Meine Güte, möchte man sagen, haltet doch bitte einmal den Ball flach. Warum in Gottes Namen sind die Menschen bloß nicht in der Lage, zu lernen? Besonders aus Fehlern zu lernen. Warum machen sie immer wie die gleichen Fehler, fallen immer wieder auf die gleichen durchschaubaren Szenarien rein? Beim HSV, aktueller Tabellen-17. der Fußball-Bundesliga und als letztes Gründungsmitglied unmittelbare vor dem ersten Abstieg in der Vereinsgeschichte ist eine Art Hysterie entstanden, ein Hype um einen Trainer, den die wenigsten vor 4 Wochen überhaupt kannten. Christian Titz ist 47 Jahre alt und die Bundesligamannschaft der HSV Fußball AG ist seine erste Station im bezahlten Fußball.

Mal zum Vergleich.

Jürgen Klopp (50) wurde 2001 Cheftrainer in Mainz, da war der Mann 33 Jahre alt, teilweise jünger als die Spieler, die er coachte.

Thomas Tuchel (44) wurde 2009 von der A-Jugend der Mainzer hochgezogen und zum Bundesliga-Trainer gemacht, da war der Mann 35 Jahre alt.

Domenico Tedesco (32) ging 2017 nach Aue ins Erzgebirge, damals als 31-Jähriger

Julian Nagelsmann (30) übernahm die Profimannschaft der TSG Hoffenheim am 11.02.2016, da war er 28.

Nico Kovac war immerhin schon 40 Jahre alt, als der Nationaltrainer Kroatiens wurde.

In Hamburg dreht momentan alles durch, weil man einen Trainer befördert hat, der aus 4 Spielen 4 Punkte geholt hat. Aber nicht nur deshalb, sondern weil der HSV nun angeblich einen so begeisternden Fußball spielt. Also ehrlich, ich habe die Spiele gesehen. Das Schalke-Spiel war in der Tat richtig gut, dafür war das Spiel in Hoffenheim wieder richtig schlecht. Ich habe das Gefühl, dass diejenigen, die diesen sensationellen Fußball gesehen haben wollen, maximal die Zusammenfassung in der Sportschau genossen haben und die reißerischen Artikel in Abendblatt und Mopo nachlabern. Hier mal ein anderes Beispiel, diesmal von der Facebook-Seite des HSV:

Joerg Seligmann Nun haltet doch bezgl. C. Titz mal den Ball flach. Der ist 47 Jahre alt und war bis vor 5 Wochen Trainer in denr4. Liga. Das ist mit 47 Jahren nicht gerade eine sensationelle Karriere. Die Vereine und Jobs davor lassen einen auch nicht gerade vor Ehrfurcht erstarren. Mag sein, dass er was drauf hat – aber bislang hat er in 4 Spielen 4 Punkte geholt. Besser als die Luschen davor – aber noch lange nicht gut. Noch nicht einmal ausreichend. Der HSV hat viel zu häufig Spieler und Trainer verpflichtet, die es nicht drauf hatten und der Vorstand vorschnell agiert hat. Und jetzt, nach gerade mal 4 BuLi-Spielen, soll Titz der Mann der Wende zum Guten werden?! Es ist gar keine Eile geboten, sondern ein kühler Kopf

Um es vorweg zu nehmen – besonders viel Beifall hat Jörg für diesen Post nicht bekommen, im Gegenteil. Ein weiteres Beispiel:

Wolfgang Gerischer So einen Mist zu reden. Der ist besser als der ganze Trainermüll den der HSV seit Stevens hatte. Halt dich besser raus!!!

Nun ja, ob jetzt der Rentner und ehemalige Berufskraftfahrer Wolfgang der Richtige ist, die Qualitäten des Trainers richtig beurteilen zu können, sei mal dahingestellt, auf jeden Fall kann er das Maul aufreißen. Aber warum gibt es eigentlich zur Zeit so viele Titz-Fans in und um Hamburg? Weil der Mann ein paar Bücher geschrieben hat und wie der Zwillingsbruder von Boris Becker redet? Nö, natürlich nicht. Weil Stimmung gemacht wird.

