War es nicht eigentlich in der letzten Woche wie in all den anderen letzten Wochen auch? Man hatte verloren (keine Überraschung), man machte erstmal ne Runde frei, man haute Durchhalteparolen raus, man entlarvte den nächsten Gegner, Hertha BSC Berlin, als einen Verein, sich in einer Krise befände und demnach als leichter Gegner quasi aufdrängen würde. Man sprühte vor guter Laune, auf Instagram wurden Fotos von lustigen Mannschaft-Abenden gepostet, auf dem Trainingsplatz wurde gescherzt und geflachst, aber wenig gearbeitet. Trainer, Spieler und Sportchef fanden warme Worte für die eigene Leistung und der Vorstandsvorsitzende gefiel sich erneut in der Rolle des Märchen-Erzählers (Stadion, € 300 Mio.) und des Gesprächspartner-Beleidigers. Kurzum – Friede, Freude, Eierkuchen.

Ach ne, da war ja noch die mediale Frage, ob dem HSV eventuell das Ergebnis respektive die Leistung gegen Bayern „zu Kopf gestiegen“ sein könnten. Allein diese Frage, im Anschluss an eine zu 100% berechtigte Niederlage, die am Ende in einer Klatsche hätte enden können, demonstriert das gesamte Dilemma dieses Vereins. Es gibt keinen eigenen Anspruch, es existiert kein Leistungs-Gedanken, man ist sowohl innerhalb des Vereins wie auch in der Fan-Gemeinschaft mit weniger als nichts zufrieden. Wie genau soll sich in den Köpfen der Spieler eigentlich manifestieren, dass absolut nichts in Ordnung ist, wenn man nach jeder Niederlage von der Kurve gefeiert wird wie ein Europameister? Wie soll man bei den Spielern so etwas wie zusätzlichen Ehrgeiz entwickeln, wenn diese nach jeder Klatsche in der Presse lesen können, dass Trainer, Sportchef und Vorstand mit der Leistung absolut zufrieden waren, es fehle halt einfach nur etwas Glück.

Zuerst einmal – nichts gegen gute Laune und eine Feier. Beim HSV jedoch bekommt man mehr und mehr den Eindruck, als würden die Stars ihren außerordentlich gut bezahlten Beruf mehr als Hobby betrachten und sich irgendwie einen Scheißdreck um die Zukunft des Vereins kümmern wollen.

Nun, damit ist es nun vorbei, wie es scheint, aber diese abrupte Kehrtwende ist ebenso durchschaubar wie zu spät.

Acht Spiele ohne Sieg, eine völlig unnötge Pleite in Berlin – es dürfte für die HSV-Profis so richtig ungemütlich im Volkspark werden in der kommenden Woche. „Es ist die Zeit vorbei, die Mannschaft in Ruhe zu lassen“, erklärte Sportchef Jens Todt in Berlin. „Wir müssen diese Dinge besprechen!“ (Mopo)

Wirklich, Jens? Ihr habt die Mannschaft „in Ruhe“ gelassen? Ihr habt gemeint, das Ganze regelt sich von allein? Allein für diese Aussage gehört der Mann gefeuert.

Gisdol droht: „Ich werde den Druck auf die Mannschaft erhöhen. Es ist Zeit, ein wenig strengere Maßnahmen anzusetzen.“ (Bild)

Aha, nun also doch. Der unmittelbare U-Turn von Wohlfühloase zu Boot Camp. Doch warum ausgerechnet jetzt, denn soviel hatte sich doch im Vergleich zu den Vorwochen gar nicht geändert. In den Köpfen der Spieler dürfte jetzt folgendes vor sich gehen: „Was haben wir denn jetzt plötzlich falsch gemacht? Wir haben doch wiederum nur knapp verloren und gekämpft haben wir auch. In den letzten Wochen sind wir dafür gelobt worden und jetzt werden wir dafür an die Wand genagelt?“

Genau an dieser Stelle beginnt das Problem und das Problem der Herren Bruchhagen, Gisdol und Todt heißt schon längst „Glaubwürdigkeit“. Viel zu lange wurde Unterdurchschnitt hochgejubelt, viel zu lange wurden Leistungen, die einfach nicht dem Bundesliga-Standard entsprechen als Klasseleistungen verkauft und irgendwann glauben es die Spieler selbst. Warum nun aber die plötzliche Änderung? Nun, ist doch klar. Trainer und Sportchef müssen um ihre bestens bezahlten Jobs zittern. Also werden jetzt die Schuldigen gesucht und natürlich müssen die Spieler herhalten.

Dabei hat ganz besonders der Trainer eine gehörige Portion Mitschuld an der aktuellen Situation. Ich erinnere:

Dabei war es doch eben dieser Trainer, der…

…im Sommer das Team so trainierte, dass es nach den ersten beiden Spielen in der Laufleistung dramatisch einbrach.

…der im Winter unbedingt die Spieler Mavraj, Papadopoulos, Walace und im Sommer erneut Papadopoulos, sowie Hahn, Pollersbek und Salihovic haben wollte.

….der im Sommer die Spieler Douglas Santos (neben einigen anderen) auf die Abschiebe-Liste setzte, dann wieder auf diese Spieler zurückgriff, um sie nun erneut zu demütigen.

…der Nachwuchsspieler erst dann bringt, wenn seine Lieblings-Millionäre fußkrank im Bett liegen und nicht einsatzfähig sein. Ebenso schnell sind dann aber die Jattas und Janjicics wieder draußen.

…der aktiv die Marktwerte der Spieler Santos, Waldschmidt, Walace, Holtby und vorher Lasogga vernichtete.

….der das Team in nun mehr als einem Jahr spielerisch um nicht einen Millimeter entwickeln konnte (trotz kompletter Sommer-Vorbereitung)

….der hinter dem Rücken des Vorstands mit dem „Gönner“ paktiert.

…der mittlerweile einen Punkteschnitt von 1,19 (Torverhältnis in 42 Spielen 45:71) vorweisen kann. (Labbadia 1,20)

(Quelle: http://www.hsv-arena.hamburg/2017/10/24/der-hsv-hat-kein-trainer-problem/ vom 24.10.2017)

Ne, aus der Nummer kommen sie nicht mehr raus, da mögen die verblödeten rosa Hüpfer auch noch so hoch hüpfen, ebenfalls ein Phänomen, welches man nur noch mit einer gehörigen Portion Kopfschütteln würdigen sollte. Diese Vögel tragen ebenfalls eine Mitschuld an der Misere, weil ihre hündische Gefolgsamkeit und ihr Hang, sich selbst für ihren tollen Support abzufeiern, zu der Atmosphäre der Selbstzufriedenheit beigetragen hat.

Was aber macht Gisdol nun gegen Stuttgart? Wird er erneut einen offensichtlich unfitten Wood bringen, um zu demonstrieren, dass er sich von der Situation nicht erpressen lässt? Oder bringt er die Youngster Arp und Ito, um Volkes Mütchen zu kühlen und anschließend sagen zu können (Mirko Slomka Revival), er hätte doch alles versucht? Auf jeden Fall wird es äußerst ungemütlich im Volkspark und zwar für jeden. Bemüht man die Historie, dann wird man sehen, dass der HSV am 13. Spieltag der letzten Saison ebenfalls 7 Punkte auf dem Konto hatte, bis dahin ist es nicht mehr weit und nur Stuttgart (H), Schalke (A) und Hoffenheim (H) stehen noch zwischen Gisdol und der nächsten Katastrophe. Aber all das ist ohnehin Makulatur, wenn Kühne den Daumen senkt.