Ein Gastblog von Kerberos

„Der HSV ist doch pleite“ hört man immer wieder in Gesprächen. Fragt man jedoch „Wie kommst Du darauf“, so ist die Entgegnung meist genauso kurz wie unbefriedigend: „Sagen doch Alle“ oder gar „Das weiß doch nun Jeder“. Ist ein Unternehmen also einfach schon deshalb „pleite“, weil „Alle“ dies sagen oder „Jeder“ es zu wissen glaubt? Wie sieht es denn bei der HSV Fußball AG für die aktuelle Saison 2017/18 tatsächlich aus.

Die Einnahme-Situation:

Zum „wirtschaftlichen“ Beginn der aktuellen Saison 2017/18 am 1. Juli 2017 befanden sich nach den Angaben aus der Bilanz zur Vor-Saison € 7.8 Mio. in der Kasse des HSV. Zudem wies die Bilanz zur Vor-Saison noch € 8.6 Mio. Forderungen zugunsten des HSV aus. Unter der – für den HSV günstigsten – Annahme, dass die Forderungen allesamt sofort zur Zahlung fällig waren und vom HSV auch ohne Forderungsausfall vereinnahmt werden konnten, verfügte der HSV damit zum Beginn der aktuellen Saison 2017/18 über liquide Mittel in Höhe von € 16.4 Mio.

Aus dem Nachtragbericht der Bilanz zur Vor-Saison für den Zeitraum bis zum 1. Oktober 2017 ergibt sich ferner, dass dem HSV durch eine Kapitalerhöhung und durch die Aufnahme eines Darlehens weitere liquide Mittel in Höhe von € 25.0 Mio. zugeflossen sind.

Somit verfügte der HSV am Beginn der aktuellen Saison 2017/18 über liquide Mittel in Höhe von € 41.4 Mio.

Dem Prognosebericht der Bilanz zur Vor-Saison ist weiterhin zu entnehmen, dass der HSV für die aktuelle Saison 2017/18 mit erwarteten Umsatzerlösen in Höhe von € 129.0 Mio. kalkuliert. Die Erwartungen des HSV sollen, unbesehen einer Überprüfung der Belastbarkeit, als Grundlage für die weiteren Ausführungen hier übernommen werden.

Aber Achtung! Die für die aktuelle Saison 2017/18 kalkulierten Umsatzerlöse sind nicht mit den Einnahmen in der aktuellen Saison 2017/18 identisch und bewirken daher nicht einen Zufluss liquider Mittel im Verhältnis 1:1 –  selbst dann nicht, wenn alle vom HSV gestellten Rechnung sofort beglichen würden.

Der Grund hierfür liegt in dem Umstand, dass Mitglieder und Fans ihre Dauerkarten für die aktuelle Saison 2017/18 noch vor dem 1. Juli 2017, also „wirtschaftlich“ noch in der Vor-Saison erworben und bezahlt hatten. Die Einnahmen für den Kartenvorverkauf vor dem 1. Juli 2017 sind daher in der Bilanz der Vor-Saison als Einnahme erfasst – dabei bleiben es jedoch Umsatzerlöse der aktuellen Saison 2017/18. Gleiches gilt für Sponsoren, die bereits vor dem 1. Juli 2017 ihre Sponsoren-Verträge für die Saison 2017/18 bezahlt hatten. So hat der HSV in der Vor-Saison vor dem 1. Juli 2017 bereits liquide Mittel in Höhe von € 22.7 Mio. vereinnahmt, die jedoch den Umsatzerlösen der aktuellen Saison 2017/18 zuzurechnenden sind.

Insofern ergibt sich, dass auf der Grundlage der kalkulierten Umsatzerlöse für die aktuelle Saison 2017/18 in Höhe von 129.0 Mio. lediglich noch mit einem Zufluss liquider Mittel in Höhe von € 106.3 Mio. gerechnet werden darf – die € 22.7 Mio. der bereits in der Vor-Saison vereinnahmten Mittel sind hier von den erwarteten Umsatzerlösen der aktuellen Saison 2017/18 in Abzug zu bringen.

Ins Gesamt darf der HSV daher für die aktuelle Saison 2017/18 mit liquiden Mitteln in Höhe von € 147.7 Mio. kalkulieren – € 41.6 Mio. aus in der Bilanz der Vor-Saison dokumentierten Einnahmen zuzüglich € 106.3 Mio. Einnahmen aus erwartbaren Umsatzerlösen.

Die Ausgaben-Situation:

Zum „wirtschaftlichen“ Beginn der aktuellen Saison 2017/18 am 1. Juli 2017 sind in der Bilanz zur Vor-Saison Verbindlichkeiten in Höhe von € 23.5 Mio. ausgewiesen, die in der aktuellen Saison 2017/18 zur Zahlung fällig sind.

Hierneben sind in der Bilanz der Vor-Saison noch Rückstellungen in Höhe von € 4.3 Mio. ausgewiesen. Analog der Annahmen bezüglich der Forderungen des HSV ist bei den Rückstellungen ebenfalls davon auszugehen, dass diese in der aktuellen Saison 2017/18 zur Zahlung fällig wurden.

