Was muss das für ein Gefühl sein, wenn man bereits vor dem ersten Spiel der neuen Saison sein Pulver verschossen und seine letzte Patrone verballert hat? Selbstverständlich, das Pokal-Spiel gegen den VfL Osnabrück war ein sportliches Desaster, der Auftritt eines Bundesligisten unwürdig, zumal man auch noch 70 Minuten in Überzahl gegen bis einen dato sieglosen Drittligisten spielen durfte. Aber wirklich überraschend war es doch nicht wirklich, oder? Jemand, der sich a. die Vorbereitungsspiele und b. die Gesamt-Situation des Vereins angeschaut hat, wusste um den maroden Zustand eines Vereins, der in den letzten 3 1/2 Jahren mehr als € 120 Mio. in neue Spieler investiert hatte.

Wie komplett neben der Spur muss man sich eigentlich befinden, wenn man an eine „grandiose Saison“ glauben möchte? Wie wenig muss man sich mit der Materie tatsächlich beschäftigt haben (obwohl man 15 Stunden pro Tag in irgendwelchen Blogs und Foren abhängt), wenn man denkt, dass in dieser Mannschaft, sorry, in diesem Verein so etwas wie Substanz vorhanden ist? Natürlich äußern sich im Anschluss an das Debakel Trainer und Sportchef, das gehört halt zu ihren Aufgaben, aber erstaunlich finde ich schon, dass Herr Bruchhagen erst spät eine Silbe verlauten lässt. Nun, vielleicht sind ihm einfach keine Fragen gestellt worden, die ihm zustehen, wer weiß.

Und natürlich macht Sprechpuppe Tod auf locker und mahnt zur Ruhe, alles vorhersehbar, was soll er auch anders machen? Denn immerhin steht er ja (offiziell) für das nächste Transfer-Desaster gerade, wie gesagt – offiziell. Wer aber hat denn eigentlich, im Zusammenspiel mit seinem eigenen Berater Volker Struth und finanziell unterstützt von Herrn Kühne, diese Spieler gewollt, die man nun hat? Wer hat sich für das erste Mentalitäts-Monster Papadopoulos und das zweite Mentalitäts-Monster Hahn stark gemacht? War das tatsächlich der Pressesprecher oder war das nicht doch der Trainer, dem bereits vor dem ersten Spiel der Sack platzt?

Ich möchte gern noch einmal daran erinnern: Herr Kühne redet mit Gisdol, aber nicht mit Todt! Herr Kühne gratuliert Gisdol zum Klassenerhalt, aber nicht dem Sportchef! Ganz selten in der Geschichte des HSV hatte ein Trainer mehr Macht als der rote Markus und dieser soll sich doch bitte nicht schon jetzt aus der Verantwortung stehlen.

Der Trainer wurde deutlich, als es um die vielen ungeklärten Personalfragen in seinem Kader ging und kündigte Konsequenzen an. „Wenn ein Spieler nicht zu 100 Prozent bei der Sache ist, dann werde ich ihn auch nicht aufstellen und auch nicht in den Kader nehmen.“ (Quelle:Abendblatt)

Wow! Nach nur einem Spiel wird also mit Konsequenzen gedroht, bis hin zur Suspendierung? Mal ne Frage: Wie erkennt man eigentlich, ob ein Spieler „zu 100% bei der Sache ist“? Hat der eine bestimmte Körperhaltung oder stottert der? Ich bin zu 1000% sicher, kein Spieler würde, wenn man ihn denn fragen würde, zugeben, dass er mit den Gedanken woanders wäre, es ist und bleibt also eine reine Interpretation des Übungsleiters. Und nach welchen Kriterien interpretiert der nun? „Ich habe ihm tief in die Augen geschaut und bemerkt, dass er nicht bei der Sache war“. Ne klar, ist richtig.

Nun hat unser Markus, der mit dieser Aussage meinte, einen privaten Befreiungsschlag geliefert und sich selbst aus der Schusslinie genommen zu haben, ein mittelgroßes Eigentor geschossen. Denn 1. wie will er nachweisen, dass ein Spieler nicht so richtig wollte und 2. muss er jetzt eigentlich zumindest einen Spieler auf die Tribüne setzen, weil er nach der Leistung vom Wochenende ansonsten bereits unglaubwürdig rüberkommen würde. Und egal, welchen Spieler es trifft, dieser wird garantiert eine andere Meinung haben als sein Chef.

Aber nehmen wir mal an, Gisdol setzt Mavraj und Jung auf die Tribüne (die Namen sind beliebig austauschbar) und der HSV verliert sein Heimspiel gegen den FC Augsburg. Was dann? Sitzen dann beim nächsten Spiel zwei andere Spieler auf der Tribüne und Mavraj und Jung stehen wieder in der Startaufstellung? Oder wird einfach mal flächendeckend auf die Tribüne geschickt, bis man keine Alternativen mehr hat?

Ne, der Trainer hat sich mit dieser Aussage bereits frühzeitig in Schwierigkeiten gebracht, vom Standing innerhalb der Mannschaft mal ganz zu schweigen. Wenn man seine letzte Patrone verschießt, muss sie sitzen, eine zweite Chance kriegt man so gut wie nie.

Passend dazu:

Klaus-Michael Kühne (gestern): „Der Trainer muss sehr viel mehr an der Mannschaft arbeiten, sie mehr fordern“, sagt Kühne dem Pay-TV-Sender „Sky“. „Er muss sie zum Team formen und Führungsspieler entwickeln – damit das Ganze wirklich eine Stabilität bekommt und auch eine Zukunftsperspektive.“

Merke: Die Luft wird außerordentlich dünn, wenn Kühne anfängt zu fordern und die Geduld zu verlieren scheint. Obacht, Herr Gisdol.

Absolut göttlich, weil es so wahr ist:

https://www.11freunde.de/artikel/wie-sich-hamburg-jede-saison-gleicht