„Ich wollte eigentlich etwas über den HSV schreiben, aber ich habe keine Ahnung, was ich schreiben soll“.

Dieser Satz ist nicht von mir, aber er trifft den Zustand ziemlich genau, denn der HSV ist auf dem direkten Weg in die Bedeutungslosigkeit. Dauerhafter sportlicher Misserfolg, Folterfußball, struktureller und spielerischer Stillstand wenn nicht sogar Rückschritt. Der Mangel an interessanten Spielern bei der gleichzeitigen Existenz überteuerter „Altlasten“, der HSV beginnt nicht nur, weniger zu interessieren, der HSV beginnt zu nerven. Auf der Suche nach Auswegen hat man einen dauerlabernden Sportchef installiert, neuerdings schickt man den Nachwuchs-Heini an die Front, um überhaupt einmal sowas wie „positive Nachrichten“ zu produzieren.

Dabei ist dem Verein die Unterstützung der hofberichtenden Medien gewiss, weil sich auch hier so etwas wie bleierne Müdigkeit breitmacht. Was soll man denn eigentlich noch berichten über einen Verein, der wenig gewinnt und noch weniger trainiert? In ihrer grenzenlosen Verzweiflung greifen die Schreiberlinge zur letzten Patrone und reaktivieren die Ball-abwischende, dauergrinsende Volltapete Diekmeier, der zuletzt im Kicker einen haarsträubenden Vergleich zwischen dem HSV und Bayern München anschlug („Der HSV polarisiert wie der FC Bayern“). Herrjeh, was für ein Bullshit. Der HSV polarisiert schon längst nicht mehr, der HSV geht auf den Geist. Und zwar mehr und mehr seinen eigenen Anhängern, wie die sinkenden Zuschauer-Zahlen erkennen lassen. Spiel gegen Dortmund – nicht ausverkauft. Spiel gegen Leipzig – nicht ausverkauft. Nordderby – nicht ausverkauft.

Natürlich werden die haarsträubensten Erklärungen erdacht (Dienstag Abend, Helene Fischer-Konzert), aber das wirkt schon längst nicht mehr, denn solche Umstände gab es früher auch. Aber kurz zurück zu Herrn Dick Meyer, denn den spricht Nichtsblicker Sebastian Wolf vom Kicker von jeglicher Schuld frei.

Im Sommer 2010 hatte Diekmeier den Entschluss gefasst, vom 1. FC Nürnberg zum HSV zu wechseln, damals spielten dort noch Zé Roberto oder van Nistelrooy. Doch seither geht es mit den Norddeutschen bergab, was selbstredend nicht dem Rechtsverteidiger anzulasten ist

Was für ein Irrsinn. Der Mann spielt in Hamburg seit 7 Jahren auf Zweitliga-Niveau, aber selbstverständlich kann man besonders ihm, der ja die Raute am Hintern hat, das Ganze nicht im Mindesten anlasten. Herr Wolf, das ist dümmlichstes Fan-Gelaber, aber garantiert kein Journalismus. Nur, wie gesagt, was soll man denn noch schreiben? Der letzte Rettungsanker für sowas wie positive Stimmung muss nun der bislang verschmähte Nachwuchs sein, denn plötzlich muss unbedingt mit zukünftigen Weltstars wie Ito oder Pfeiffer verlängert werden. Ach so.

Aber woran erkennt man den Aufmerksamkeits-Niedergang noch? Selbstverständlich ist das, was Münchhausen im Idiotenblog verzapft, unterste Schublade und grammatikalisch auf dem Stand eines Drittklässlers, aber selbst dort, wo sich die Rentner über ihren letzten erfolgreichen Stuhlgang austauschen, generiert man kaum mehr als 40 oder 50 inhaltsfreie Kommentare pro Tag. Das waren immerhin mal 800-900, teilweise weit über 1000 Stellungnahmen pro Blog. Aber warum sollte man auch, es ist ja alles schon 34.745 mal kommentiert und irgendwie dreht man sich im Kreis. Die nächste Stufe ist dann Gleichgültigkeit und die übernächste ist Abwendung. Warum sollte man sich auch inhaltlich mit etwas beschäftigen, was definitiv keinen Spaß mehr macht?

Dem HSV selbst ist das alles entweder entgangen oder schlichtweg scheißegal. Wie ist es sonst zu erklären, dass man beim Spiel gegen den Tabellen-17. die Preise erhöht und einen „Top-Zuschlag“ erhebt? Wie gesagt – das Interesse schwindet. Und unmittelbar nach dem schwindenden Interesse erfolgt die Gleichgültigkeit, wiederum gefolgt von der Abwendung. Dahin ist es nur noch ein kurzer Schritt und der einzige Weg aus dem Dilemma wäre es, neue Reize zu schaffen. Ob das allerdings durch kurzfristige Einsätze von Nachwuchskickern gelingen kann, ist mehr als fraglich, zumal auch an dieser Stelle die Nachhaltigkeit hinterfragt wird.

Es könnte natürlich auch sein, dass der nächste Reiz die Trennung von einem Würdenträger sein wird. Wer weiß?