Ein Gastblog von Kerberos

Er trat vor noch nicht langer Zeit die Nachfolge von D. Beiersdorfer als Vorstands-Vorsitzender der HSV Fußball AG mit dem erklärten Ziel an, diesen waidwund geschossenen HSV wieder auf die Füße zu stellen. Mit dieser Aufgabe sei er vom Aufsichtsrat ausdrücklich betraut worden, so erklärte er im Brustton innerster Überzeugung seine Mission „HSV“ noch bei Amtsantritt. Aufwand und Ertrag seien dafür unbedingt ins Gleichgewicht zu bringen, so formulierte er bereits kurze Zeit später in einer frühen Problem-Analyse und hierbei sei die Reduzierung des Personal-Aufwands für den Spielerkader von € 56 Mio auf € 48 Mio bereits in der kommenden Saison eine erste, unverzichtbare Maßnahme.

Zur Erinnerung: der HSV hatte für die Saison 2015/16 eine Bilanz mit einem Verlustausweis für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit von mehr als € 19 Mio vorgelegt. Noch unter der Wirkung der desaströsen Bilanz-Zahlen kündigte selbst der sonst so abgebrühte Märchenonkel F. Wettstein bereits einige Zeit vor dem Amtsantritt von H. Bruchhagen an, den Personal-Aufwand auf die nächsten Jahre hinaus bei maximal € 50 Mio „einfrieren“ zu müssen. Der Vorstand des HSV musste dann im Zuge der problematischen Lizenzierung bereits frühzeitig für das Geschäftsjahr 2016/2017 vorab einen Personal-Aufwand für den Spieler-Kader von mindestens € 56 Mio einräumen. Unter diesem Gesichtspunkt wäre eine Reduzierung des Personal-Aufwands um € 8 Mio auf € 48 Mio für die kommende Saison sicherlich noch keine vollendete Lösung, aber doch wenigstens ein vernünftiger Anfang gewesen. Es keimte damit nun kurzzeitig doch tatsächlich so etwas wie ein wenig Hoffnung für den HSV auf.

Heute, kein halbes Jahr nach dem Amtsantritt von Bruchhagen und nur wenige Wochen nach der mühevollen Lizenzierung des HSV, hört sich das schon wieder ganz anders an. Jetzt erklärt H. Bruchhagen dem verdutzten Mitglied und Fan aus heiterem Himmel, dass die für die Personalausgaben veranschlagten € 48 Mio „nicht in Stein gemeißelt seien“ und außerdem wolle man dieses Ziel auch nicht sofort erreichen, denn das Geschäftsjahr ginge schließlich bis zum 30.06.2018.

Wie bitte – das kann doch wohl nur ein ganz schlechter Scherz sein. Oder ist es einem Sport- und Geographielehrer vielleicht wirklich nicht (mehr) gegenwärtig, dass es sich bei den in Bilanzen ausgewiesenen Geschäftszahlen um die Summe sämtlicher Positionen im Zeitraum eines Geschäftsjahres handelt und keineswegs um eine Stichtags-Zielvorgabe ähnlich der einmaligen Erfüllung einer Qualifikationsnorm für eine Olympia-Teilnahme. Die keineswegs neue Vorgabe – bereits vom Finanz-Vorstand vor dem Amtsantritt von Bruchhagen formuliert und mit Amtsantritt dem H. Bruchhagen vom Aufsichtsrat ins Stammbuch geschrieben – lautet unmissverständlich konkret, dass der Personal-Aufwand für den Spieler-Kader im Zeitraum vom 01.07.2017 bis 30.06.2018 den Wert von € 48 Mio nicht überschreiten darf!

Mathematisch betrachtet kann man selbstverständlich auch für die erste Hälfte eines Geschäftsjahres weiterhin Gehälter von € 28 Mio zahlen; möglich sind theoretisch auch € 38 Mio. oder bis zu € 48 Mio. Dann bleiben jedoch für die Spieler-Gehälter der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres eben nur noch € 20 Mio, € 10 Mio oder eben auch gar nichts mehr für Gehalts-Zahlungen. Über das Geschäftsjahr gerechnet entsprächen alle drei Möglichkeiten einem jährlichen Aufwand von € 48 Mio. Mathematisch betrachtet; denn bei unkündbaren Spielerverträgen und der bekannten „Unverkäuflichkeit“ der HSV-Stars sind diese „Möglichkeiten“ eben auch nicht mehr als vollkommen abwegige Zahlenspielereien. Diese Erkenntnis dürfte sich selbst einem Sport- und Geographielehrer erschließen.