„Wir haben zusammen insbesondere an den HSV-Trainingsprinzipien in der Arbeit mit und gegen den Ball gearbeitet“, sagt Peters über seinen Austausch mit Titz, den er vor drei Jahren bei einer Fortbildung erstmals traf und für die U17 des HSV verpflichtete. „Christian war ein gestandener Trainer und eine Persönlichkeit, als wir uns kennengelernt haben„, sagt Peters.

Hach ja, der „HSV-Juwelier“. Lässt natürlich keine Gelegenheit aus, seine „Ziehsohn“ Titz über den grünen Klee und sich selbst für seine sagenhafte Trainerausbildung gleich mit zu loben. Aber er ist nicht allein.

Wettstein: „Unser Trainer macht seine Sache richtig gut. Die Fans empfinden den neu eingeschlagenen Weg mit ihm und mit vielen jungen Kräften als richtig und können sich damit identifizieren, das hat auch die Reaktion der Anhänger nach der 0:2-Niederlage in Hoffenheim gezeigt. Wir werden weiterhin diesen neuen Weg beschreiten müssen, unabhängig von der Ligazugehörigkeit, wenn wir unseren HSV wieder erstarken lassen wollen.“

Überraschend, dass ausgerechnet die beiden Figuren den Trainer promoten und ihm am liebsten sofort den Vertrag verlängern wollen? Natürlich nicht. Denn Beiden haben eigene Ziele und die lassen sich natürlich besser durchsetzen, wenn man eine kleine Hausmacht aufgebaut hat. Wettstein möchte auch in Zukunft im Büro des Vorstandsvorsitzenden sitzen und Peters strebt die Beförderung vom Direktor Sport zum Vorstand Sport an. Und Titz? Titz versucht in alter HSV-Manier die Gunst der Stunde zu nutzen. Aktuell ist die Stimmung bzgl. seiner Person positiv, aber das könnte sich nach einer Heimniederlage gegen Freiburg schlagartig ändern. Also muss jetzt, auch und besonders über die Medien (Gerüchte über Interesse aus Kiel) Druck gemacht werden und die Buddies Wettstein und Peters machen mit. Woran erinnert mich das gerade? Ach ja.

„Der HSV ist ein großer Traditionsverein, der früher große Erfolge gefeiert hat. Jeder, der sich hier zur Verfügung gestellt hat, wollte damit glänzen. Der HSV hat immer auf die Personen abgestrahlt, die ihn vertreten haben. Aber ich habe lange keinen mehr gesehen, der etwas für den HSV gemacht hat.“ Und der aktuelle Trainer Christian Titz? Magath: „Ich kann die Qualität seiner Arbeit nicht wirklich beurteilen. Aber was ich bisher gehört habe, ist es auch wieder so, dass Herr Titz vom HSV lebt und nicht der HSV vom Herrn Titz.“ (Felix Magath im NDR)

Ein Trainer, dem es um den Verein geht, könnte/müsste doch jetzt eigentlich sagen: „Leute, haltet doch mal den Ball flach. Wir haben noch eine minimale Restchance, an der müssen wir arbeiten. Über alles andere reden wir nach der Saison, wenn wir wissen, in welcher Liga wir spielen, wer der neue Sport-Vorstand ist und welche Pläne er hat. Außerdem habe ich noch einen Vertrag beim HSV.“ Macht er aber nicht, weil er, wie viele vor ihm, die Gunst der Stunde nutzen möchte und in Wettstein und Peters liebe Verbündete hat.

Bernd Hoffmann dürfte indes ganz andere Pläne haben, nicht nur bzgl. der Person Titz, sondern auch hinsichtlich der Planstellen für die Herren Wettstein und Peters. Aber in diesem Verein kocht, wie immer, jeder nur sein eigenes Süppchen.

P.S. Die Summe eurer vielen großartigen Spenden habe ich gestern an meine Tochter überwiesen, ich soll mich in ihrem Namen herzlich für eure Großzügigkeit bedanken.