Wenn es nicht bereits schöne Tradition wäre, müsste man es erfinden. Ich rede von dem Phänomen, welches sich beständig vor einer jeden Saison zeigt und auf welches man sich verlassen kann wie auf die nächste Flut. Wenige Tage vor Saison-Beginn meldet sich mindestens ein Ex-Mitarbeiter des HSV (meistens sind es sogar mehrere) und gibt seinen Senf zur aktuellen Situation, aber – und das ist deutlich interessanter – auch zur Vergangenheit und seiner Sicht auf selbige zum Besten. Und genau an dieser Stelle kommen wir zu einem der maßgeblichen Problempunkte dieses Vereins, denn nicht ein einziger der Texter ist sich selbst irgendeiner Schuld bewusst. Nun wäre es selbstverständlich vermessen, von den Pulitzerpreisträgern der Hamburger Sportjournaille irgendeine Frage in diese Richtung zu erwarten, aber diese Art von Vergangenheits-Optimierung macht immer wieder sprachlos.

Den Anfang machte letzte Woche Carl-Edgar „der Schweber“ Jarchow, der zu einem Rundumschlag ausholte und damit zu 99% auf der richtigen Seite lag. Schade nur, dass Ede seine Rolle in dieser permanenten Schmierenkomödie ignorierte und nicht im Ansatz sowas wie Selbstkritik durchblicken ließ. Natürlich konnte das, was Jarchow von sich gegeben hatte, nicht ohne Kommentar von Zweit-Opa Ernst-Otto „Ich-habe-es-ja-schon-immer-gesagt“ Rieckhoff bleiben, aber auch der HSVPlus-Urvater kam nur mit ollen Kamellen um die Ecke, vergaß aber z.B. zu erwähnen, dass er es war, der Verbrenner Beiersdorfer ins Amt holte und damit den endgültigen Untergang des Vereins einleitete. Wie gesagt: Selbstkritik ist nicht die Sache von ehemaligen HSV-Mitarbeiten bzw. Führungskräften und genau das verdeutlicht das große Problem dieses Vereins.

In diesem Klub übernehmen irgendwelche Figuren irgendwelche Ämter nicht, um dem HSV zu dienen, sondern um sich selbst zu dienen. Persönliche Eitelkeiten, persönliche Vorteilsnahme, vermeintliches Prestige, was auch immer es sein mag. Eines ist es aber nicht, es steckt bei keinem die Absicht dahinter, für den Verein zu stehen. Da mag der Eine oder Andere auch tränenreiche Auftritt inklusive „Der HSV ist mein Baby“ hingelegt haben, am Ende haben sie alle zusammen eines: Abkassiert, gelabert und uneinsichtig auf andere verwiesen. Ich möchte wetten, würde man heute einen Hilke befragen, er würde behaupten, dass seine Zeit beim HSV extrem erfolgreich gewesen sei und zwar für den Verein und nicht für ihn.

Damit, Freunde der Sonnenwende, war aber das Ende noch nicht erreicht, denn es fehlt ja in der Riege der Unschulds-Opas ja noch die Mutter aller Gönner, Klaus-Michael Kühne. Der „größte und beste HSV-Fan“ aller Zeiten lässt es sich doch nicht nehmen, das Geschwafel der anderen Pensionäre zu kontern, oder? Und so kommen in einem Abendblatt-Interview Stilblüten aus Schindeleggi  zu Tage, bei denen man aus dem Kopfschütteln nicht mehr rauskommt. Beispiele gefällig?

(Quelle: https://www.abendblatt.de/sport/fussball/hsv/article211545509/Kritik-schwer-nachvollziehbar.html)

Kühne über die Rolle Rieckhoffs:Otto Rieckhoff hat sich mit dem Konzept der Ausgliederung große Verdienste erworben. Er wäre der ideale erste Aufsichtsratsvorsitzende der AG gewesen und hätte aufgrund seiner Konzeptverantwortung und seines Einsatzes diese Amt unbedingt wahrnehmen sollen. Aus unbekannten Gründen wollte er das nicht, sodass Karl Gernandt in die Bresche springen musste.“

Ach so lautet die Version jetzt, 120%-Kuddel musste „in die Bresche springen“. Nun, das habe ich anders in Erinnerung, denn Rieckhoff hatte vom ersten (HSVPLUS)-Tag an erklärt, er stünde im Anschluss an die Abstimmung für kein Amt zur Verfügung. Die „unbekannten Gründe“ standen demnach mehr als ein Jahr vor der Abstimmung fest, so überraschend musste Gernandt dann wohl doch nicht einspringen, gell? Geht aber weiter.

Kühne: “ Es ist bedauerlich, dass Konzipierung und Beschlussfassung über die HSV Fußball AG einerseits und deren Umsetzung andererseits nicht aus einem Guss waren.

