Es gibt einen Punkt, an dem kann ich deutlich ablesen, dass ich definitiv kein HSV-Fan (mehr) bin und wahrscheinlich auch kein wirklicher Fußball-Fan mehr sein kann. Es geht mir um eine vollkommen übertriebene Vergötterung einzelner Protagonisten, die nur deshalb zu Wahnsinnstypen geworden sind, weil sie rein zufällig einen Vertrag in Hamburg unterschrieben bzw. ein rosa Trikot übergestreift haben. Spieler, Trainer und andere Verantwortliche, die man früher überhaupt nicht auf dem Schirm hatte und die man in dem Moment, in dem die Tinte trocken ist, zu Mitgliedern der Familie ernennt, denen man alles durchgehen lässt, jeden Fehler verzeiht und bis zum letzten Blutstropfen verteidigt. Oder noch schlimmer: Spieler, Trainer usw., die man vor ihrer Zeit beim HSV abgrundtief ablehnte und quasi mit Vertragsunterzeichnung in den Heldenstatus erhebt. Ich kann das nicht und ich will das auch nicht. Warum? Weil ich es für extrem verlogen und heuchlerisch ohne Ende empfinde.

Ich möchte das an einem aktuellen Beispiel verdeutlichen und anschließend weitere Beispiele nennen. Jeder andere hat unter Garantie andere Lieblingsspieler oder auch „Hass-Objekte“, das ist auch völlig in Ordnung.

„Wir alle lieben Papa“ durfte man gestern lesen und mir kommt im selben Moment der Morgenkaffee hoch, weil – ich liebe Papa(dopoulos) nun überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, ich finde den Spieler zum Kotzen. Dies ist allerdings kein neues Gefühl bei mir, denn ich fand den Griechen schon während seiner Zeit auf Schalke extrem ätzend und dieses Gefühl hat sich seit seiner Zeit in Leverkusen verstärkt. Es ist eine grundsätzlich Frage, weil ich finde, dass dieser Spieler gegen so gut wie alles verstößt, was ich im Fußball gut finde. Er tritt wie ein Kesselflicker, reklamiert aber jeden kleinen Schubser und ist einer der größten Schauspieler der Liga. Immer die Nr. 1 beim Schiedsrichter, immer der Erste, der eine Karten für einen Gegenspieler fordert.

Kurz: Er ist der Typ Spieler, den man gellend niederpfeift, wenn er als Gegner in den Volkspark kommt. Zieht er aber das Trikot mit der Raute über, so mutiert Brechmittel Papa plötzlich zum „aggressiv Leader“ und alle Mittel sind erlaubt. Sorry, geht bei mir einfach nicht, so ein seicht bin ich nicht gestrickt. Andersrum geht das übrigens auch nicht. Nur, weil ein Spieler, den ich beim HSV Klasse fand, den Verein aus welchen Gründen auch immer verlässt, finde ich ihn nicht von einer Sekunde zur anderen komplett daneben. Schönes Beispiel sind die Spieler Calhanoglu und Tah, aber auch Heung-Min Son. Hakan empfinde ich einfach als einen außergewöhnlichen Spieler, der Dinge macht, die nur wenige andere machen. Jona ist einer der elegantesten Innenverteidiger Europas und Sonny ist einfach nur Klasse.

Diese Jungs habe ich beim HSV gern spielen sehen und ich sehe sie heute noch gern spielen. Wie man es fertig kriegt, einen Tah bis zum Mai zu bejubeln und wenn er dann im September mit Leverkusen nach Hamburg kommt, niederzubrüllen und zu beleidigen, werde ich in diesem Leben nicht mehr verstehen. Wie man grundsätzlich einen gegnerischen Spieler als Feind und einen Spieler der eigenen Mannschaft als Heiland, der machen kann was er will, empfinden kann, geht über mein Fassungsvermögen. Hakan Calhanolgu hat dem HSV in seiner letzten Saison als 19-Jährigen den Klassenerhalt gesichert, ohne ihn wäre der Verein heute wahrscheinlich in der 2. oder 3. Liga. Dann wurde er vom HSV (Kreuzer) verarscht bis zum Geht-nicht-mehr und als Resultat brüllten die Einzeller jahrelang: Alle auf die 10. Einfach nur krank.

Noch kranker ist allerdings, dass dieses Verhalten vom Verein unterstützt wird. Beiersdorfer meinte einmal, auf die bevorstehenden Pfiffe gegen Tah angesprochen, das müsse dieser aushalten, der Junge war damals knapp 19 Jahre alt. Warum kann man nicht als Verein oder als Vereinsverantwortlicher auf die Leistungen dieser Spieler hinweisen und die Fans bitten, fair mit den ehemaligen Idolen umzugehen? Stattdessen wird der Hass auf Ex-Spieler von der Medien-Abteilung des Vereins noch geschürt, man kommt mit Sprüchen wie „Kommt ihr uns nach Hause“ um die Ecke, eine kaum versteckte Drohung und ein Armutszeugnis vor dem Herrn.

Mal überlegen, wen fand ich noch daneben und habe diese Abneigung auch während seiner Zeit beim HSV nie ablegen können? Richtig, Huub Stevens. Der „Knurrer aus Kerkrade“ war in Berlin ein Spacken, in Köln und auf Schalke und als er nach Hamburg kam, fand ich ihn und seine Art immer noch Kacke. Das Gleiche gilt für Frank Rost, auch damals hätte ich mich übergeben können, als ich hörte, dass er nach Hamburg kommt. In die gleiche Kerbe schlägt auch unser aller Vorstandsvorsitzender Heribert Bruchlandung. In Frankfurt irgendwie abhanden gekommen, empfand ich ihn als klugscheißender „SKY-Experte“ mega-ätzend. Als ich dann hörte, dass er als Nachfolger von Beiersdorfer nach Hamburg kommen sollte, naja…

Wenn ich noch einige Zeit darauf rum denken würde, würden mir bestimmt noch einige Namen einfallen, aber ich denke, es ist klar, worum es mir geht. So wenig wie ich hündische Gefolgschaft mag, mag ich Verteufelung von sogenannten Judassen. Nur, weil ein Spieler das HSV-Trikot trägt, muss ich ihn nicht toll finden, im Gegenteil. Und nur, weil ein Spieler im Milliardengeschäft Profi-Fußball den Verein verlassen hat, mutiert er nicht binnen Sekundenfrist zum Volksverräter, dem ich Katzen-AIDS ans Bein wünsche.

Ach ja, einer fällt mir noch ein: Markus Gisdol. Fand ich in Hoffenheim irgendwie schon extrem unsympathisch und das Gefühlt hält sich bis heute. Der Erfinder der Trainingsgruppe 2 ist sich und seiner Art treu geblieben, aus meiner Sicht ein ganz linke Säge. Und Dennis Diekmeier könnte von mir aus mit Real Madrid zweimal in Folge Champions League-Sieger und mit Deutschland Weltmeister werden, ich finde den Vogel einfach nur peinlich.