Ein Gastblog von Kerberos

 

Nach der Saison ist vor der Saison und von daher verbietet sich für den echten, den wahren HSV-Fan mit Hüpf-Schleuder-Trauma und rezidivierender Spieltag-Depression eine Rückschau auf die abgelaufene Saison eigentlich von selbst. Frei nach dem Motto eines untergegangenen, maroden Staatsgebildes: „vorwärts immer, rückwärts nimmer“. Warum denn auch eine Rückschau? Viel zu groß wäre doch die Gefahr, dass eine faktische Vergegenwärtigung der abgelaufenen Saison die so mühevoll konstruierte selektive Erinnerung an diesen geilen HSV jäh wieder zerstören könnte. Und schließlich wurde das sportliche Ziel am Ende ja noch ungefährdet erreicht: „Immer erste Liga“.

Überdies ist dies zudem auch der unwiderlegbare Beweis dafür, dass man dieser „neuen Führung“ sein Vertrauen nicht nur schenken kann, sondern ins Besondere in Hinblick auf die neue Saison gar rückhaltlos schenken muss. Offenbart doch ins Besondere der Blick auf die „wahre Tabelle“, die Rückrunden-Bilanz oder besser noch auf einen sonst wie frei erwählten Betrachtungszeitraum: dieser HSV mit seiner „neuen Führung“ und seinem „alten Gönner“ hat einfach das Zeug für Europa; genau genommen sogar Champions-League-Qualität. Es wird einfach wieder eine geile Saison werden.

Und wen bitte soll beim Blick durch die rosarote Fan-Brille auch schon interessieren, dass dieser HSV, außer vielleicht Hunger und Durst, nichts mehr sein Eigen nennen darf, weil er aktuell auf mindestens € 130 Mio Schulden sitzt? € 17 Mio Fan-Anleihe, € 40 Mio Schuldscheindarlehen, € 26 Mio Stadion-Finanzierung (Kühne) und natürlich € 48 Mio Spieler-Finanzierung (Kühne). Aber „traditionell“ haben Fakten und Rationalität bei Entscheidungsfindungen des HSV allzu oft nur eine untergeordnete Rolle gespielt.

Nun sind diese € 130 Mio Schulden aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Denn hinzu kommen die Darlehen (Kühne) zur Refinanzierung der Spielergehälter in noch unbekannter Höhe sowie die Eventualverbindlichkeiten aus bereits gewährten Besserungsscheinen. Über die vermeintlichen Forderungen des Finanzamts wegen der Zuschreibungen auf das Stadion (+ € 20 Mio aus der Bilanz 2015/16 um die operativen Verluste des HSV zu retuschieren), sei an dieser Stelle noch der Mantel des Schweigens gelegt. Vor dieser Situation ist eigentlich nicht die Frage, wen es interessiert, sondern vielmehr, wann es unweigerlich interessieren muss.

Nun gut; dass schlussendlich auch noch die DFL bei der Lizenzvergabe nicht mehr so recht mitspielen wollte, war für die hüpfende Bölkstoff-Truppe aus der Nordkurve eigentlich eine von vornherein schon ausgemachte Sache und am Ende nur die Bestätigung dafür, dass eben bei der DFL tatsächlich ausschließlich „Hater der Raute“ am Werk sind. Schließlich zeichnete sich bereits über die ganze Saison durch die fortwährenden Schiedsrichter-Benachteiligungen nur allzu deutlich ab, dass man seitens der DFL den HSV mit allen Mitteln aus der Bundesliga drängen wollte. Pippi Langstrumpf lässt herzlich grüßen.

