Liebe Mitglieder des Hamburger Sport-Vereins,

ich möchte mich heute hier bei ihnen um das Amt des Präsidenten des eingetragenen Vereins Hamburger SV bewerben, aber ich möchte sie bereits jetzt vorwarnen, denn ich werde sie nicht anlügen. Ich werde ihnen keine Märchen darüber erzählen, wie solide dieser Verein doch aufgestellt ist, keine Fabeln von wunderbaren Zukunftsaussichten und blühenden Erdbeerfeldern zeichnen. Ich werde ihnen nicht berichten, dass dieser Klub lediglich eine kurze Durststrecke überwinden und sein fehlendes Spielglück ausgleichen müsste. Und ich werde ihnen auch nicht erzählen, das man in den letzten Jahren lediglich Pech gehabt hatte, denn auch das wäre eine Lüge und Lügen haben wir in Hamburg wahrlich genug gehört in den Jahren, die hinter uns liegen.

Liebe Mitglieder, ich möchte ihnen ein wenig von mir erzählen. Zuerst einmal, ich habe weder ein Raute noch irgendetwas anderes im Herzen, dafür habe ich eine Strategie, mit der dieser Verein eventuell wieder solide aufgestellt werden könnte. Ich werde ihnen dabei weder versprechen, dass dies innerhalb der nächste drei Jahre passieren wird, denn dies kann ihnen niemand versprechen, der es ernst meint, noch weder ich ihnen versprechen, dass dies ohne gravierende Einschnitte passieren wird, personell und finanziell.  Die Zeit der Märchen, der Lügen und der leeren Versprechungen, grundsätzlich garniert mit einem schmissigen „Nur der HSV“ muss endlich vorbei sein.

Ich bin auch kein jahrzehntelanges Mitglied in diesem Verein und das Fest der Tausend Zwerge musste ich googeln. Kein Mitglied meiner Familie ist Mitglied in diesem Klub und niemand in meiner Familie hat eine Dauerkarte. Ich weiß, dass dieser Umstand für einige komplett inakzeptabel ist, aber sie müssen sich am Ende des Tages dafür entscheiden, was ihnen wichtig ist: Ein Mann mit Mitgliedsausweis und Dauerkarte, der ihnen Märchen erzählt und eine Zukunft verkaufen möchte, die nicht realisierbar ist. Oder ein Mann, dessen innigster Traum keine Auswärtsfahrt nach Bremen ist, der aber einen Plan besitzt, um diesen Verein eventuell retten zu können, es liegt allein bei ihnen.

Seinen sie doch mal ehrlich, wie oft haben sie in den letzten Jahren gesagt „Ich habe die Schnauze voll“? Wie oft? Und dann haben sie doch wieder eine Karte gekauft und sind im Dauerregen in den Volkspark gefahren. Warum? Weil sie geglaubt haben. Immer wieder haben sie geglaubt, immer wieder haben sie denen, die ihnen das nächste Märchen erzählt haben, vertraut und sind wieder auf die Schnauze gefallen. Aber sie haben wieder vertraut, weil ihnen dieser Verein etwas bedeutet. Für dieses Vertrauen, immer und immer wieder einseitig von ihnen erbracht, sollten sie endlich einmal belohnt werden. Belohnt nicht mit Meisterschaften und Kantersiegen, aber belohnt mit Ehrlichkeit und der Wahrheit.

Was bringen ihnen all die schönen Geschichten von Dukaten-scheißenden Vorstandsvorsitzenden und sanierenden Finanzvorständen, wenn bei der realistischen Betrachtung dieser Fabeln die Gebrüder Grimm im Grab rotieren? Was bringt es ihnen, als Mitglied und Fan dieses Vereins, wenn die Erzähler dieser Geschichten auf eine Mitgliedschaft seit 1972 und den Besitz einer Dauerkarte seit 2002 verweisen können? Aber noch wichtiger: Was bringt es ihrem Verein? Richtig, es bringt ihm nichts, es bringt ihm weniger als nichts. Sie haben nun all die Jahre ihre Erfahrungen mit Vorständen und Aufsichtsräten machen dürfen, die viele dieser Kriterien erfüllt haben und wohin hat es diesen Verein gebracht? Glauben sie denn tatsächlich, dass Rauten und Dauerkarten Indikatoren oder Garantien dafür sind, dass all diese Herren zuerst an den Verein und erst danach an sich denken?

