Es war am 24. August 1963, also ziemlich exakt ein Jahr, bevor ich zur Welt kam. Der erste Bundesliga-Spieltag bescherte die Begegnung Preussen Münster gegen den HSV und Charlie Dörfel gleich in der 80. Minute zum 1:1 Endstand aus. Am Ende der Saison, nach 30 Spieltagen, belegte der HSV mit 32:28 Punkten den 6. Tabellenplatz, der 1.FC Köln wurde der erste deutsche Meister der neuen Bundesliga. Am 12.05.2018 um 17.25 Uhr, also knappe 55 Jahre später, wird all dies zu Ende sein, es wird Geschichte sein. Der HSV wird zum ersten Mal nicht Teil einer neuen Bundesliga-Saison sein und ich frage mich, wie sich das wohl anfühlen wird, weil das Gefühl neu für mich sein wird.

Wie wird das wohl sein, wenn man am Samstag die Bundesliga schaut und den Namen „Hamburger Sportverein“ vergeblich suchen wird, weil dieser bereits am Freitag gegen Sandhausen gespielt hat oder am Sonntag um 13.00 Uhr Eintracht Braunschweig empfängt. Wenn dort Spieler am Montag Abend auflaufen, die man vorher nicht von Vereinen wie Köln, Stuttgart, Leverkusen oder Freiburg kannte, sondern die nun aus Meppen, Jena oder Zwickau gekommen sind. Wenn dort im „weiten Rund“ des Volksparkstadions keine 52.000, sondern nur noch 28.000 Zuschauer sitzen und sich an die neuen Zeiten gewöhnen müssen.

In der Länderspielpause wird weder Mopo noch BILD über HSV-Spieler berichten, weil es in Hamburg schlicht und ergreifend keine Nationalspieler mehr gibt, noch nicht mal aus Japan oder Serbien. Ich frage mich, was für ein Gefühl das sein wird, wenn man während eines regulären Spieltags ein halbleeres Stadion sehen wird, während am Vortag Leipzig gegen Düsseldorf in der Bundesliga gespielt hat. Der Mensch ist bekannt dafür, dass er sich schnell an neue Gegebenheiten gewöhnen kann, aber wie schnell wird man sich an etwas gewöhnen, was man noch nie erlebt hat?

Und wie wird das Gefühl sein, wenn man am 15. Spieltag der neuen Saison der 2. Liga auf dem Tabellenplatz 10 steht und eben nicht als unangefochtener Tabellenführer, den direkten Wiederaufstieg vor Augen? Anders ausgedrückt: Wie wird man bzw. wie werde ich mich fühlen, wenn man realisiert, dass man endgültig auf dem Level von Bochum, Heidenheim und Fürth angekommen ist? Wenn man in Hamburg halt nicht mehr von einem „großen Verein“ fabulieren kann, ohne sich der Gefahr auszusetzen, sich komplett zum Idioten zu machen. Und wie wird das wohl sein, wenn Lotto-Pfosten vor dem Spiel gegen den SC Paderborn „Wenn du aus der Hauptstadt kommst, scheißen wir auf dich und dein Lied“ trällert? Wird man sich dann noch mehr fremdschämen als bisher?

Mein Gefühl sagt mir, dass viele Hamburger noch nicht mal im Ansatz begriffen haben, was auf sie zukommen wird. Die selbsternannte „Sportstadt“ Hamburg wird, außer dem Hockey, nichts mehr Erstklassiges zu bieten haben. Keinen Fußball, kein Eishockey, keinen Handball, keinen Basketball, nichts. Hamburg ist zwar in der Lage, ein Konzerthaus für knapp € 900 Mio. zu bauen, was den Sport betrifft, ist die angeblich „schönste Stadt der Welt“ nur noch zweitklassig, eine Randnotiz. Spitzenfußball wird im Ruhrpott (Schalke, Dortmund) gespielt, erste Liga findet in Augsburg (289.545 Einwohner), Sinsheim (35.482 Einwohner) und Mönchengladbach (260.925 Einwohner) statt. Warum?

Nicht etwa, weil es dort mehr zu verdienen gibt oder weil das Umland schöner ist. Nein, dort wird auch weiterhin Erstliga-Fußball gespielt, weil dort besser gearbeitet wird. In diesen Vereinen beschäftigen sich die Verantwortlichen damit, ihren Job zu machen und nicht damit, sich die eigenen Taschen zu füllen. Dorthin gehen Spieler, die noch (sportliche) Ziele haben und eben keine, deren einziges Ziel es ist, mit so wenig Leistung wie möglich so viel Geld wie möglich ab zugreifen.

Eines sollte für alle Zeiten klar sein: Die Namen derer, die diesen Niedergang zu verantworten haben, sind nicht etwa die Herren Ertel, Hunke, Jarchow etc., auch, wenn es einige Vollverstrahlte immer noch nicht verstanden haben. Auch diese Herren haben ihren Teil beigetragen, wie es jeder getan hat, der in den letzten 40 Jahren irgendeine Funktion im Verein hatte. Aber! Nach der Ausgliederung 2014 wäre vieles möglich gewesen. Man hatte den neuen Bossen eine Blanco-Karte in die Hand gegeben und sie haben sie genutzt. Nicht für den Verein, aber für sich. Wenn jemand wie Dietmar Beiersdorfer in 2 1/2 Jahren als Allein-Verantwortlicher einen Fehler am nächsten begeht, und zwar mit voller Absicht, und dann auch noch mit einer Abfindung in Höhe von mehr als € 3 Mio. nach Hause gehen darf, sozusagen als Belohnung, dann sagt das alles über den Zustand dieses Vereins aus. Gernandt, Becken, Goethard, Nogly, von Heesen, Meier, Bönte. Sie saßen im Aufsichtsrat und haben nichts unternommen. Bruchhagen hat das Erbe Beiersdorfers einfach nur vollendet. Und der endgültige Totengräber wird der Mann ohne Gedächnis, der Vorsatz-Lügner Frank Wettstein sein. Bei diesen Herren kann sich jeder Hamburger, jedes HSV-Mitglied und jeder Fan bedanken.

Nun denn, ich habe absolut keine Ahnung, wie sich all das anfühlen wird, aber wir alle werden demnächst Gelegenheit bekommen, es herauszufinden.