Daher an dieser Stelle das Ende des Lizenzdramas, soweit es bisher bekannt wurde, in gebotener Kürze: der HSV erhält eine Lizenz, er schafft durch Kapitalerhöhung ein zusätzliches Eigenkapital von € 20 Mio zur Kompensation der erwartbaren operativen Verluste aus der kommenden Saison 2017/18, hinterlegt zudem bei der DFL eine Bankgarantie als zusätzliche Liquiditätsreserve und senkt den Spieler-Etat von € 56 Mio auf € 48 Mio um satte € 8 Mio. Die Kapitalerhöhung und die Bankgarantie konnten dabei bereits durch den Einsatz des „Edelfans“ K-M Kühne recht zügig und geräuschlos erfüllt werden. Wie aber will man nun beim HSV einen wettbewerbsfähigen Kader mit einem maximalen Gehaltsvolumen von € 48 Mio für die nächste Saison auf die Beine stellen, solange eben noch der Ballast eines Lasogga, Holtby, Hunt, etc. auf der Gehaltsliste mitgeschleppt werden muss? Hier darf man tatsächlich gespannt sein.

Klar, dass zu allem Überfluss am Ende der „Lizenz-Schlacht“ auch noch der Märchenonkel F. Wettstein im Duktus eines Demagogen auf der offiziellen Homepage des HSV mit grenzwertigen „Siegesmeldungen von der Finanz-Front“ aufwarten musste. „Trotz der schwierigen sportlichen Situation konnte und kann der HSV auf verlässliche Investoren zurückgreifen. …. Insgesamt hat die HSV Fußball AG seit der Ausgliederung des Lizenzspielbetriebs aus dem Hamburger Sport-Verein e.V. im Jahr 2014 rund 20% der Anteile im Wege der Kapitalerhöhung platziert und damit das Eigenkapital um rund Euro 60 Mio. verbessern können.“

Sehr wohlfeil, stets knapp am Rand zur Lüge, formuliert Herr Wettstein. Denn € 40 Mio der hier gelisteten € 60 Mio konnten streng genommen nie zu einer „Verbesserung“ beitragen, weil diese € 40 Mio in Tranchen stets umgehend zum Verlustausgleich der unrühmlichen Taten in der AG-Vergangenheit herangezogen werden mussten – diese € 40 Mio wurden einfach nur von einer exzellenten Führung „verbrannt“. Und die restlichen, im Zuge der Lizenzerteilung generierten, € 20 Mio von K-M Kühne?

Nun, diesen € 20 Mio ist bereits das gleiche Schicksal wie den bereits „verbrannten“ € 40 Mio sicher, denn die Bestimmung dieser von der DFL als Bedingung geforderten zusätzlichen € 20 Mio Eigenkapital ist es, die erwartbaren operativen Verluste der kommenden Saison 2017/18 auszugleichen. Es brennt also weiterhin lichterloh beim HSV und dies ist mitnichten ein Freudenfeuer des Nicht-Abstiegs.

Richtig ist im Grunde genommen einzig, dass die Mitglieder des HSV nunmehr bereits 20% des Ihnen gehörenden Vermögens an der HSV AG im Wesentlichen an K-M Kühne übertragen haben und dieser „greise Mäzen“ seit geschlagenen 3 Jahren nachhaltig den Beweis angetreten hat, dass er „Fußball-Manager“ einfach nicht kann. Geblieben sind den HSV-Mitgliedern daher noch 80% einer hoffnungslos überschuldeten AG, die auch auf Jahre hinaus noch Verluste „erwirtschaften“ wird. Ach ja und nicht zu vergessen: 3 Jahre Folter-Fußball mit lediglich stark begrenzter Perspektive!

Abschließend daher ein Wort zum abgewendeten Abstieg. Selbstverständlich wäre ein Abstieg des HSV nicht die Lösung der Probleme per se gewesen. Ein Abstieg hätte jedoch bei Verantwortlichen, Mitgliedern und Fans eine Katharsis im klassischen Sinn bewirkt, in deren Folge der mit diesem Abstieg einhergehende Jammer und Schauder nahezu zwangsläufig eine umfassende Reinigung und eine moralische Läuterung nach sich gezogen hätte. Nun steht hingegen zu befürchten, dass vollends sinnbefreit einfach weiter in Richtung Untergang gehüpft wird.