Ich muss ganz ehrlich sagen – selten habe ich auf die Zusendung eines Pakets so sehnsüchtig gewartet wie auf diese. Amazon. Inhalt des Pakets: Das Buch „Football Leaks“ von Rafael Buschmann und Michael Wulzinger. Seit gestern Abend bin ich am lesen und bis jetzt bin ich bis Seite 99 vorgedrungen. Das, was ich bisher gelesen habe, bestätigt all das, was Rafael und Michael im ganz Großen (weltweiter Fußball) und ich und einige wenige Andere im Kleinen (Zerstörung des HSV) in Erfahrung bringen konnten. Geldgier, Korruption, Menschenhandel, Bestechung, Nutten, Betrug, Steuerhinterziehung und und und. Ich möchte wirklich jedem, der weiter als von der Nordtribüne bis zum Tor denken kann und möchte, nahelegen, sich dieses Buch zuzulegen, allerdings muss ich an dieser Stelle eine Warnung aussprechen. Wer dieses Buch gelesen (und verstanden) hat, wird sich danach nie wieder eine Dauerkarte kaufen. Er wird nie wieder der Aussage eines Funktionärs, eines Spielers, eines Beraters oder eines Trainers trauen können, weil alles nur eine einzige, miese, große, verlogene Show ist. Eine Show mit dem einen Ziel: Einige Wenige auf Kosten anderer stinkreich zu machen.

Lieber Rafael, lieber Michael,

eurer Einverständnis vorausgesetzt, möchte ich zwei Passagen aus dem Buch wörtlich zitieren, denn in diesen beiden Passagen habe ich mich ganz besonders wiedergefunden.

Zitat 1: Doch wenn Politik und Wirtschaft fast überall auf der Welt die Nähe zum Profifußball suchen, weil er sie glänzen lässt, wer kontrolliert dann eigentlich noch diese Branche? Die Medien? Unabhängige Journalisten bekämpft der Fußball mit Schärfe und Ausgrenzung. Die Pressestellen erlauben Gespräche mit den Sportlern und Funktionären nur dann, wenn sie am Ende jedes Wort, das geschrieben wird, gegenlesen und im Zweifel auch verändern können. Direkte, unverhüllte Nähe zu den Akteuren gibt es für Reporter kaum noch, zumal oft auch noch persönliche Medienberater und Spieleragenten das öffentliche Bild der Kicker mitbestimmen wollen. 

Reporter die sich nicht vereinnahmen lassen wollen, die zu viel schnüffeln, die die Realität und nicht das sorgfältig konstruierte Image beschreiben wollen, werden unter Druck gesetzt und nicht selten ausgebootet. Der Profifußball kann da sehr unangenehm sein, man könnte auch sagen: manipulativ. Kritische Journalisten bekommen oft keine Interviews mehr, dürfen nicht an Hintergrundgesprächen teilnehmen, und es passiert auch, dass die Klubs ihnen ohne Vorwarnung die Akkreditierung, also die Arbeitserlaubnis, entziehen. Hofberichterstatter haben keine Probleme. Den anderen droht auch schon mal Hausverbot. Zitat Ende.

Nun, das ist der mediale Hintergrund dieser Scheinwelt, in der die Transferaufwendungen des Jahres 2015  von Seiten der Fifa mit € 4,2 Milliarden weltweit beziffert werden. Offiziell. Auf Nachfrage gab der zuständige Kommissar der Fifa zu, dass es auch durchaus die doppelte Summe sein könne. Unfassbar.

Eine zweite Passage in dem Buch hat mich ebenfalls sehr nachdenklich gemacht, weil sie eben auch auf das zutrifft, was mich tagtäglich umtreibt. Das Zitat ist ein Teil einer E-Mail-Konversation zwischen Rafael Buchmann und Whistleblower „John“, einem der Gründer der Internet-Plattform Football Leaks.

Zitat 2:

John schreibt: „Rafael, ich muss ehrlich zu dir sein, uns fängt das alles an zu deprimieren. Football Leaks hat nur deshalb eine weltweite Aufmerksamkeit erlangt, weil wir ein paar Verträge von Real Madrid und anderen großen Namen veröffentlicht haben. Aber es ist nicht das, was wir wollen. Uns geht es nicht um die Stars, Promis und regulären Arbeitsverträge. Vielleicht ist das ein Aspekt, um das heutige Fußballgeschäft besser verstehen zu können. Aber unser Hauptziel ist es, versteckte Klauseln, illegale Honorare und Off-shore-Strukturen im Fußball zu offenbaren. Die ganzen kriminellen Dinge. Wir sind müde und denken ernsthaft darüber nach, das Projekt zu beenden. Seit September haben wir mit Football Leaks nicht einen Bitcoin verdient, und Geld gibts bei uns nicht im Überfluss. Dabei erreichen uns täglich Tonnen von Mails, und wir verbringen viel Zeit damit, sie zu sichten. Und wofür das Ganze? Die Leute interessieren sich einfach nicht für den Schmutz im Fußball. Im Moment fühlt es sich so an, als würde uns dieses Projekt erdrücken, wir können kaum noch atmen. Viele Grüße, FL“

Ich glaube, ich weiß, wie sich „John“ gefühlt hat, obwohl er und seine Verbündeten am großen Rad drehen und ich nur ein kleiner, unwichtiger HSV-Blogger bin. Auch ich habe viele Jahre an den großen, ehrlichen Fußball geglaubt, habe meine Stars angehimmelt und um Autogramme gebettelt. Dann habe ich einen Blick hinter die Kulissen geworfen und mir ist schlecht geworden. So viel Verdorbenheit, so viel kriminelle Energie, es macht einen krank und man meint, etwas dagegen tun zu müssen. Zumindest aufklären zu müssen. Aber: Das alles interessiert nur einen kleinen Teil der Anhänger und Fans und irgendwann fragt man sich, ob es die Mühe wert ist. „Sollen sie doch zusammen mit ihrem Scheiß-Verein und ihren Götzenbildern untergehen“, dieser Gedanke kommt immer wieder.

Das wirklich Lächerliche an der Geschichte ist jedoch ein anderer Aspekt, denn grotesk wird es dann, wenn diejenigen, die über die kriminellen Machenschaften, über die Geldverbrennung, über MatchIQ-Betrug, über Kick back-Zahlungen an Funktionäre etc. berichten und aufklären, wenn diese Leuten dann auch noch vom Mob verfolgt werden und als Vereinszersetzer gebrandmarkt werden. Man versucht den Leuten zu erklären, wer ihren Verein zerstört und wird am Ende als der eigentliche Zerstörer enttarnt.

Lieber Rafael, lieber Michael, lieber „John“, aber auch die anderen wenigen Schreiber, die sich ihre Eier bewahrt haben – macht weiter, denn es ist richtig und wichtig, was ihr macht. Danke.