Interview mit Rafael Buschmann, einem der beiden Autoren des Enthüllungsbuchs „Football Leaks“

Bevor nun an dieser Stelle das angekündigte Interview mit Rafael Buschmann (Spiegel) veröffentlicht wird, möchte ich meinen Dank an den Journalisten Buschmann aussprechen. Lieber Rafael, herzlichen Dank für deine Bereitschaft, die sicherlich nicht immer einfachen Fragen zu beantworten.

HSV-Arena: Mit welchen Augen betrachtest du heute ein (professionelles) Fußballspiel? Kannst du ein Spiel mit Begeisterung sehen oder denkst du grundsätzlich an die Dinge, die sich im Hintergrund abspielen?

Buschmann: Fußball als Spiel werde ich wohl immer faszinierend finden. Aber den Profisport betrachte ich nach all den Recherchen der vergangenen Jahre und insbesondere den Erkenntnissen aus den Football Leaks deutlich skeptischer. Es fällt mir mittlerweile schwer, mich komplett auf ein Fußballspiel einzulassen, oft schweifen meine Gedanken stattdessen zu unseren Recherchen ab. Ein konkretes Beispiel: Als im vergangenen Champions-League-Halbfinale Atlético Madrids Mittelfeldtechniker Sául ein wunderbares Kopfballtor gegen den Erzfeind Real Madrid erzielte, merkte ich etliche Minuten nach der Aktion erst, dass meine Gedanken komplett abgedriftet waren. Ich erinnerte mich, dass wir in unseren Unterlagen Dokumente gefunden haben, die belegen, dass ein Großteil der Transferrechte Saúls nicht Atlético, sondern einer Investorengemeinschaft gehören. Der Klub hat etliche Rechte an den Ablösesummen seiner Spieler an Dritte veräußert. Heißt: Bei Atlético bestimmt nicht mehr der Klub alleine über den Kader, sondern oftmals auch Investoren, die mit den Wertsteigerungen der Spieler Renditen erzielen wollen. Im Fall von Saúl wird dies in den kommenden Jahren wohl zu einem echten Geldregen für die Spekulanten führen. Denn der Spieler hat seinen Wert zuletzt durch seine Leistungen verzigfacht. An Saúl und Atlético kann man gut sehen, wie Geschäft und Sport mittlerweile verwoben sind und welch absurde Eingriffe Investoren selbst bei Spitzenklubs vornehmen können.

HSV-Arena: Gab es vor der Veröffentlichung des Buches bzw. danach Drohungen gegen dich? Musstest du eventuell sogar Polizeischutz in Anspruch nehmen?

Buschmann: Nein, ich habe bislang keinen polizeilichen Schutz gewollt oder in Anspruch genommen. Ich hoffe auch, dass das nie nötig sein wird. Es gab im Zuge der Recherchen zwar auch Momente, in denen wir uns unwohl fühlten, aber bestimmte Grenzen wurden trotzdem von der Gegenseite gewahrt. Anders sieht das bei juristischen Auseinandersetzungen aus. Wir haben schon sehr deutlich zu spüren bekommen, wie finanzstark die Fußballbranche ist und wie leicht es ihr fällt, Spitzenanwälte mit horrenden Stundensätzen in Anspruch zu nehmen. Die Juristen gehen dann ziemlich plump vor: selbst, wenn die Beweislage sehr belastend ist, bombardieren sie uns mit ewig langen Schriftsätzen und Klagen. Damit versuchen sie oft nichts Anderes als uns zu lähmen und auf Zeit zu spielen. Glücklicherweise haben auch wir ein sehr starkes Anwaltsteam, das entsprechend antworten kann. Das führt dann auch dazu, dass beispielsweise ein Nationalspieler wie Mesut Özil sein Verfahren gegen uns vor dem Berliner Landgericht verloren hat.

HSV-Arena: Hast du eine glaubhafte Erklärung dafür, warum andere, besonders reichweitenstarke Medien dieses Thema nahezu totschweigen, ähnlich wie es beim Thema Doping passiert?

Buschmann: Ich glaube nicht, dass die Kollegen das Thema totschweigen. Insbesondere über die großen Namen wie Cristiano Ronaldo oder José Mourinho und ihre unsäglichen Steuerpraktiken wurde und wird viel geschrieben. Wir hätten uns natürlich auch gewünscht, dass die Kollegen anderer Medienhäuser unsere Recherchen weiter fortgeführt und eigene Erkenntnisse daraus gewonnen hätten. Was mich aber sicherlich mehr ärgert, ist der Diebstahl von Rechercheleistungen. Wir stellen fest, dass manch ein Konkurrenzhaus uns als Medium bei seinen Texten schlicht auslässt. Da heißt es dann: „Wie Football Leaks veröffentlichte…“. Das ist nicht nur höchst unkollegial, sondern eben auch falsch. Football Leaks hat seit eineinhalb Jahren nichts mehr veröffentlicht. Die Aktivisten übergeben ihre Daten stattdessen an uns Journalisten. Wir filtern diese, ordnen sie ein, bohren tiefer in der Materie. Diese Investigativarbeit erscheint uns in Zeiten einer Daten- und Informationsüberflutung sehr wichtig.

HSV-Arena: Empfindest du dich als Journalist nach der Veröffentlichung des Buches wie eine Art Nestbeschmutzer und wirst du als ein solcher behandelt?

Buschmann: Die Fußballbranche ist schon eine sehr kleine Blase und ich wurde in den vergangenen Monaten oft von Funktionären, Spielern, Trainern usw. auf die Football-Leaks-Arbeit angesprochen. Klar, da kommen schon Sprüche, die auch in die Richtung „Nestbeschmutzer“ gehen. Aber wir machen den Job nicht, damit wir jemandem gefallen, sondern, weil wir dahin leuchten wollen, wo andere mit Absicht kein Licht hin scheinen lassen möchten. Der Fußball entwickelt sich zunehmend zu einem vollkommen intransparenten Milieu, in dem Gelder nahezu ohne Kontrolle fließen. In dem Steueroasen und Briefkastenfirmen genauso eingesetzt werden wie Strohmänner und Scheinunternehmen. All dies wollen wir aufzeigen und mir ist dabei herzlich egal, ob irgendwer aus dem Fußballgeschäft das uncool findet.

Ende Teil 1. Die Teile 2 und 3 folgen in den nächsten Tagen.