gleich am Anfang Vollgas geben, doch dann mussten wir warten und sind aus dem Rhythmus gekommen. Die Pause durch die Nebel-Töpfe hat uns geschadet“

Der Eine sagt A, der Andere sagt B.

Während Sportchef Todt vor einigen Tagen erklärte, dass im Falle des Klassenerhalts das Gerüst der Mannschaft stehen würde, wanderte Vorstandsvorsitzender Bruchhagen in die exakt andere Richtung. Man muss sich fragen, ob innerhalb der Führungsgremien überhaupt miteinander kommuniziert wird und wenn ja, ob man überhaupt eine gemeinsame Idee verfolgt.

„Dem HSV steht ein Umbruch bevor, das kann ich schon sagen. Was genau geschehen wird, darüber zu reden, ist es zu früh und jetzt auch nicht zielführend. Aber es wird sich einiges tun“, sagte Bruchhagen vor dem wegweisenden Auswärtsspiel beim direkten Konkurrenten FC Augsburg am Sonntag

Bruchhagen grenzt den Rest des Vereins von der Mannschaft ab.

Ob die Spieler Angst haben, weiß ich nicht, aber die Leute hier in der Geschäftsstelle, die von einem Abstieg unmittelbar betroffen wären, die haben mit Sicherheit Angst um den Verein. Ich übrigens auch, und alle, die hier Verantwortung tragen. Denn ein Abstieg hätte mit Sicherheit nachhaltige Auswirkungen auf den Klub“, sagte Bruchhagen.

Warum sich der Chef zu diesem Zeitpunkt zu solchen Äußerungen hinreißen lässt, wird wohl sein Geheimnis bleiben.

Gisdol versucht, Konsequenz zu leben und sortiert Bauernopfer aus.

Der HSV setzt im Saison-Endspurt darauf, noch einmal alle Kräfte zu bündeln und auf das gemeinsame Ziel Klassenerhalt zu fokussieren. Aus diesem Grund wird die Trainingsgruppe in den letzten Wochen der Spielzeit verkleinert. Die Spieler Johan Djourou, Nabil Bahoui und Ashton Götz gehören deshalb ab sofort nicht mehr dem Kader des HSV an. Diese Entscheidung wurde am Dienstag getroffen und den Spielern mitgeteilt. „Wir haben noch drei Spiele, in denen wir alles selbst richten können. Wir müssen in dieser entscheidenden Phase alles unserer Mission unterordnen. Deshalb haben wir entschieden, unsere Kräfte noch einmal zu bündeln und unsere Trainingsgruppe für den Saison-Endspurt zu verkleinern“, erklärt Sportchef Jens Todt die Maßnahme. (HSV.de)

Genau der richtige Weg, denn besonders die Spieler Djourou, Götz und Bahoui hatten in den letzten Spielen extrem enttäuscht und für die Rückkehr auf einen Abstiegsplatz gesorgt. Während Akteure wie Ostrzolek, Hunt, Diekmeier, Kostic, Mavraj, Gregoritsch und Papadopoulos sich als vorbildliche HSV-Angestellte präsentierten, ließen die nun ausgesperrten Kicker die Zügel schleifen und schadeten dem Verein massiv. Demzufolge war eine Suspendierung überfällig.

Panik-Trainingslager 

Der HSV will die Kräfte im Saison-Endspurt noch einmal bestmöglich bündeln und alle auf das gemeinsame Ziel Klassenerhalt fokussieren. Dafür werden Markus Gisdol und sein Team vor dem Heimspiel gegen den 1. FSV Mainz 05 (7. Mai, ab 15:15 Uhr live im HSVnetradio) ein Kurztrainingslager beziehen. Dieses findet von Donnerstag (4. Mai) bis Sonnabend (6. Mai) in Rotenburg (Wümme) statt. „Wir wollen uns gemeinsam auf die schwierige Aufgabe am Sonntag fokussieren und alles andere ausblenden“, sagt Jens Todt. In der niedersächsischen Kleinstadt wird der HSV auf der Anlage des SV Rotenburg trainieren. Am Sonnabendnachmittag geht es dann ins Mannschaftshotel nach Hamburg. (HSV.de)

Als jemand, der selbst schreibt, fragt man sich, ob die Verfasser diese Pressemitteilungen lediglich Floskeln wie „Kräfte bündeln“ zur Verfügung haben, aber egal. Ein Trainingslager zu diesem Zeitpunkt ist ein Offenbarungseid.