In der Bilanz zur Vor-Saison werden überdies für die zur aktuellen Saison 2017/18 vereinbarten Transfers der Spieler K. Papadopoulos, J. Pollersbek und A. Hahn Bestellobligos in Höhe von € 18.3 Mio. ausgewiesen (womit nun auch zweifelsfrei geklärt ist, wie „teuer“ diese 3 Spieler tatsächlich waren!).

Aus dem Nachtragsbericht zur Bilanz der Vor-Saison ergibt sich weiterhin, dass der Spieler R. van Drongelen verpflichtet wurde, wobei keine konkrete Transferentschädigung angegeben wird. Hier erscheint die Annahme einer Transferentschädigung in Höhe von € 3.0 Mio. als angemessen.

Prognosebericht der Bilanz zur Vor-Saison ist zu entnehmen, dass der HSV mit unveränderten Personalkosten im „Profibereich“ plant. Eine Reduzierung der Gesamt-Personalkosten von € 74.4 Mio. in der Vor-Saison soll im Wesentlichen durch den Wegfall der Sondereffekte („Abfindungen“) in Höhe von € 2.8 Mio. erreicht werden. Etwas griffiger bedeutet dies: der HSV plant für die aktuelle Saison 2017/18 mit Ausgaben im Personalbereich in Höhe von € 71.6 Mio.

Ins Gesamt ergeben sich mithin dokumentierte Ausgaben in Höhe von € 120.7 Mio. – € 23.5 Mio. Verbindlichkeiten, € 4.3 Mio. Rückstellungen, € 18.3 Mio. Bestellobligos, € 3.0 Mio. Transferentschädigung und € 71.6 Mio. geplanter Personalaufwand.

Zwischenergebnis

Den zu erwartenden Einnahmen in der aktuellen Saison 2017/18 in Höhe von € 147.7 Mio. stehen bereits in der Bilanz zur Vor-Saison festgeschriebene Ausgaben für die aktuelle Saison 2017/18 in Höhe von € 120.7 Mio. gegenüber – es verbleibt für die aktuelle Saison 2017/18 daher noch ein Rest an verfügbaren liquiden Mitteln in Höhe von lediglich € 27.0 Mio. für alle noch zu tätigenden Ausgaben.

Und wovon nun den Rest noch bezahlen?

Der HSV hat also für die aktuelle Saison 2017/18 noch ungebundene liquide Mittel in Höhe von 27.0 Mio., wobei die nachstehend aufgeführten Ausgaben noch keine Berücksichtigung fanden: Spielbetrieb (€ 19.4 Mio.), Vermarktungsprovisionen (€ 7.5 Mio.), Zinsaufwendungen (€ 4.4 Mio.) Transferkosten (€ 5.0 Mio.), Auswärtsfahrten (€ 1.3 Mio.), Rechtsberatung (€ 1.2 Mio.), Mieten (€ 1.2 Mio.), Werbeaufwendungen (€ 1.0 Mio.), Materialaufwand (€ 4.1 Mio.) und sonstige Aufwendungen (€ 9.7 Mio.). In Klammern sind jeweils die Werte der Bilanz zur Vor-Saison ausgewiesen.

Damit stehen in der aktuellen Saison 2017/18 den noch ungebundenen liquiden Mitteln in Höhe von € 27.0 Mio. zu tätigende und bisher noch nicht berücksichtigte Ausgaben gegenüber, die in der Bilanz zur Vor-Saison mit einem Wert in Höhe von € 54.8 Mio. ausgewiesen sind – und dabei sind die Ausgaben für Miete und Betriebskosten des Campus noch gar nicht eingerechnet.

Das Fazit des Elends

Dem HSV werden am Ende (erneut) liquide Mittel in Höhe von € 27.8 Mio. für die Saison 2017/18 fehlen. Und dieses prognostizierte Defizit kann sich sehr leicht noch signifikant erhöhen, wenn die überaus optimistischen Annahmen des HSV aus der Planung mit Platz 12 nicht eintreten, das Zuschauerinteresse nachlässt, Forderungen abgeschrieben werden müssen, usw.

Und zu Klarstellung sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in der vorstehenden Betrachtung selbstverständlich keine Ausgaben für mögliche Winter-Transfers berücksichtigt wurden.

Bei umgangssprachlicher Verwendung des Begriffs „Pleite“ im Sinne „leerer Kassen“ darf man sicherlich feststellen, dass dieser HSV eigentlich permanent „pleite“ ist. Ob dem HSV im juristischen Sinn auch die Insolvenz – also die Zahlungsunfähigkeit – konkret droht, ist an Hand einer Prognose sicherlich seriös nicht zu beantworten und wird die Zukunft weisen. Vermutlich wird es dem HSV gegen Ende der aktuellen Saison aber zum wiederholten Mal gelingen, dass ihm Gläubiger geräumige Zahlungsziele einräumen und Sponsoren dringend benötigte Vorschüsse gewähren werden. Damit kann der HSV dann die sich stetig verschärfenden Finanz-Probleme in „bewährter Manier“ wiederholt in die Zukunft auf die kommende Saison 2018/19 vortragen. „Pumpen“ bis der Reifen platzt.