Nun, das kann ich ihnen erklären (habe ich bereits vor über einem Jahr per Mail gemacht), Herr Kühne. Der Umstand, dass die Konzeption von HSV so aber gar nichts mit der Umsetzung zu tun hatte, trägt einen Namen: Dietmar Beiersdorfer, der sich Monate nach der Ausgliederung nicht mal an die Inhalte der Initiative erinnern konnte. Diesen Beiersdorfer haben sie, Herr Kühne, aber gestützt und geschützt wo sie konnten und sie wollten den Experten nach seiner Entlassung sogar als Sportchef durchdrücken. Habe sie irgendwie vergessen?

Kühne über die Finanzen: „Vorstand und Aufsichtsrat haben die Finanzen bedauerlicherweise nicht zu ordnen und zu stabilisieren vermocht.

Kurz zur Erinnerung, Herr Kühne. Vorsitzender dieses Aufsichtsrat, der weder geordnet noch stabilisiert hat, war ihr Angestellter und Vertrauter Karl Gernandt und Vorsitzender des Vorstandes, der weder geordnet noch stabilisiert hat, war ihr Günstling Beiersdorfer. Auch vergessen?

Kühne über die Finanzen:  „Bei den Transfers hatte das Management des HSV nicht immer eine glückliche Hand, es wurde zumeist sehr teuer eingekauft. Daher wurde der Vorstandsvorsitzende Ende 2016 durch einen Nachfolger abgelöst. Auch die Funktion des Sportdirektors wurde mehrfach neu besetzt. Den hierfür ausgewählten Personen fehlte langjährige Bundesligaerfahrung.“

„van der Vaart oder keiner“, erinnern sich sich, Herr Kühne? War zwar vor dieser Zeit, aber hat auch heute noch Gültigkeit. Ich erinnere mich an eine Aussage des Herrn Beiersdorfer, der sagte: „Wir schlagen Herrn Kühne Spieler zum Transfer vor“. Frage: „Und wenn Kühne die nicht möchte?“ Beiersdorfer: „Dann holen wir andere“. Bitte, versuchen sie doch niemandem mehr für blöd zu verkaufen und so zu tun, als wären all diese Flops ohne ihr Zutun verpflichtet worden? Spätestens ihr Freund und Berater Volker Struth kommt doch irgendwann ins Spiel.

Aber richtig interessant sind die letzten beiden Sätze. Die Funktion des Sportdirektors wurde mehrfach neu besetzt (zuletzt durch Todt), aber den Personen fehlt(e) die langjährige Bundesliga-Erfahrung (eben auch Todt). Kennt man Interviews von Klaus-Michael Kühne und weiß um deren Wirkung, könnte Laber-Jensi eigentlich jetzt schon mal die Koffer packen und die Bude kündigen, denn bisher hat sich noch kein HSV-Angestellter erholt davon, wenn ihm Kühne irgendwas „abgesprochen“ hatte.

Nimmt man alle drei Opa-Interviews zusammen, kann man nur sagen: Viel heiße Luft, alles schon bekannt, alles schon mal gesagt. Aber Schuld hat natürlich keiner von ihnen, Schuld haben immer nur die Anderen. Und somit wird es in Hamburg immer einfach nur so weitergehen, weil sich die nächsten Profiteure um Ämter bewerben (man behalte den Namen Meier im Hinterkopf) und in Gremien wählen lassen. Schuld haben werden immer nur andere wie z.B. das schwierige Hamburger „Umfeld“, von dem niemand weiß, was es eigentlich sein soll. Schuld ist die brutale Hamburger Presse, die tatsächlich nichts anderes ist als ein Haufen Hofbericht-erstattender Fanboys. Schuld ist eine angeblich zu hohe Erwartungshaltung, die jedoch seit Jahren nicht mehr existent ist. Schuld ist immer der jeweilige Vorgänger, dem man jedoch vollmundig für seine überragende Performance dankt, weil man ja eigentlich in einem Boot sitzt.

Wir fragen immer, was sich in Hamburg ändern müsste und häufig geht es um sowas wie Struktur oder Konzept, aber das wäre erst der zweite Schritt. Zuerst müssten sich die Charaktere der handelnden Personen ändern, denn eigentlich bräuchte man jemanden, der den Job gar nicht will. Der sich weder um Geschichte noch um Seilschaften kümmert, sondern der einfach macht. Da sich so jemand aber nicht finden wird bzw. da so jemand von der herrschenden Kaste niemals ins Amt gelassen werden würde, wird sich in diesem Verein niemals etwas zum Besseren wenden.

Diesmal schaffen sie es, diesmal kriegen sie den Verein kaputt!