Der drohende Lizenzentzug

Deshalb schlage ich einen anderen Blickwinkel vor, um den großen Bruch, der sich gerade offenbart, zu erklären. Die Ursache der mentalen Ermüdung könnte woanders liegen: Es geht um die Lizenz für die nächste Saison. Die Meldung auf der Homepage am 19. April wirkte wie eine Randnotiz, ist wahrscheinlich aber eine der wichtigsten Nachrichten der Saison. „Wir haben die Lizenz erwartungsgemäß mit Bedingungen erhalten. Die Bedingungen werden wir fristgerecht erfüllen“, sagte Finanzvorstand Frank Wettstein. Passiert das nicht, gibt es keine Lizenz. Die Ampel der DFL kann also nur auf Grün oder Rot springen – dazwischen gibt es nichts. Die Bedingungen wiederum haben es in sich.

Um eine ausgeglichene Bilanz im „operativen Geschäftsbereich“ vorzuweisen, muss der HSV Einnahmen steigern oder Ausgaben drosseln. Weil er seine Einnahmen nicht signifikant steigern kann, da die Stadionauslastung bereits sehr gut und die Ticketpreise unverschämt hoch sind, die Verträge mit den großen Sponsoren erst kürzlich verlängert wurden und andere große Einnahmen nicht zu erzielen sind, bleibt nicht viel übrig, als Spieler abzugeben. Trotz der höheren Einnahmen aus dem TV-Vertrag.

Auch Investor Klaus-Michael Kühne kann nicht mehr helfen, da zum Beispiel der Verkauf weiterer Anteile bilanziell nicht als Ertrag zu verbuchen wäre. Und eine Verlängerung des Namenssponsoring für das Volksparkstadion periodisch abgegrenzt werden muss. Was er tun könnte? Geld leihen, damit der HSV Abfindungen für Spieler wie Lewis Holtby oder Pierre-Michel Lasogga bezahlen kann, für die es andernfalls keinen Abnehmer gäbe. Die Folge? Eine maßlose Überschuldung.

(Daniel Jovanov auf goal.com)

Bedeutet? Sollte der HSV die Klasse halten, muss er massiv sparen und den Etat abspecken. Was dies für einen Kader bedeutet, der bereits zum jetzigen Zeitpunkt nicht Erstliga-tauglich ist, kann sich jeder ausrechnen. Steigt der HSV jedoch sportlich ab, bricht alles zusammen. Die Spieler müssten, größtenteils weit unter Marktwert , verscherbelt werden, der Etat mindestens halbiert, die Geschäftsstelle hätte keine 50% der aktuellen Mitarbeiter-Größe. Aber den HSV drücken Schulden und die müsste er auch in der 2. Liga bedienen, nur wie? Im Grunde ist ein Abstieg aus der Bundesliga gleichbedeutend mit einem Lizenzentzug und dann geht’s direkt in Liga 4. Die Herren wissen das und sind aus diesem Grund entsprechend panisch.

Nehmen wir nur diese letzten Wochen, lassen wir die 3 Jahre Verbrennungs-Dorfer, Schnarchow, Aufsichtsrat einmal raus. Vergessen wir mehr als € 100 Mio. Transferkosten für das schlechteste Torverhältnis der Liga. Denken wir nicht mehr an Transfers wie Tah, Demirbay, Badelj, Skjelbred, Rincon etc. Lassen wir auch geniale Käufe wie Behrami, Olic, Hunt, Kostic, Douglas Santos, Walace, Halilovic, Waldschmidt, Mathenia, Schipplock, Holtby, Lasogga, Ekdal, Gregoritsch, Cleber etc. heute mal keine Rolle spielen. Lassen wir nur die letzten Wochen auf uns wirken!

HSV – ein Verein hat es geschafft, sich in 6 Jahren systematisch abzuschaffen. Herzlichen Glückwunsch.

Ach ja, fast vergessen. Nebenbei verklagt der HSV zur Zeit seinen ehemaligen Marketing Vorstand wegen Mauschelei. Erschütternd, dass dies nur noch eine Randnotiz ist.