Die abstruse Aussage von H. Bruchhagen kann daher auch lediglich das Ziel verfolgen, eine aufkeimende Diskussion bezüglich des Personal-Aufwands für die Saison 2017/2018 unter Hinweis auf den „Stichtag“ 30. Juni 2018 weit in die Zukunft verfristen zu können. Man kann es förmlich schon hören, wie H. Bruchhagen, von der ihm eigenen Arroganz getragen, auf etwaige kritische Nachfragen zum Personal-Aufwand für die Saison 2017/2018 dozieren wird: „Nun warten Sie doch erst einmal ab, wie sich die Situation zum 30. Juni 2018 überhaupt darstellt; das können wir doch heute noch gar nicht wissen“. Und dieses „Wissen“ wird man auch erst durch die Anfang 2019 veröffentlichte Bilanz erlangen können. Anfang 2019 wird H. Bruchhagen aber vermeintlich bereits wieder Rentner in Harsewinkel sein und zu Hause vor dem Kamin sitzend bei seiner Frau über senile Bettflucht dozieren. Da ist er doch fein raus, der Bruchhagen, dieser eloquente Sparfuchs.

Aktuell gibt es faktisch beim HSV für die kommende Saison kein festgesetztes Limit des Personal-Aufwands für die Saison 2017/2018 mehr. Wenn H. Bruchhagen nun dennoch gebetsmühlenartig jedes Interview mit der Phrase „am Sparkurs festhalten zu wollen“ beginnt, so doch nur, um danach sein „Hintertürchen“ zur Legitimierung eines grenzenlosen Wahnsinns präsentieren zu können: „Sollte sich die Einnahme-Situation ändern, passen wir den Etat an.“.

Eine veränderte Einnahme-Situation: gibt es etwa einen Silberstreifen am Horizont? Haben neue Sponsoren heimlich beim HSV an die Tür geklopft oder sind doch noch ernsthafte Interessenten für die Verpflichtung der „unverkäuflichen“ HSV-Stars praktisch aus dem Nichts aufgetaucht? Natürlich, so muss es einfach sein und deshalb werden auch unmittelbar seit der „Verkündung des Orakels“ neue Spieler zu astronomischen Ablösesummen und Gehältern für den HSV verpflichtet. Ja; es wird eine großartige Saison!

Und nun bitte wieder aufwachen ihr „rosa-roten Hüpfer“ und Bekenner zum Fan-Prekariat des HSV. H. Bruchhagen legt im Duktus des Märchenonkels aus gutem Grund viel Wert auf die Bezeichnung „Einnahme-Situation“. Denn eine Veränderung der Einnahme-Situation muss nicht unbedingt Einfluss auf „Gewinn und Verlust“ eines Unternehmens haben. Bei der Einnahme-Situation wird nämlich ausschließlich das Geldvermögen (= Geldmittel + Forderungen – Verbindlichkeiten) betrachtet. Und so verbessert eben auch die schlichte Erhöhung des Eigenkapitals oder der Forderungsverzicht mit Besserungsschein die Einnahme-Situation eines Unternehmens. Und da sind wir dann doch gleich wieder bei den Lieblingsspielzeugen unseres „großen Gönners“ Kühne.

Eine Einnahme ohne Ertrag wäre eben ein Aktienverkauf über eine weitere Kapitalerhöhung. Das hierdurch vereinnahmte Eigenkapital ist eine Einnahme des Unternehmens, welche die Einnahme-Situation des Unternehmens unstrittig positiv verändert und somit die Erhöhung des „Spieler-Etat“ nach Bruchhagen legitimieren würde. Da diese Einnahme jedoch kein Ertrag für das Unternehmen darstellt, hat die Einnahme aus Aktienverkauf auch keine Auswirkung auf „Gewinn und Verlust“ des Unternehmens. Hingegen führt die Erhöhung des „Spieler-Etats“ zwangsläufig zu noch höheren Verlusten für den HSV, weil sich durch die Verpflichtung neuer Spieler der Personalaufwand, die Abschreibungen und die Nebenkosten der Transfers auf der Seite des Aufwands drastisch erhöhen werden.

