„Wir brauchen ein funktionierendes Gerüst aus erfahrenen Spielern wie Sakai, Hunt, Holtby und Co. Deshalb sind wir froh, dass…..bla bla bla…“

„Nur mit Jungen geht es nicht, man braucht erfahrene Spieler, um den Nachwuchs zu führen“

Wie oft habe ich diesen Quatsch in der Vergangenheit gelesen, wie oft habe ich mich darüber aufgeregt, wenn jemand diese BILD-Weisheiten einfach nur nachlabert, ohne den Beweis der Richtigkeit zu erbringen? Denn meiner Meinung nach ist das vollendeter Stuss, der auch dann nicht korrekter wird, je öfter man ihn wiederholt. Meine These war es schon immer, dass man keine alten oder „gestandene“ Spieler braucht, um jüngere Spieler zu guten Leistungen zu motivieren, man braucht eine erklärbare Philosophie, eine durchsetzbare Strategie und ein praktikables System. Hat man all das, entwickeln sich Automatismen auch ohne teure Altstars, die eben nur noch von diesen verbreiteten Legenden leben.

gaol.com hat nun gestern die Geschichte des dänischen Erstligisten FC Nordsjaelland nacherzählt und diese Geschichte ist mehr als lesenswert.

http://www.goal.com/story/fc-nordsjaelland/index.html

Ich möchte ein paar Teile zitieren, dir mir besonders aufgefallen sind und euch dann mit der Lektüre dieses genialen Artikels allein lassen.

Hier, im kleinen beschaulichen Farum, findet seit Jahren in einer schnelllebigen Millionenbranche ein Lehrstück über Nachhaltigkeit und Moral statt. Und der zentrale Begriff aller, die dieses Projekt aufgebaut haben und es mit Stolz vorantreiben, ist ebenjener: Traum. Ein Traum, etwas zu bewegen.

„Das Leben anderer zum Positiven zu verändern, uns für Schwächere einzusetzen, ist eines unser zentralen Ziele“, sagt Sören Kristensen, seit 2017 CEO des FC Nordsjaelland, im exklusiven Gespräch mit Goal. Kristensen, 47 Jahre alt, weiß genau, wie knallhart es bisweilen im Kapitalismus zugeht, wie oft der Mensch eher als Geldbringer auf zwei Beinen denn als fühlendes Lebewesen gesehen wird.

Eine Reise, die im Jahr 2006 grundlegend verändert wurde. „Wir fingen damals an, uns zu fragen, was man mit beschaulichen finanziellen Mitteln ändern kann, um nachhaltig voran zu kommen“, sagt Laursen. „Wir mussten so denken. Denn schnelle Veränderungen brauchen meist Geld. Von Tag eins an haben wir einen etwas anderen Weg verfolgt.

„Man braucht großen Mut, um zu sagen: ‚Ok, wir vertrauen komplett unserer Ausbildung und jungen Spielern'“, sagt Laursen. „Man muss Fehler zulassen und nicht gleich alles in Frage stellen, wenn es mal nicht läuft. Das machen viele größere Vereine anders. Ich glaube, dass man nur wachsen kann, wenn man gemeinsam in eine Richtung geht und auch bei großen Hindernissen nicht sofort den eingeschlagenen Weg verlässt.“

Am 7. Mai dieses Jahres schickte Trainer Kasper Hjulmand eine Anfangsformation aufs Feld, die durchschnittlich gerade einmal 21,1 Jahre alt war. Kein Verein in Europa hatte in dieser Saison eine jüngere.

„Ich bin mit einem kleinen Amateurverein in die erste dänische Liga aufgestiegen. 18 Spieler im Kader waren 20 und jünger. Und dennoch spielten wir einen Fußball, dessen Rhythmus wir bestimmten.“

Dass Nordsjaelland heute ein über die Landesgrenzen hinaus gehendes Vorbild ist, war lange nicht zu erwarten. Im Gegenteil. „Wir wurden von allen Seiten belächelt, als kleiner Verein auf Ballbesitz und Spielkontrolle zu setzen. Wenn man etwas anders als die anderen macht, muss man in Kauf nehmen, auf dem Weg zum Ziel manchmal dumm auszusehen“, sagt Laursen.

„Ist man mutig genug, das auszuhalten, kann man aber große Dinge bewirken. Viele haben vor den Fehlern, die man zwangsläufig als Mensch auf diesem Weg macht, Angst. Und verharren deshalb auf der Stelle, ohne eine Vision für die Zukunft zu haben. Jeder sagte, dass es aussichtslos und naiv sei, radikal auf die Jugend zu setzen, dass es unmöglich sei, so Spiele zu gewinnen. Plötzlich hatten wir die jüngste Startelf in Europa – und gewannen Spiele. Und wir gewannen sie nicht nur, sondern auch auf eine Art und Weise, die wir selbst gewählt hatten.“

„Wir haben uns grundsätzlich die Frage gestellt: Glauben wir, dass es möglich ist, auch gegen qualitativ stärkere Gegner eine eigene Spielphilosophie durchzusetzen und mit ihr Erfolg zu haben? Wir sind der Meinung, dass das möglich ist“,

„Es liegt in der Natur des Menschen, im Moment erster Erfolge mehr zu wollen. Es wäre also ein Leichtes gewesen, die Akademie zu vergessen und mit dem zusätzlichen Geld erfahrene Spieler zu verpflichten. Wir haben uns bewusst dagegen entschieden und das Geld vollständig in die Akademie gesteckt. Wir wurden dafür teilweise hart kritisiert. Sechs Jahre später haben wir eine der jüngsten Mannschaften Europas, immer zwischen sechs und neun Spieler aus der eigenen Jugend in der Startelf und stehen stabil da.“

Ich weiß, was viele nach der Lektüre dieses Artikels sagen werden. Dänemark ist nicht Bundesliga und Farum ist nicht Hamburg. Das stimmt. Und niemand verlangt, dass der HSV exakt diesen Weg beschreiten sollte, obwohl ich mir große Teile davon spätestens nach dem Abstieg gewünscht hätte. Dazu aber bräuchte man einen Plan, man bräuchte eine Vereins-Philosophie und man bräuchte etwas, was es in Hamburg seit Jahrzehnten nicht mehr gibt: Moral.

Aber egal wie man es dreht und wendet, Nordsjaelland hat in jedem Fall eines bewiesen und das unabhängig von Land und Liga – es geht eben doch auch nur mit Jungen. Man muss es nur wollen.