Reden wir über den Verein, über den HSV. Viele von ihnen denken immer noch, dass dieser HSV ein sogenannter großer Verein ist, aber dem ist nicht so. Dieser HSV ist ein ganz normaler Verein, nicht besser und nicht schlechter als Eintracht Frankfurt, SC Freiburg oder Hannover 96. Dieser HSV hat den letzten Titel 1987 geholt, den DFB-Pokal in Berlin und obwohl ich keine Raute im Herzen habe, war ich als Fan im Stadion. Wer von ihnen war auch dort? Dieser HSV hat einmal, ein einiges Mal den Europapokal der Landesmeister gewonnen, 1983 in Athen. Ich weiß, dass viele von ihnen dies nicht hören wollen und ich weiß ebenfalls, dass es mich Stimmen kosten wird, aber ich hatte am Anfang meiner Rede versprochen, sie nicht anzulügen. Würde dieser Verein die gleichen sportlichen Erfolge auf seiner Habenseite führen, aber statt in Hamburg in Bielefeld beheimatet sein, kein Mensch würde von einem großen Verein sprechen. Groß macht diesen Verein lediglich die Stadt, in der sein Stadion steht.

Kommen wir zu finanziellen Situation dieses Verein und da ich ihnen versprochen hatte, ehrlich zu sein, werde ich es bleiben. Dieser Verein ist finanziell am Ende und jeder, der ihnen etwas anderes erzählt oder verspricht, lügt sie an. Dabei ist die Erkenntnis über die tatsächlichen Gegebenheiten kein Hexenwerk, es braucht lediglich ein wenig Wissen und den Blick in den Bundesanzeiger. Hier stehen nahezu alle relevanten Daten drin und ich kann ihnen versichern, dass diejenigen, die diese Zahlen zu verantworten haben, diese Zahlen auch kennen. Sie sagen sie ihnen aber nicht, weil sie eines wollen: Sie wollen ihre Jobs behalten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist offenbar jedes Mittel recht, denn wenn dieser Verein vor dem Insolvenzrichter steht, werden die Personen, die dafür verantwortlich sind, bereits nicht mehr da sein. Entweder, sie haben von sich aus gekündigt oder sie sind, in bewährter HSV-Manier, mit einer satten Abfindung versehen rechtzeitig gefeuert worden, bevor man sie für ihre Taten zur Verantwortung ziehen konnte.

Damit muss endlich Schluss sein.

Das, was dieser Verein braucht, ist eine 100%-Erneuerung und keine 10%-Maskierung. Die DNA dieses Vereins muss sich grundlegend ändern, wir alle müssen uns grundlegend ändern. Kein HSV-Anhänger sollte denken, er wäre etwas Besseres als ein Anhänger des SC Freiburg, denn das ist er nicht und die Probleme des SC Freiburg hätten wir gern in Hamburg. Dieser HSV muss endlich verlässlich werden, man muss sich auf ihn verlassen können und zwar in jeder Beziehung. Dieser Verein muss wieder verlässlich werden, verlässlich in der Zu- und in der Absage. Wir können uns ein „Heute-Hü-und-morgen-hott“ einfach nicht mehr länger leisten. Dieser Verein darf kein Selbstbedienungsladen mehr sein, für niemanden. Nicht für Spieler, nicht für Funktionäre, nicht für Berater und nicht für Investoren.

Wir müssen einen Kodex entwickeln, nach dem wir leben und handeln wollen und wer gegen diesen Kodex verstößt, der hat keinen Platz mehr in diesem Verein. Wie müssen dahin kommen, dass zuerst die Leistung steht und dann die Sprüche folgen. Wir müssen dahin kommen, dass zuerst die Leistung steht und erst dann die Belohnung erfolgt. Wir müssen smarte Transfers nicht nur ankündigen, sondern auch tätigen. Wenn an eine externe finanzielle Unterstützung, egal von wem, irgendeine Bedingung geknüpft ist, die für den HSV einen Nachteil darstellt, muss auf diese Unterstützung verzichtet werden, auch wenn es weh tut. Man darf diesen HSV nicht mehr erpressen können.

Das, was dieser Verein braucht, sind Personen an den entscheidenden Stellen, die unabhängig sind. Finanziell unabhängig und vor allem unabhängig von eventueller medialer Stimmungsmache. Ich sage ihnen ganz ehrlich, es ist mir scheißegal, was die BILD über mich schreibt und es mir noch egaler, was im Doppelpass über mich erzählt wird. Wichtig ist dieser Verein, nichts anderes.

Sie müssen sich nun entscheiden, aber ich sagen ihnen ebenso ehrlich wie bisher: Meine Welt dreht sich weiter, wenn ich nicht gewählt werde. Dreht sich ihre Welt aber auch weiter, wenn dieser Verein ungebremst an die Wand fährt? Mit voller Absicht beende ich meine Rede nicht mit dem gewohnten „Nur der HSV“, denn ein „Nur der HSV“ wurde in der Vergangenheit zu häufig durch ein „Nur ich“ ersetzt.

Ich wünsche ihnen einen schönen Abend und Weisheit bei der Auswahl ihres Kandidaten.

Vielen Dank, dass sie mir zugehört haben.