Eine Einnahme mit Ertrag wäre der bereits bekannte Forderungsverzicht mit Besserungsschein für bereits bestehende „Alt-Darlehen“. Die durch den Forderungsverzicht entfallenden Verbindlichkeiten aus Darlehen sind ebenfalls unstrittig eine Einnahme des Unternehmens, welche die Einnahme-Situation des Unternehmens zweifelsfrei positiv verändert und somit auch die Erhöhung des „Spieler-Etats“ nach Bruchhagen legitimieren würde. Diese Einnahme ist überdies zugleich ein außerordentlicher Ertrag für das Unternehmen und hat somit positive Auswirkung auf „Gewinn- und Verlust“ (denn die mit dem Forderungsverzicht verbundene Eventual-Verbindlichkeit aus Besserungsschein wird erst aktiviert, wenn die Bedingung aus dem Besserungsschein in der Zukunft eingetreten sein wird).

Durch den Ertrag aus Forderungsverzicht wird der durch die Verpflichtung neuer Spieler veranlasste höhere Aufwand für Personal, Abschreibung und Nebenkosten des Transfers letztlich kompensiert. Ein „Null-Summen-Spiel“ also, das nicht zu höheren Verlusten beim HSV führt würde. Nur stehen durch einen Forderungsverzicht mit Besserungsschein dem HSV leider keine zusätzlichen Geldmittel zur Verfügung, um neue Spielerverpflichtungen auch realisieren zu können. Daher bedarf es hier wieder neuer Darlehen zur Spielerfinanzierung im Nachgang und die Verschuldung des Unternehmens steigt massiv an. Letztendlich bleibt neben dem „neuen“ Darlehen zur Spielerfinanzierung auch noch das latente Risiko einer entstehenden Verbindlichkeit aus Besserungsschein zum „Alt“-Darlehen für die Zukunft bestehen.

An der Elbe nichts Neues. Gefunden wurde lediglich eine Sprachregelung, die es nun Vorstand und Aufsichtsrat des HSV ermöglicht, den Forderungen des „großen Gönners“ nach einer maßlosen Geldvernichtung willfährig nachzukommen. Denn betrachtet man die bisherigen Transfer-Aktivitäten des HSV, so darf man mit Fug und Recht feststellen, dass H. Bruchhagen den „Spieler-Etat“ bereits angepasst hat. Auf dem Transfermarkt wird ohne Rücksicht auf Wirtschaftlichkeit gekauft, was ein Gisdol noch vor seinem Urlaub kurz auf den Wunschzettel geschrieben hatte. Man darf gespannt sein, wie dies alles finanziert werden wird. Aber das ist eigentlich auch schon egal, denn wer dies am Ende wird bezahlen müssen, ist schon längst eine ausgemachte Sache: es werden die Mitglieder des HSV sein, denen nach der „Kühne-Schande“ keine Fußball AG im Verein HSV verbleiben wird. Fraglich wird lediglich noch sein, ob dann der Verein sich im Sinne der getroffenen Markenabgrenzungsvereinbarung überhaupt noch „HSV“ wird nennen dürfen.

Für kurze Zeit schien es so, als hätte der „neue“ Aufsichtsrat mit der Berufung von H. Bruchhagen zum Vorstands-Vorsitzendenden der AG den Deckel auf die Sickergrube HSV gelegt. Doch schnell wurde dieser Deckel nun wieder entfernt und die Faulgase strömen Einem erneut ungehindert in die Nase. „Geld stinkt nicht“ rechtfertigte einst Vespasian die Einführung der Latrinensteuer im alten Rom – er hatte eben noch nicht die Bekanntschaft mit dem Geld des „großen Gönners“ beim HSV gemacht.

Aus dem stringenten Sparfuchs und Hoffnungsträger mit festen Grundsätzen wurde beim HSV unter der Zustimmung des „neuen“ Aufsichtsrats und vom Jubel der „rosa-roten Hüpfer“ begleitet sehr schnell der „hybride Mutant“ Bruchhagen, der die unsägliche Unternehmensführung des Zauderers D. Beiersdorfers perfektioniert fortführt und diese zudem im perfiden Duktus des Märchenonkels F. Wettstein den limitierten Fans mit pädagogischer Eloquenz auch „zu verkaufen“ weiß. Wie groß muss die Angst vor der großen Leere des Alters sein und wie wenig ausgeprägt die Selbstachtung, um sich wie Bruchhagen als altgedienter Fußballfunktionär und -manager von einem 80-jährigen Schweizer „Fiskal-Emigranten“ derart demütigen zu lassen. Es wird von H. Bruchhagen letztendlich nur bleiben, dass er beim HSV der letzte Büttel des Schweizer Despoten in der Tragödie um das Sterben eines Hamburger Traditions-Vereins der Bundesliga war.